Hallo, ist es bei Problemen möglich die Schule zu wechseln?
Hallo J.M., danke für deine Frage, im anderen Chat schildertest du das Problem dahingehend, dass du eine Platzierung an einer Charter School erhalten hast mit nur wenigen Schülern und wenig bis keinem Sportangebot, obwohl es in der Nähe zwei andere klassische Public High Schools gäbe.
Charter Schools gibt es seit ca 30 Jahren in den USA, sie zählen ebenso zum öffentlichen Schulwesen wie klassische Public Schools. Bei Interesse ein paar mehr Infos unten.
Was das Vertragliche/Rechtliche angeht: In den Verträgen der deutschen Agenturen steht meistens drin, dass die High School auch eine Charter School sein kann. Wenn nirgendwo konkret in den AGB steht, dass eine Charter School Platzierung abgelehnt werden darf, könnt ihr rechtlich vermutlich keine Alternative fordern. Das ist dasselbe wie bei einer Platzierung in einem Ort, Staat oder bei einer Familie, die aus welchem Grund auch immer unpassend erscheint. Leider gibt es meines Wissens nach auch keine Möglichkeit, aufgrund fehlender Sportmöglichkeiten eine Platzierung abzulehnen – es sei denn, ihr hättet wiederum eine vertragliche Garantie, doch das wird im Public School J-1 Bereich eher nicht der Fall sein. Man hat in diesem Programm leider einfach zu nehmen, was kommt (bis auf bereits geschilderte Ausnahmen in Bezug auf die Gastfamilie). Und die Erkenntnis ist traurig und bitter, dass das oft himmelweit von dem entfernt ist, was uns allen in der Werbephase so versprochen wurde.
Wenn das ganze Jahr aufgrund dieser Charter School ein NoGo für dich sein sollte – überprüfe mit deinen Eltern, ob bei euch die Stornierung des High School Jahres nach §651u BGB greifen könnte. ABER ich würde an deiner Stelle nicht nur deswegen stornieren! Stimmt denn der Rest, macht die Familie einen guten und netten Eindruck? Das ist oft viel wichtiger als eine kleine oder große Schule oder der Wahlsport. Eine Charter School bedeutet nicht per se, dass sie schlechter ist, es hängt wie so oft von den Menschen ab, die dort wirken. Hast du die Schule gegoogelt? Die Schule unseres Kindes (eine normale Public School) war auch klein, nur wenige hundert Schüler und bot nicht super viele Sportarten, aber alles wirkte freundlich, persönlich und bodenständig mit positiven Bewertungen, das hat unser Kind bestärkt.
Hast du bei der deutschen Agentur die Hintergründe für die Platzierung an dieser Schule statt an einer der anderen klassischen High Schools erfragt? Liegt sie näher am Wohnort der Gastfamilie, oder wohnt die Gastfamilie vielleicht außerhalb des Distrikts der anderen Schulen? Normale Public High Schools nehmen nur Kinder aus ihrem Distrikt auf (in Deutschland heißt das ‚sprengelgebunden‘). Oder sind die beiden anderen Schulen schon voll, da sie bereits mehrere Austauschschüler aufgenommen haben?
Ein unterjähriger Wechsel aus Kulanz / Goodwill der Agenturen ist zumindest nicht unmöglich, gerade zum Schulhalbjahreswechsel gibt es manchmal Möglichkeiten, da einige Kinder abgebrochen haben oder nur ein halbes Jahr vor Ort sind. Unsere Gastfamilie hat zum Beispiel bei der Umplatzierung eines anderen Austauschschülers geholfen und es genügte ein Anruf bei ‚unserer‘ High School, den anderen Austauschschüler noch mit aufzunehmen. ABER ich sage dir ehrlich, wie ich es einschätze, das kann auch anders laufen. Bei uns war es einfach dörflich und familiär und ‚unsere‘ Schule hatte nur wenige Austauschschüler.
Ein Wechsel vor Ort / aus Kulanz würde voraussetzen, dass mehrere starke hilfreiche und wohlwollende Menschen sich darum bemühen. Die deutsche und die amerikanische Agentur müssten zustimmen, ihr müsstet einen Platz an einer der High Schools bekommen und die Gastfamilie müsste zudem im Distrikt wohnen. Vor Ort müsste dazu noch der lokale Koordinator oder Area Representative das Ganze begleiten. Man kann sich halt nicht darauf verlassen, dass alle helfen wollen. Und es kann auch sein, dass es eben bei bestem Willen keine Wechselmöglichkeit gibt, da die High Schools nur die Anzahl xy an Austauschschülern aufnehmen.
Auch nochmals Achtung davor, so etwas in Eigenregie zu versuchen! Lest die Regeln der amerikanischen Agentur, ob eine Eigeninitiative oder das berühmte ‚parental involvement‘ am Ende sogar zu einem Rauswurf führen können. Zudem wirst du unterschrieben haben oder unterschreiben müssen, dass du z.B. niemals negativ über irgend etwas wie Familie, Schule etc. kommunizierst. Wer aber einen Wechsel wünscht, wird diesen begründen müssen und das geht nun einmal mit Kritik oder negativen Anmerkungen einher. Auch das kann nach Belieben der Agentur als Regelverstoß geahndet werden und die Abmahnungs-Rauswurf-Lawine lostreten, vor der wir schon gewarnt haben.
Wenn die Familie nett wirkt und ihr dazu ein gutes Bauchgefühl habt, würde ich persönlich meinem Kind raten, es trotz Charter School zu versuchen, mit der Vorahnung verbunden, dass ein Wechsel vor Ort eher unwahrscheinlich ist. Ich wünsche dir von Herzen, dass es trotz aller Bedenken ein schönes Jahr für dich werden wird!
Viele Grüße von USAFragen
Charter School vs klassische Public High School
Unterscheiden tut sich die Charter School von herkömmlichen Public High Schools zunächst durch den freien Träger. Charter Schools werden öffentlich finanziert, was Bau und Betrieb angeht, aber privat betrieben, einige davon gewinnorientiert, manchmal stehen Firmen oder auch private Großinvestoren dahinter, es kann aber wohl auch z.B. ein Elternverbund eine solche Schule gründen. Diese Schulen agieren sehr frei, bestimmen einen großen Teil der Lehrpläne selbst, wählen die Lehrer selbst aus und können z.B. auch die Zahl der Unterrichtsstunden erhöhen oder die Ferientermine anders legen. Auch können sie offenbar recht frei entscheiden, welche Kinder sie aufnehmen.
Mittlerweile werden ca. 7-8 Prozent der amerikanischen Schüler an Charter Schools in ca. 45 Bundesstaaten unterrichtet. Charter Schools scheinen jedoch auch in den USA umstritten zu sein, was z.B. an der Gewinnorientierung, dem Herauspicken von Schülern, der geringeren öffentlichen Rechenschaftspflichten etc. liegt. Es gibt unterschiedliche Studien, ob Kinder mit Charter School Abschluss am College dieselben Voraussetzungen mitbringen oder nicht. Auf das, was mit den Gewinnen gemacht wird, die eine Charter School ggf erwirtschaftet, hat der Staat weniger Einfluss, also ob diese der Schule und den Kindern wieder zugute kommen oder abgezogen werden. Die größte Sorge in den USA scheint zu sein, dass damit die Bildungspolitik mehr und mehr vom Staat auf private Betreiber übergehen könnte, der Zugriff auf Bildungsinhalte also verloren geht. Durch die Ablehnungsmöglichkeit von Kindern kann das Prinzip auch zum Portal für Diskriminierung oder Rassismus werden, da verschiedene Gruppen von Kindern abgelehnt werden dürfen und vielleicht nur noch an prekäre Public High Schools vor Ort gehen können, oder die Public High Schools in einigen Gebieten quasi leer stehen wie z.B. in Detroit / Michigan, dort gab es sogar Proteste vor einigen Jahren. Es gibt über diese Entwicklung viele interessante Zeitungsberichte!
Hallo zusammen,
es gab ein Urteil bzgl. des Besuchs einer Charter School anstelle einer „normalen“ High School zugunsten der Familie/der Kunden.
Ich gehe aber stark davon aus, das sich die Organisationen inzwischen in ihren AGB dahingehend absichern. Tlw. habe ich auch schon gesehen, dass Charter Schools von Orgas explizit im Angebot beworben werden und als Alternative zur - oft nicht so populären - Public School angeboten werden, aber eben auch nicht so teuer wie Privatschulen sind.
Das „echte“ Kind unserer GF war auf einer Charter School, da diese laut den Eltern eben nicht die Preise einer privaten Schule aufruft (kostet in USA ja gern mal Zehntausende Dollar im Jahr), aber akademisch besser aufgestellt war. Die Kids haben dort Schuluniform getragen und Altgriechisch gelernt… im Vergleich zur Public High School, auf der unser Kind ein mega entspanntes Leben hatte, wurde bei den ‚Geschwistern‘ auf der Charter School deutlich mehr verlangt.
Sport gab es dort auch, allerdings nicht in so einem großen Umfang wie an der regulären High School. Sie hatte aber auch nicht nur in Summe 150 Schüler. Da sehe ich das High School Erlebnis schon eher getrübt…
Ein Schulwechsel ging bei uns übrigens nicht. Kind wollte zunächst gern an eine andere High School. Die Schulen im Distrikt waren komplett dicht mit ihren international Plätzen…
…und sind es jetzt scheinbar auch schon wieder. Unsere GF hat schon 2 neue ATS und die Familien der Freunde auch. Übrigens alles nicht über J1. Aus Südamerika und Asien und zunehmend auch Deutschland und Rest-Europa geht viel über Select. Was die Familienknappheit im J 1 leider weiterhin verschärfen dürfte…
Hallo, der Beitrag ließt sich wie ein Alptraum . Mit welcher Organisation wart ihr denn unterwegs?
Bin völlig verunsichert. Haben unsere Tochter bei Experiment e.V. Kulturwerke Deutschland angemeldet.
Danke für die Infos
Auch hier nochmal…
Leider ist es völlig egal, bei welcher Agentur man bucht. Hier in diesem Thread erzählen Betroffene von ihren Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Agenturen!
Ein Austauschjahr mit einem J1-Visum gleicht einer Lotterie…kann gut gehen, muss es aber nicht! Deshalb wurde dieser Strang ins Leben gerufen…nicht, um Panik zu schüren, sondern darauf vorbereitet zu sein, wenn Probleme auftreten…
Hallo Peggyp
Experiment e.V. hat aber einen sehr guten Ruf. Ist ja auch gemeinnützig, will sich also nicht an deinem Kind bereichern.
Beste Grüße,
Monika
Alle Agenturen haben einen sehr guten Ruf. Das liegt unter anderem daran, dass sie gegen fast jede Negativ-Kritik, die in öffentlichen Bewertungsportalen abgegeben wird, sofort vorgehen…ob nun durch Löschung oder Androhung von juristischen Maßnahmen…
Nur mal so am Rande…
Ich verstehe das ‘nicht bereichern’ auch nicht so ganz?
Kostet der Austausch bei Experiment nichts?
Ich glaube nicht, dass alle Austauschorganisationen direkt miteinander verglichen werden können, noch dass die gleiche Organisation in verschiedenen Situationen identisch handelt. Sobald Zeitdruck entsteht, wird vermutlich alles unternommen, um ein Placement zu finden oder sogar zu erzwingen.
Für uns war es wichtig, eine Organisation zu wählen, die sowohl im Heimat- als auch im Gastland tätig ist. Es beruhigt zu wissen, dass dieselbe Organisation in beiden Ländern zuständig ist. Bei uns hat alles gut funktioniert, doch mussten wir feststellen, dass die Ansichten stark variieren können. Obwohl die gleichen Schlagwörter in den Medien und sozialen Netzwerken verwendet werden, sind die Vorgehensweisen und Meinungen oft sehr unterschiedlich.
Hätten wir jedoch rechtliche Schritte einleiten müssen, wären wir zumindest mit derselben Organisation und unter den gleichen Richtlinien vorgegangen.
Daher glaube ich, dass es letztlich auch eine Art Lotterie ist. Wenn alles im Zeitrahmen liegt und man frühzeitig ein Placement erhält, bei dem man sich im Vorfeld ausreichend kennenlernen kann, ist das von großem Wert. Wird ein Placement hingegen erst sehr kurzfristig vergeben, hätte auch ich große Bedenken, und mein Bauchgefühl würde Alarm schlagen.
Meine Erfahrungswerte und Aussagen beziehen sich ausschließlich auf das J1-Classicprogramm in den USA.
Über Vorgehensweisen in anderen Ländern kann ich nichts sagen. Da mag es sehr viel anders und transparenter zugehen…
Zufälligerweise erst gestern wieder von einem Mädchen gehört, dass mit Experimente in den USA weilt, in einer Wohnung, da fehlen mit die Worte.(Schimmel, Hundekot, Mäusekot, verdreckte Matratze-ich hab Fotos gesehen, da kann einfach niemand geprüft haben vor Ort)
In Deutschland würde dir das Jugendamt deine Kinder weg nehmen, wenn du so hausen würdest und in den USA darfst du rund 12-15 k oder mehr dafür bezahlen.
Und nein: keine Einzelfälle, keine Ausnahmen, wiederholt sich alles mit schöner Regelmässigkeit!
Und ja: das hätte dir bei jeder Orga passieren können, weil es nämlich allen so ziemlich egal ist, was drüben dann abläuft. DA mag es vereinzelte Ausnahmen geben, aber mit Ruhm bekleckert sich keine Agentur in Deutschland(auch nicht in den europäischen Nachbarstaaten übrigens ) und von den US-Agenturen und deren Machenschaften will ich gar nicht erst anfangen. Kann man ja zur Genüge alles nachlesen.
Niemand will ich euch was madig machen, die Hoffnung ist und bleibt: andere davor zu bewahren, was unsere Kinder erleben mussten.
Entscheiden und bewerten muss das natürlich jeder für sich selbst!
mit „bereichern“ meine ich, dass die Agenturen damit Geld verdienen und es dadurch eine Art Geschäftsmodell ist. Es gibt drei große Agenturen in Deutschland, die gemeinnützig arbeiten, sozusagen auf Non-Profit. Das heisst, dass sich damit niemand eine goldene Nase verdient, sondern sie tun es zum Wohle der Gesellschaft. Bei diesen Agenturen läuft viel über Ehrenamt. Die Einnahmen decken dann die Gesamtkosten ab. Allerdings sind deren größte Konkurrenz die vielen Agenturen, die damit eben Geld verdienen. Bei den gemeinnützigen Agenturen bekommen die Gastfamilien kein Geld um Gastschüler aufzunehmen. Es geht dabei um den ursprünglichen kulturellen Austausch, der freiwillig und von Herzen kommen soll. Experiment ist eine dieser Agenturen.
Ich kann natürlich nichts zu USA sagen und so wie ich das hier in dem Forum mitkriege, scheint es ja einfach wirklich ein Problem von vorallem USA-Austauschschülern zu sein, die, wie es aussieht, einfach zu viele geworden sind. Ich weiss allerdings auch, dass auch hier in Deutschland noch viele Gastfamilien gesucht werden für eigentlich Jetzt-Ankömmlinge und es immer schwieriger wird, welche zu finden.
Ich gehe da voll mit Domnick mit, dass es beruhigend ist, wenn die Organisation auch ein Büro in dem jeweiligen Austauschland hat, was auch bei unserer Organisation der Fall ist, mit der meine Tochter diese Woche nach Japan geflogen ist. Es scheint dadurch alles transparenter.
Natürlich kann immer was schief laufen, aber der Kontakt zwischen dem Gastland und Deutschland ist immer da.
Ich wünsche Euch allen so sehr, dass ihr noch einen guten Platz bekommt, oder aber vielleicht ja auch noch die Möglichkeit habt, umzuschwenken in ein anderes Land.
Da gibt es mehrere Berichte, in der die „Wohltätigkeit“ beleuchtet wird und e.V. was Gutes sei.
Sorry, ich muss ein wenig schmunzeln. Man will das natürlich glauben, das verstehe ich sogar.
Natürlich gibt es z.B. für Japan ganz andere Erfahrungen, weil nicht mal ein Bruchteil, bzw der allerkleinste Bruchteil dort ein Jahr verbringt.
Die USA sind etwas anderes, waren Sie schon immer, ansonsten würden sich die Berichte nicht bereits seit 20 Jahren wiederholen.
Dieser Strang behandelt aber nun mal die USA und es tut mir leid, aber wer dort kein Kind hatte, kann auch nicht wirklich etwas dazu beitragen!
Wir stehen mit Eltern aus Italien, Belgien, Frankreich etc pp im Austausch, die alle ähnliches mitmachen und es ist etwas müßig, sich anzuhören, man hätte nur mit der gleichen Orga fahren müssen. Wir gönnen euch und euren Kindern von Herzen alles Gute, das hätten nämlich alle verdient, ABER: keine Familie ist Schuld daran, was dort drüben abläuft! Ansonsten gerne eine eigenen Beitrag über Japan machen, dann tauscht man sich über Ähnliches aus.
Davon mal ab, dass auch inhaltlich viel falsches dabei ist, z.B. „bei den gemeinnützigen erhalten die Familien kein Geld-> in den USA erhält offiziell und gesetzlich festgelegt keine Gastfamilie mit Schüler*innen im J1-Visum einen Cent. Völlig unabhängig, ob nun in Deutschland Gemeinnützigkeit dahinter steht.
Bei uns stand auch, dass es Mitarbeiter von unserer Orga vor Ort gibt, im Nachhinein stellte sich heraus, dass damit die PartnerOrganisation gemeint war.
Hallo Sunny, ja Du hast bestimmt recht! Ich habe tatsächlich keine Ahnung und Erfahrung mit USA. Deswegen tut es mir leid wenn ich hier falsche Aussagen hinschreibe, die eure Erfahrungen nicht widerspiegeln. Ich kenne aber auch viele zufriedene Austauschfamilien die mit USA gute Erfahrungen gemacht haben, eben mit besagten Organisationen.
Da ich selber auch als Ehrenamtliche tätig bin, ging ich davon aus, dass das Engagement und die Auswahl an Familien, wie es hier für Austauschschüler die nach Deutschland kommen stattfindet, auf alle Länder übertragbar sind je nach Organisation. Dass dies keineswegs der Fall ist, sondern dass es vor allem auf die Länder ankommt, habe ich im Forum jetzt begriffen
Hallo Domnick,
auch uns war wichtig, eine Orga zu wählen, welche hier und in den USA tätig ist. Als die Probleme nach Bekanntgabe des Placements auftraten konnte man erst sehen, das die Orga weder hier vor Ort noch drüben willens war, es zu ändern. Der Aufwand eine neue Familie zu finde ist viel zu groß. Wir haben uns dann doch entschieden, es mit dem Placement zu versuchen, da der Auslandstraum unserer Tochter sonst geplatzt wäre. In den USA zeigte sich schnell, das obwohl die gleiche Orga die deutsche keinerlei Mitspracherecht hatte und auch nicht Handlungsfähig war. Es ist also auch hier klar ein Geschäft, egal welcher Orga.
Ich war selber vor einigen Jahren für ein Jahr im Austausch in den USA
Was ich gerne vorher gewusst hätte und wo ich nicht drauf vorbereitet war:
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ich kam aus Dortmund und wurde in Divide ( Colorado) platziert- Divide liegt auf über 3.000 Meter Höhe in den Rocky Mountains - ich lebte weit draußen vom eigentlichen Ort ( und der war schon sehr klein - kann man ja gerne einmal googeln). Das Holzblockhaus lag im Wald an einer Dirt-Road( Schotterweg). Es gab nur wenige Nachbarn. Es kam nur der Schulbus - ansonsten kam ich von dort nirgends hin - laufen oder Radfahren war aufgrund der Entfernungen undenkbar.
Selbständig etwas unternehmen somit unmöglich -
meine Gastschwester war 12 und ging zur Middleschool - es wurde erwartet, das ich nach Schulschluss direkt mit dem Schulbus mit meiner Gastschwester nach Hause fahre. Ich konnte weder bei der Drama Group noch beim Sport mitmachen - dies wäre nach regulärem Schulschluss gewesen - und da fuhr kein Bus mehr. ( Die High School war in Woodland Park- Fahrzeit mit dem Schulbus ca 50 min, da ja häufig angehalten wurde, damit jemand einsteigen konnte.
Später, als ich Freunde an der High School gefunden hatte, die mich nach Treffen nach Hause zu meiner Gastfamilie fahren wollten, durfte ich mich nur ab und an treffen- Abhängig vom Schichtdienst meines Gastvaters ( er war Polizist) damit meine Gastschwester nicht alleine war.
Das viel dann unter Familienzeit ( auch wenn die Gasteltern ja gar nicht da waren - es waren beide voll berufstätig. Im Rückblick war das der Hauptgrund warum meine Familie Gastschüler aufgenommen hat. Ich war der 2.Austauschschüler - und nach mir kamen noch weiter zwei Jahre jeweils ein Austauschschüler. Es ging darum, jemanden im Haus zu haben, damit meine Gastschwester nicht alleine ist. Ferner durfte / musste man im Haushalt Aufgaben übernehmen.( das musste ich zu Hause in Deutschland aber auch - war für mich so okay)
- ich war von der religösität überrascht bis überfordert. Meine Gastmutter arbeitete bei Focus on the Family in Colorado Springs ( kann man googeln) und hat regelmäßig Lernvideos zu Hause abgespielt in denen es um Themen wie: kein Sex vor der Ehe, warum Kondome schlecht sind und man nicht mit Kondomen verhüten soll/ darf etc sowie weitere Themen die für uns in Deutschland einfach unvorstellbar sind.
-mir war nicht vorher klar, dass ich Sonntags mit meiner Gastschwester in die örtliche Sonntagsschule der Kirche meiner Familie muss ( habe es locker gesehen- man hat dort zumindest nette Leute getroffen und ich habe einfach nicht alles geglaubt was dort erzählt wird - muss man halt mit Humor nehmen- ist eine ganz andere Welt…)
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meine Gastfamilie war arm - trotz ihrer Anstellung bei Focus on the Family und seiner Anstellung bei der Polizei- die Hypothekenraten fürs Haus waren sehr sehr hoch. Ich bekam ungeahnt Einblicke ins Geld sparen:
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bei Mc Donalds und anderen Fastfoodketten gibt es in Amerika Ketchup und Mayo kostenlos - in unregelmäßigen Abständen ist meine Gastmutter dort hin - hat eine Pommes gekauft und alle dort ausliegenden Mayo und Ketchuppakete eingesteckt - reicht für ca 2 - 3 Wochen😂
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im Medikamentenschrank gab es unzählige kleine Päckchen mit Tylanol und Ibuprofen ( Werbepäckchen) - man
musste nur die Haltbarkeit prüfen
Wenn wir als Familie Essen gegangen sind habe ich immer selber bezahlt- wir waren in der Regel nur in All you can est restaurants - meine Gastschwester und ich hatten all you can eat Bändchen ( hatte ich selber bezahlt). Die Gasteltern hatten sich eine Alibi-Suppe einzeln bestellt - danach sollten meine Gastschwester und ich an das Buffet und ganz viel mitbringen- was dann alle gegessen haben - wir sollten somit Essen für die Gasteltern über unser Bändchen besorgen.
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Einkaufen sind wir einmal die Woche mit der Familie nach Colorado Springs -( die Geschäfte in Divide und Woodland Park waren zu teuer ) vorher wurden Coupons ausgeschnitten, nach Angeboten gesucht und nur gekauft was gerade günstig war- Es wurde lange gerechnet und verglichen-
Softdrinks wurden aus Kostengründen gar nicht gekauft- Süßigkeiten auch nicht - wenn ich etwas anderes als Leitungswasser wollte musste ich es selber kaufen ( habe in dem Jahr 3 Kilo abgenommen.
Meine Gastmutter hat täglich abends gekocht- war voll okay. Ungewohnt waren Süsskartoffeln und das regelmäßige Chilli con carne sowie die Taccogerichte - aber es war gutes Essen. -
Kleidung für Einladungen /Feiern wurden gekauft - mit Preisschild getragen - ausgelüftet und wieder zurück gebracht oder zurück geschickt
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im Winter gab es zwei eiskalte Wochen, da kein Geld für Heizöl da war. Wir hatten da dann nur Stundenweise elektrische Heizlüfter und nachts eine elektrische Heizdecke - mit 16 für mich ein Abenteuer ( meine Eltern waren eher entsetzt)
Ich war aber trotz allem sehr glücklich dort - denn meine Gasteltern hatten das Herz auf dem rechten Fleck
An der kleinen High School in Woodland Park gab es mit mir 5 Austauschschüler.
2 Deutsche
1 Schweizerin
1 Japaner
1 Braselianerin
Alle kamen von unterschiedlichen Organisationen
Die Schweizerin war nach einigen Wochen kreuzunglücklich - ihre Familie wollte aufgrund des Glaubens, dass sie nur noch Röcke und Kleider anzieht- Jeans bzw. Hosen allgemein mehr als verpönt. Die Sonntagsschule ihrer Kirche war sehr streng ( da hatte ich es besser). Sie bot an, sonntags in die katholische Kirche zu gehen, denn sie war ja katholisch- ab da an wurde sie von der Gastfamilie geschnitten - ihren Gastgeschwistern wurde gesagt sie sei die Prüfung des Teufels…. Das Ganze eskalierte - die Organisation sah den Fehler nur bei ihr und nicht bei den Gasteltern - sie müsse sich mehr auf die andere Kultur einlassen etc…… Sie schaffte es, dass von inzwischen in der High School gefunden Freunden jemand sie für die restlichen 8 Monate aufgenommen hat - die Austauschorganisation hat schlussendlich zugestimmt.
Das Mädel aus Brasilien - wir Austauschschüler kannten uns alle gut- entwickelte eine schwere Bulemie
- da waren die Gasteltern überfordert - und die Organisation auch - da gabe es dann viele Probleme zwischen Eltern -Organisation in Brasilien- Organisation in Amerika- den Gasteltern und dem Mädel. Schlussendlich ist nichts passiert . Das Mädchen musste nach den Heißhungerattacken - in denen Sie den Kühlschrank leer gegessen hat ( wahnsinnige Mengen) um anschließend zu erbrechen- den Kühlschrankinhalt vom Taschengeld ersetzen. Wirkliche Hilfe gab es nicht - alles entdeckt wurde hatte sie noch rund 2 Monate bis zur Abreise - sie kam dann erst zu Hause in Brasilien in die Behandlung. Vorher Abbrechen wollte sie auf keinen Fall.
In der Zeit als ich als Austauschschülerin bei meiner Gastfamilie war, wurde meine Gastmutter als Local Coordinator angeworben.
Sie bekam für jeden platzierten Schüler Geld, und man lockte damit, dass eine Reise nach Europa möglich sei für die besten Local Coordinator.
Da meine Gasteltern, wie schon erwähnt, finanzielle Sorgen hatten, haben Sie das Angebot sofort angenommen.
Es wurden Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen angesprochen, um Gastfamilien zu finden. Parallel hat sie mit der Highschool vor Ort verhandelt, um möglichst viele Schüler dort anmelden zu dürfen. Meine Gastmutter bekam von der amerikanischen Organisation 15 Profile von Schülern zugeteilt, die sie zu Platzieren hatte. Es gab auch eine Zeitvorgabe für die Platzierung. Die Wünsche der Kinder wurden nicht berücksichtigt. Die potentiellen Familien haben geschaut, welches Profil zu wem am besten passen könnte.
Angaben aus dem Profilen wurden genutzt, um die Kinder quasi zu verkaufen. Hatte jemand schon Babysittererfahrung oder jüngere Geschwister, erschien es als gutes Match für eine Familie mit Kleinkindern. Einzelkinder wurden eher für Paare ohne Kinder vorgesehen. Jugendliche, die generell schon ein Nebenjob hatten, kamen eher in Familien, wo mit angepackt werden musste. Es sollte ja später möglichst wenig Beschwerden geben.
Ich weiß nicht, wie viel Geld meine Gastmutter für eine Platzierung bekam aber die finanziellen Sorgen waren danach bei uns deutlich geringer
Die Gastfamilien haben alle kein Geld für die Aufnahme der Kinder bekommen, hatten, aber alle praktische Gründe, warum sie jemanden aufnehmen wollten, sei es als Unterstützung und Hilfe mit jüngeren Kindern oder gegen Einsamkeit( bei Paaren ohne Kinder, die sich schon immer ein Kind gewünscht hatten)
Meine Gastmutter musste schneller sein als die anderen amerikanischen Organisationen, da die Highschool auch in den Folgejahren nur fünf Kinder aufnehmen wollte und nach dem Prinzip - wer zuerst kommt, malt zuerst - verfahren hat.
Neben der Highschool in WoodlandPark wurden auch Kinder nach Colorado Springs vermittelt sowie nach Cripple Creek und Victor.
Sie schaffte es in der Zeit, wo ich noch da war, acht Kinder zu vermitteln. Die restlichen Profile hat sie wieder zurück an die Organisation gegeben. Diese wurden dann einem anderen Local Coordinator zur Verfügung gestellt.
Was noch wichtig ist und was Eltern in Deutschland vielleicht nicht erwarten:
Es ist im mittleren Westen vor allem in den abgelegenen Gebieten nicht ungewöhnlich, dass es einige Hochzeiten direkt zum Ende der Highschool Zeit gibt.( Thema: kein Sex vor der Ehe). Das ist an der Ostküste und an der Westküste nicht so üblich, wie es in Colorado, Kansas Idaho, Wyoming und vielen anderen Staaten normal ist.
Allein an meiner Highschool hatte ich zwei Schwangere Teenager, und es standen vier Hochzeiten an, direkt nach Prom.
Im Nachbarort wollte ein deutscher Austauschschüler seine amerikanische Freundin heiraten, und bat seine Eltern um den Hochzeitsanzug des Vaters, was dazu führte, dass die Eltern sofort nach Amerika geflogen kamen, um ihrem Sohn das auszureden. Da er noch nicht 18 war, konnte er nicht ohne deren Erlaubnis heiraten. Die Hochzeit kam nicht zu Stande. Er musste zurück nach Deutschland. Ich habe nichts weiter von dem Fall gehört.
Wenn man sich mit 16 auf die gelebte Kultur vor Ort in den USA einlässt, dort neue Freunde findet - vielleicht auch einen Freund oder eine Freundin kann das zu schweren Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern in Deutschland führen. Man passt sich vor Ort an und will dazugehören und übernimmt zum Teil auch dortige Wertevorstellungen.
Zum hier genannten Thema Dankbarkeit und Höflichkeit: Dies ist ein Teil der amerikanischen Kultur, genauso wie es ein „how are you“ an jeder Ecke gibt, gehört ein aus unserer Sicht übertriebenes sich bedanken einfach mit dazu. In Amerika werden anders und mehr Komplimente verteilt- Wildfremde Menschen sprechen dich auf der Straße an und loben dein Kleid oder deine Frisur, Helfen, dir etwas ins Auto zu tragen und in der Schule wird dein Englisch über den Klee gelobt- das ist dort einfach normal- es ist halt nicht Deutschland- man lässt sich am besten darauf ein, bedankt sich überschwenglich, verteilt Komplimente fürs Essen oder was gerade geht - und schon schmilzt das Eis und man findet eine Basis. Das war für uns Austauschschüler nach kurzer Zeit schon in Fleisch und Blut übergegangen
Für mich war es ein besonderes Jahr mit Höhen und Tiefen, dass ich nicht missen möchte. Gut vorbereitet war ich nicht.
Vielen Dank für diese Einblicke. Ich habe deinen Beitrag soeben mit meiner Tochter gelesen, die im Sommer aus den USA zurück gekehrt ist und die alles genauso empfunden hat. Inklusive dessen, wie entgegen der Aussagen der dt Agenturen in Wahrheit die Vermittlung von Gast Kindern erfolgt, was ‚keine Platzierung in Großstädten‘ im Umkehr Schluss bedeutet oder dass eine der wichtigsten Motivationen der LCs im Einstreichen von Incentives und Provisionen besteht. Auch deine Schilderungen zu Religion und no sex before marriage sind sehr interessant. Es wäre schön wenn Agenturen sich solches Feedback zu Herzen nehmen würden, statt permanent nur dutzende social media posts von unreflektiert und übertrieben glücklichen Returnees zu posten. Gut informiert waren auch in unserem Fall weder wir noch unser Kind bis auf das unterschreiben von Benimm Regeln auf den orientation days.
Was ich gestern noch ganz vergessen hatte:
Waffen gibt es - zumindest in Colorado- im Supermarkt ( in diesem Fall z.B. der Wallmarkt in Woodland Park).
Eine ganze Wand ist voll damit - und Gewehre gibt es auch in pink oder mit Häschen drauf oder anderen niedlichen Motiven ( die meisten sind allerdings olivegrün oder schwarz) . Aber auch die Kugeln aus dem Häschengewehr oder pinken Revolver sind tödlich
In einigen Staaten ist Canabis erlaubt - so wie in Colorado- ich glaube in Oregon sind sogar harte Drogen nicht mehr unter Strafe ( ggf. Googlen).
Ich würde behaupten dass ca 80 % der Schüler in den oberen Jahrgängen Canabis ausprobieren- ( und es zum Teil auch regelmäßig konsumieren) es wuchs bei Freunden im Garten der Eltern. So wie in Deutschland viele mit 16 sich an Bier probieren ist es dort der Canabiskonsum . Das war mir vorher in dem Ausmaß nicht bewusst.
Es herrscht in meinen Augen vielfach eine Doppelmoral - Mädchen ziehen sich zum Teil sehr sexy an ( knappe Oberteile, extrem kurze Röcke) aber andereseits ist es zum Teil undenkbar, dass sich zwei Mädchen im gleichen Raum umziehen. Ich habe mir die ersten Wochen ein Zimmer mit meiner Gastschwester geteilt.Alls ich mir in diesem Zimmer abends den Schlafanzug anziehen wollte bekam meine Gastschwester zu viel - weil es doch nicht geht, dass sie mich in Unterwäsche sieht ( wir reden hier gerade nicht von Nacktheit!)
Das ist mir zwischendurch immer mal wieder begegnet- die Schamgrenzen liegen dort teilweise ganz woanders als bei uns.
Hallo liebe Sandra1
Natürlich ist es ein Geschäft. Es ist immer ein Geschäft - auch wenn steht, es sei eine „non Profit“ Organisation - ist eine Geschäftsidee dahinter. Unsere Beiträge für unsere Kids sind das eine. Das andere sind die Stiftungen und andere Sponsoren welche mit ins Boot geholt werden oder werden müssen.
Diese wollen meist nur Erfolgstories lesen und eine möglichst positive Quote an erfolgreichen ATJ sehen.
Ich will nicht unterstellen, dass nirgends ein tolles, gemeinnütziges Gedankengut dahintersteht. Jedoch hat sowas halt nur Erfolg, wenn eine Geschäftsidee umgesetzt wird.
Es ging mir nur darum, dass ich einen Vertrag mit einer Orga unterzeichne welch für alle gültig ist. Mit alle meine ich alle welche mit der Orga einen Vertrag unterzeichnen gilt der gleiche Gerichtsort und der gleiche Vertrag.
Dies natürlich nur wenn ich rechtliche Schritte hätte einleiten müssen, welche ich zum Glück nicht machen musste. Schwierig wäre es aber sowieso geworden mit einem US-Amerikanischen Vertrag mit Gerichtsort New York.
Aber ganz klar ist es so, dass die Länder-Organisationen (bei der gleichen Orga) ganz verschiedene Ansichten und Meinungen haben.
Lieber Gruss
Domnick
Gerichtsort ist IMMER Deutschland, das nur noch am Rande.
Also wenn du bei einer deutschen Orga unterschrieben hast, dann ist das immer so, ganz egal, wer der Partner in den anderen Ländern ist.
(Wenn ich mich nicht ganz arg täusche, das ist irgendwann mal geändert worden und wird ja auch überall empfohlen. Was allerdings trotzdem nicht dazu führt, dass man gute Chancen auf Schadenersatz etc pp hat. Das ist schon ein sehr perfides System)