Hallo Ben,
ich erinnere mich noch gut, wie das USA-Thema – auch ohne extra challenges wie bei euch mit dem Impfstatus – uns Stück für Stück als Familie mürbe gemacht hat. Man wird zum Opfer des Systems, bevor überhaupt alles losgeht. Und besonders die Erwachsenen, die vor 30-35 Jahren auch in den USA waren und damals alles super fanden, fand ich anstrengend. Waren Probleme mit dem J-1 Programm früher vielleicht die Ausnahme, betreffen massive Probleme heute 50-70 Prozent der Jugendlichen, da muss man einfach die nostalgische Brille absetzen, auch wenns schwerfällt. Es sind KEINE Einzelfälle und es ist schade, dass der Werbetrommel der Agenturen noch immer mehr geglaubt wird als den Betroffenen, die reihum anderes berichten.
Unabhängig davon, ob man das Jahr trotz nicht kompletter Impfreihen möglich machen KÖNNTE - frage ich mich aber folgendes: Du schreibst, dass ihr bewusst und selbst gewählt keine Impf-Fans, sondern eher Skeptiker seid, und ihr als Familie lebt das seit Jahren. Wollt ihr wegen dieses USA-Jahres eure Philosophie plötzlich so derart über den Haufen werfen, dass ihr bereit wäret, euer Kind jetzt innerhalb eines Jahres in einen wahren Impf-Marathon zu werfen? Mit Impfungen, die man zT in Deutschland gar nicht empfiehlt? Und allen anderen dazu? Das kann ich zB nicht nachvollziehen, dann wären die USA eben nicht das Richtige für mich. Könnte das nicht alternativ vlt euer Kind selbst entscheiden, wenn es volljährig ist und sich auf ein Work & Travel in den USA nach Ende der Schule freuen und mit Ruhe und Maß vorher durchimpfen lassen? Und ihr schaut jetzt nach einer Alternative, zB in Europa?
Was die Ablehnung durch die Agentur angeht, meine Einschätzung: Genau wie du sagst, gäbe es bei gutem Willen vieler Beteiligter vielleicht Wege und Möglichkeiten. Die Frage wäre vermutlich zunächst zu klären, wer da genau geblockt hat und ob es überhaupt eine Agentur gibt, die diese Buchung annehmen würde. Liegt es am Staat USA, der Impfungen vorschreibt bei einjährigen Aufenthalten, ich meine zu erinnern, dass Polio gerade wieder insg. Thema ist. Oder sind es einzelne Bundesstaaten? Einige Staaten verlangen auch für per dt. Stiko durchgeimpfte Kinder Zwangsimpfungen bei Einreise, was zB daran liegt, dass einige Mehrfachimpfungen in Deutschland nur alle 10 Jahre aufgefrischt werden, in den USA in einigen Staaten aber alle 5 Jahre. Oder ist es die US-Agentur, die das in ihren Programmregeln festhält? Bei all dem wird keine deutsche Agentur etwas machen können, selbst wenn sie wollte. Zumindest nicht beim J-1 Programm, denn dies ist ein ‚sponsored Visa‘, also eines, dass nur über Agenturen vergeben wird. Bei diesem Programm ‚von der Stange‘ hat man sehr viel zu akzeptieren, und bereits Vegetarier könnten es mit einer Platzierung schwer haben, auch Allergiker etc.
Mit dem F-1 Programm ginge es vielleicht, oder mit einem Self Placement ohne Agentur und seeehr viel Dialogen und Dokumenten, mit sehr vielen Wenns und Abers. Das halte ich nur für machbar, wenn ihr gute Kontakte in den USA habt. Und nicht zu vergessen, die Kosten des F-1 Programm übersteigen die des J-1 nicht nur ‚etwas‘, sondern liegen beim Doppelten bis Mehrfachen!
Kleiner Einblick in das Thema USA Impfen bei einem per Stiko durchgeimpften Kind: Mehrfache Nachimpfungen gegen etwas, gegen das das Kind bereits mehrfach geimpft war, weil den USA der angewendete dt. Impfstoff nicht taugte. Nachimpfung bei etwas anderem, das in Dt. als Kombiimpfung gemacht wurde, was nicht akzeptiert wurde. Weitere Nachimpfungen, die in Deutschland gar nicht vorgesehen waren. Last not least, keine Impfung, aber der Anti-Tuberkulose-Nachweis führte bei uns zu einem Dollarzeichen in den Augen eines Lungenfacharztes, der unser privat versichertes Kind ungefragt vier Stunden lang ‚durchchecken‘ musste (macht man da so bei Neupatienten) mit einer Rechnung von über 600,- Euro, obwohl dieser TB-Test an sich nur ein paar Euro gekostet hätte. Unser Kinderarzt hat zudem mehrfach diesen Bogen der Agentur ausfüllen müssen, weil es der US-Agentur nicht passte, wie er die Impfungen nicht alle nochmal einzeln aufgelistet hat, sondern es gewagt hat, Gänsefüßchen zu verwenden. Wäre unser Kind in einen entsprechenden Staat gekommen, s.o., wären weitere Nachimpfungen erfolgt. Also ehrlich ich hätte als Impfskeptiker mein Kind niemals diesem Marathon ausgesetzt, ‚nur‘ um eine Zeit in den USA zu verbringen, die zudem ganz und gar nicht garantiert schön werden muss.
Zu der Frage, wo der Reisepreis bleibt – ca 70-80 Prozent des Preises gehen an die dt. und die US-Agentur für ihre Betreuung, Vermittlungstätigkeit, Vor- und Nachbereitung etc., wobei der größere Teil in die USA abfließt. Der Rest ist Flug, Visum, Gebühren, diesdasAnanas. Von der US-Summe werden auch die Angestellten wie die LCs bezahlt. Die LCs verdienen dazu vor allem verprovisioniert über die Anzahl der Kinder, die einreisen (NICHT die bleiben), sowie das Sichern von zum Teil luxuriösen Incentive-Reisen. Provisionen werden zum Teil, auch wenn das wohl öffentlich eigentlich nicht erlaubt ist, an Gastfamilien gegeben, die Kinder aufnehmen, zumindest noch gschwind als Welcome Family. Wird offen auf FB von einigen Agenturen so beworben.
Mein Rat aus eigener Erfahrung: In der aktuellen Familiendynamik sind es zwei, die das Ganze unbedingt wollen, aber offenbar nicht alle Erkenntnisse bereits gewonnen haben. Zieh dich etwas aus dem Thema zurück und lass es die beiden mal austüfteln, ob es überhaupt möglich wäre, was ein Kinderarzt dazu sagt, welches Visum, Selfplacement oder nicht, welche Kosten, welche Bürokratie, welche Risiken, oder ob nicht doch ein anderes Land im Hier und Jetzt eine Alternative ist. Je mehr ich damals recherchiert und dann mal mit schlechten Nachrichten um die Ecke kam, umso stressiger wurde alles. Ich kann auch das An- oder Durchlesen der beiden Streams durchaus empfehlen und viele der hier Schreibenden werden sicher auch auf Privatnachrichten gerne antworten.
Es gibt noch so viele Träume und Möglichkeiten – lasst euch nicht verrückt machen im vermeintlichen Rennen um den ‚American High School Dream‘ – was auch immer man im J-1 Programm mittlerweile darunter verstehen mag.
Ich wünsche euch von Herzen alles Gute auf dem Weg zur richtigen Entscheidung!