USA High School Jahr/ was ich gerne vor der Buchung gewusst hätte

Bezugnehmend auf die aktuellen Geschehnisse, die im agenturspezifischen Chat geschildert werden, hier unser schon oft wiederholter Rat:

Immer wieder kommt es vor, dass Kinder zwar (oft kurz vor knapp) noch vermittelt werden, aber - geplant oder ungeplant - seitens Gastfamilie, LC oder der amerikanischen Agentur nur kurze Zeit nach der Einreise wieder ‚entsorgt‘ werden sollen. Denn für jedes eingereiste (nicht bleibende) Kind fließt Provision an die Agenturen, und wie wir wissen, besteht der Reisepreis zu über 70 - 80 Prozent nur aus Provision bzw Honorar für die Tätigkeit der Agenturen (Vermittlung, Vor- , Nachbereitung und wunderbare Kundenbetreuung). Vielleicht kommt es also den Agenturen oder LCs oder der einen oder anderen Gastfamilie im J-1 Programm sogar ganz gelegen, wenn ein Kind baldmöglich wieder ausreist - denn wenn ein neues Kind einreist, man ahnt es, fließt schon wieder Provision. Ich will das nicht jeder Situation unterstellen, doch leider gibt es diesbezüglich bereits zu viele Berichte, als dass man hier von Einzelfällen sprechen könnte. Ein lukratives Geschäft also, und leider manchmal auf Kosten der Jugendlichen, die eigentlich beschützt und gut betreut werden sollten.

Was dann eventuell passiert? Statt nach einer alternativen Gastfamilie zu suchen, bietet es sich besonders im J-1 USA High School Programm an, die Kinder einfach loszuwerden, indem man ihnen Vergehen unterstellt. Offiziell kann ein Programmausschluss nur für schwerwiegende Vergehen wie Alkohol-, Drogenkonsum, kriminelle Aktivitäten oder andere in den Programmregeln festgehaltene Dinge erfolgen. Die Programmregeln erhalten die Kinder übrigens oft erst bei Einreise! Darin kann zum Beispiel auch stehen, dass ein ‚parental involvement‘, also das Einmischen der Eltern einen Rauswurf zur Folge haben kann.

Die Agenturen umgehen jedoch diese Mühe bisweilen, indem sie den Kindern leichtere Vergehen unterstellen oder nachweisen, insbesondere ‚allgemeine Respektlosigkeit‘ oder ‚Vernachlässigung des Haushalts‘ etc. Da dies als Einmal-Tat aber nicht ausreicht, wird das Ganze in eine Abmahnung verpackt, und meist wird den Kindern damit gedroht, dass sie aus dem Programm geworfen werden (verbunden mit Drohungen wie 'SCHON MORGEN sitzt du im Flugzeug und deine Eltern müssen alles zahlen, wenn du nicht unterschreibst).

ACHTUNG - genau das Unterschreiben dieser Abmahnung ebnet erst den Weg zum Rauswurf! Sagt euren Kindern, dass sie AUF KEINEN FALL eine solche Abmahnung unterschreiben. Sie sollten ruhig und höflich bleiben und darauf verweisen, dass sie a) minderjährig sind, b) nicht genau verstehen, was da drin steht und sowas von daher nicht unterzeichnen und / oder c) es nicht stimmt, was dort behauptet wird und sie es deswegen nicht unterzeichnen. Denn tun sie das, bedarf es keiner weiteren Maßnahme seitens Agentur, der nächste Schritt bei zum Beispiel erneuter ‚Respektlosigkeit‘ ist der Rauswurf. Das Ganze dann noch abzuwenden ist sehr schwierig, wenn auch nicht unmöglich.

Passiert dies eurem Kind, meldet dies - auch wenn die dt. Agenturen bekanntlich eher wenig hilfreich sind - umgehend der dt. Agentur. In den USA wendet euch an das CSFES, das ‚Committee for Safety of Foreign Exchange Students‘, das bereits vielen von uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Das DOS als eigentliche Anlaufstelle ist nicht hilfreich und wendet sich das Kind dorthin, beginnt oft das Drama mit der Agentur erst Recht, denn das DOS neigt dazu, Beschwerden einfach direkt an die Agentur weiterzuleiten.

Übrigens - die Beweislast, dass die in der Abmahnung vorgebrachten Vorwürfe nicht zutreffen, liegt beim Kind. Und auch juristisch sieht es nach Rückkehr mau aus, denn das dt. Reiserecht schützt Gastschüler nach erfolgter Einreise so gut wie gar nicht.

Ich wünsche allen Jugendlichen vor Ort nur das Beste!

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Committee for Safety of Foreign Exchange Students

660 Joshua Tree Street

Imperial, CA 92251

+1.760.583.9593

DGrijalva@csfes.org

https://www.csfes.org/home.html

Achtung, das Kontaktformular funktioniert manchmal nicht, daher direkt anschreiben oder anrufen.

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Danielle ist toll. Schämt euch nicht oder denkt, sie hat keine Zeit oder was auch immer.
Sie war mein Rettungsanker zusammen mit diesem
Forum letztes Jahr.
Ich weiß nicht, wie ich die Zeit sonst überstanden hätte.

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Oh mein Gott!!
Das hier Geschilderte trifft genau auf unseren Fall zu. Jetzt wird mir alles klar. Hier geht’s nur ums Geld. Ich danke so sehr für diesen Beitrag!
Wir fühlen uns so verraten und verkauft auf Kosten unseres Sohnes, der völlig verängstigt ist…
Es ist zu spät für eine Intervention, denn er sitzt im Flieger zurück.
Was machen wir jetzt im Nachhinein?
Kann jemand etwas raten?

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Hallo Janett,

ich hoffe, euer Sohn ist wieder sicher gelandet und zurück in euren Armen. Das ist erst einmal das Wichtigste. Zu deiner Frage, die ich als Nicht-Jurist aus der Erfahrung von zahlreichen Eltern heraus beantworte:

Juristisch sieht es offen gesagt schlecht aus: Euer Vertragspartner ist die deutsche Austauschorganisation und gegen diese richtet sich eure Mängelanzeige und ggf. nachfolgende Klage. Was kann eingeklagt werden? Der Reisepreis besteht größtenteils aus der Vermittlung / Agenturleistung, Flug und Sonstigem wie ggf. Visa etc. Alle diese Leistungen wurden erbracht, für die Gastfamilie und High School wurden (zumindest offiziell) keine Zahlungen geleistet. Alles, was nicht Vertragsbestandteil war (zB Impfungen), kann in der Regel nicht eingeklagt werden.

Um Schmerzensgeld / Schadenersatz einklagen zu können, wäre – so unsere Erfahrung – eine Kausalitätskette erforderlich, die Beweislast dafür liegt bei euch, ihr müsstet nachweisen, dass die deutsche Austauschorganisation wirklich kausal verantwortlich und Schuld an dem ist, was Local Coordinator oder Gastfamilie oder amerikanische Agentur vor Ort in den USA verbockt haben. Diese Kausalität ist eigentlich nicht nachzuweisen! Schadenersatz wegen verminderter Urlaubsfreude wie im klassischen Pauschalreiserecht fällt weg, da es sich bei einem Gastschulaufenthalt nicht um eine Urlaubsreise handelt - das Recht bewegt sich hier also nur in Anlehnung an das klassische Reiserecht § 651 BGB.

Erschwerend kommt der ‚durchschnittliche amerikanische Standard‘ und die Pflicht lediglich zur Vermittlung einer ‚angemessenen Gastfamilie / Platzierung‘ hinzu. Hier geht das Urteil der Richter sehr oft in die Richtung, dass dieser durchschnittliche Standard quasi alles sein kann. Auch hier im Gegensatz zum klassischen Reiserecht, wo ein 4*-Hotel eben gewisse Merkmale erfüllen muss, so zB einen Pool, wenn in der Katalogausschreibung angegeben. Das gibt es nicht im Gastschulrecht. Die Vorgaben des DOS sind sehr lasch, und nichtmal diese werden oft eingehalten. Ok ist in Augen der Richter dann mangels klarer Vorgaben eben auch eine Gastmutter, die üble Unterstellungen macht (sie fand das Verhalten halt respektlos) oder eine Familie im Wohnwagentrailer mit 10 Leuten auf 90 qm, dazu diverse Haustiere, die darin auch noch ihr Geschäft verrichten (ist halt so in … Idaho oder wo auch immer). Mir sind nur sehr eindeutige und klare Fälle bekannt, wo zugunsten der Kunden entschieden wurde (Platzierung bei vertraglich ausgeschlossenen Konstrukten).

Diese fehlende Haftung der deutschen Austauschorganisationen für das, was sie vermitteln, ist meines Erachtens das größte Manko im deutschen Reiserecht / Gastschulrecht – Jugendschutz komplett Fehlanzeige, und das wissen die Agenturen. Sobald das Kind US-Boden betritt, sind die Agenturen finanziell eigentlich aus dem Schneider, haben ihren Job erfüllt, da hakt man die Kundenbeschwerde einfach ab.

Dazu kommt, dass die absolute Abhängigkeit von den amerikanischen Agenturen in der Regel seitens deutscher Agenturen nicht einmal auf konkrete Nachfrage hin korrekt beantwortet wird – und proaktiv sowieso nur in den seltensten Fällen. Man weiß also gar nicht im Voraus, wie das Ganze in den USA abläuft und ist im guten Glauben daran, mit der dt. Agentur weiterhin einen entscheidungsfähigen Partner an der Seite zu haben. Das halte ich ganz persönlich für eine Verletzung der Informations- und Fürsorgepflicht der deutschen Agenturen, aber auch dies scheint rechtlich kein Gewicht zu haben.

Ein J-1 Visum für Secondary Students (High School) bekommt man nur einmal im Leben – reist das Kind aus, ist eine Wiedereinreise und damit ein neuer Versuch nicht möglich. Doch ganz ehrlich – wer will so etwas überhaupt noch ein zweites Mal andenken!

Wehrt euch! Habt ihr eine Rechtschutzversicherung, dann erstattet trotz allem unbedingt eine Mängelanzeige und schaltet sofort einen Anwalt ein – nur so wird mit der Menge der Klagen vielleicht überhaupt mal ein Lerneffekt bei den Agenturen erkennbar. Achtung bei negativen Bewertungen, hier kann es sein, dass die Agentur im Gegenzuge gerne euch verklagen möchte wegen angeblichen Rufmords, wir haben hier schon fast alles erlebt. Von Scham keine Spur.

Meldet euren Fall über die Email: complaint_j1usahighschool@gmx.de und berichtet zudem an Danielle vom CSFES!

Psychologisch möchte ich euch raten, eurem Kind genau das zu erklären, was wir seit einem Jahr über dieses Forum versuchen: Es sind keine Einzelfälle, das ganze folgt einer Art System, das seit Jahrzehnten besteht. Nur aufgrund der immer weniger zur Verfügung stehenden geeigneten Gastfamilien betreffen solche desolaten Platzierungen mit Abmahnungen und anderen ‚Spielchen‘ immer mehr Kinder, mit zum Teil gravierenden psychologischen Nachwirkungen. Zögert also nicht, einen Psychologen, Coach, Vetrauenslehrer oder andere externe Person hinzuzuziehen. Resilienz hin oder her, so etwas hinterlässt Spuren und hat Spuren in all unseren Kindern hinterlassen. Wunden, die zum Teil sehr tief gingen und noch immer verheilen müssen.

Und dann - macht Pläne! Eine Mom hatte in dieser Runde Alternativen für Australien vorgeschlagen, die sich auch für nur ein Halbjahr eignen – falls euer Sohn den Wunsch verspürt. Oder eine gemeinsame Reise, oder ein Skilager oder das gemeinsame Stöbern für Reisepläne nach der Schulzeit. Die alten Freunde treffen, offen damit umgehen, was passiert ist, und bald zurück in einen neuen Alltag.

Unsere Kinder sind noch so jung, es gibt noch so viel zu erleben und das vielleicht, wenn sie zumindest volljährig sind – dann können sie nämlich auch einfach entscheiden, selbst zu gehen, wenn eine Situation unerträglich ist - was im J-1 High School Programm ebenfalls nicht möglich ist.

Fazit = im J-1 USA High School Programm geht es bisweilen zu wie im Wild Wild West. Probleme haben 50-70 % aller Austauschschüler und JEDER, der hier mitliest, mag überlegen, ob er sein Kind diesem Glücksspiel aussetzen möchte.

Alles Gute!

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Vielen Dank für diese ausführliche Nachricht!
Auch für die rechtliche Einordnung aus deiner Sicht.
Es ist wirklich schlimm, was da mit unseren Jugendlichen geschieht und wie hilflos man den Machenschaften der amerikanischen Partnerorganisation ausgeliefert ist. Niemals hätte ich das für möglich gehalten, dass soetwas passiert. Mit welcher eiskalten Selbstverständlichkeit unsere deutsche Agentur davon ausgeht, dass wir das akzeptieren.
Alles , wirklich alles lief schief. Von Anfang an. Das im Einzelnen hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Wir werden dennoch rechtliche Schritte in Erwägung ziehen und auch die Öffentlichkeit informieren.
Ich bin sehr dankbar über diesen Austausch hier auf diesem Forum.
Alles Gute!

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Interessantes Forum. Zumal diejenigen erwähnt werden, die vor 30 Jahren selbst Austauschschüler in den USA gewesen sind, und nun so gar nicht begreifen können, wie sich das alles gewandelt hat. Och jo - doch, ich kann. Denn nun will mein Kind in meine Fußstapfen treten, und ich bin daher am recherchieren. Allerdings alles andere als blauäugig, denn mein Jahr in den USA war damals extrem schwierig; meine erste Gastfamilie religiöse Fanatiker, ausgesucht von einer brandneuen ehrenamtlichen Area Rep, die zu dem Zeitpunkt keine Schulung erhalten hatte, aber gleich mal 4 AS unterbrachte, aus 4 Ländern, und in zwei Backwater High Schools, die zum ersten Mal AS aufnahmen. Das hatte damaks schon teilweise experimentellen Charakter. Mitten in der Pampa und auf dem Land, also soweit typisch, obwohl ich als Waldbewohner an die Küste wollte, aber das kümmerte damals auch schon niemanden. Und das kann man sich nicht ausdenken: Ich war noch keine 24 Stunden angekommen, da musste ich bereits mehrere Rifles und Shotguns im Garten abfeuern. Und das alles mit einer traditionellen, angeblich professionellen Austausch-Organisation.

Ansonsten galt für mich als Großstadtkind 21.00 ins Bett, 21.30 Licht aus; FR und SA bis 23.00. Diese Host Family war an der Schule geradezu verschrien; einen AS aufzunehmen, sollte den Status der 4 Gastgeschwister verbessern, vor allem der beiden an der gleichen High School. Das hat nicht wirklich funktioniert, nur ich wurde gemieden, weil mit dieser Familie niemand was zu tun haben wollte. Kurz nach Weihnachten bin ich da weg, nach einem extremen Showdown, zu einem meiner Lehrer an der High School. Das hätte, wäre ich mit den heutigen kommerziellen Orgs unterwegs gewesen, damals schon ins Auge gehen können.

Doch ist mir vollkommen klar, es muss sich seitdem viel verändert haben seitdem, und von daher sehe ich das alles sehr kritisch - nicht zuletzt auch, weil die USA heute noch mehr gespalten und extrem in ihren Ansichten sind als damals. Da mein Kind hinzuschicken erscheint…schwierig, wenn ich an die J-1 Lotterie denke. Oder an den deutschen AS, der in den USA erschossen wurde, als er eine fremde Garage betreten hatte, wo der Eigentümer des Hauses schon auf der Lauer lag. Das Land war zu meiner Zeit schon waffenverrrückt, aber heute hat das noch mal eine ganz andere Qualität.

Nun bin ich in den USA sehr gut vernetzt und habe mich mal schlaugemacht, was da eigentlich abgeht, und dieses interessante Forum, über das ich gleich zu Anfang gestolpert bin, hat gleich einige Fragestellungen ergeben. Morgen werde ich hoffentlich dazu kommen, meinen längeren Bericht zu tippen und hier einzustellen. Dann wird vielleicht noch mal einiges klarer, hoffe ich.

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Hier nun das Ergebnis meiner Recherchen in zwei Teilen; die Reihenfolge ist dabei mehr oder weniger zufällig und unstrukturiert. Wo fange ich an? Immer wieder ist hier bspw. zu lesen vom angeblichen gemeinnützigen Anspruch der Austauschorganisationen. Davon sollte man sich zunächst mal ganz schnell freimachen. AFS und YfU zum Beispiel verlangen für den Schüleraustausch unverhandelt und ohne Stipendium mittlerweile fast 16.000 € und sind mit am teuersten. Im Gegenzug wurde bspw. bei YfU dafür auch noch das früher mal übliche einwöchige Vorbereitungsseminar gestrichen und durch „Online Materialien“ ersetzt. Auch vom ebenfalls üblichen Rückkehrer-Wochenende war nichts mehr zu lesen. Auch bei AFS kaum Infos zu irgendwas - echt schwach. Es ist zu vermuten, dass es hier und bei allen anderen zu wenige Ehrenamtliche und Rückkehrer gibt, die diese Seminare noch unbezahlt durchführen. Klar; das Engagement nimmt ab, wenn man eigentlich ein Produkt kauft. Ich selbst war noch zu DM-Zeiten unterwegs, aber für umgerechnet 3000 € inklusive Reisekosten und Versicherung konnte man für ein Jahr die USA gehen. Mit Stipendium zahlte man noch mal weniger. Taschengeld, da reichten 50 $ im Monat. Kaufkraft war damals noch vorhanden… Da gab es aber auch keine Gasteltern, die ihr Gastkind im Reestaurant für sich selbst zahlen ließen oder das Lunchgeld für die Schule? So etwas habe ich zu meinen Zeiten nie auch nur ein einziges Mal vor irgendjemand der hunderten von AS gehört, die ich kannte. Was eine „Gastfamilie“ ausmacht, hat sich anscheinend grundlegend verändert. (Wenigstens gibt es auch heute noch übrigens viele High Schools, die natürlich Sportkleidung, Uniformen (Cheerleader, Band, Majorettes, Flaggenträger etc.) und andere Ausrüstungsgegenstände (Sport, Instrumente etc.) den Schülern unentgeltlich überlassen. Das nur, weil überall steht, das würde was kosten. Muss aber nicht…)

Doch wie ist diese Preisexplosion insgesamt zu verstehen, vor allem was die Gebühren angeht? Sicherlich wird auch heute noch das eine oder andere von Ehrenamtlichen geleistet, doch gemeinnützig oder non-for-profit bedeutet nur, dass kein Gewinn ausgewiesen werden darf. Und trotzdem sind die Gebühren, ob es sich nun um kommerzielle oder vorgeblich „gemeinnützige“ oder „kulturelle“ Organisationen handelt, verdächtig gleich hoch. Sie unterscheiden sich heute nur, ob Versicherung oder Reisekosten enthalten oder ein Vorbereitungsseminar in NY enthalten sind oder nicht.

Wir müssen mal unsere deutsche Brille für einen Augenblick abziehen. Die deutschen Austauschschüler in den USA konkurrieren mit 60 anderen Ländern, deren Austauschorganisationen ebenfalls ihre Kinder in den USA unterbringen wollen. Gab es früher nur wenige Austauschorganisation in Deutschland, so gibt es mittlerweile 60 oder so davon? Früher hatte das Jahr in den USA echten Seltenheitswert, heute gibt es alleine aus D 10-15 mal so viele AS wie früher, und erst Recht aus allen anderen Ländern. Ebenso ist die Zahl der Austauschorganisationen in den USA seit den 90igern explodiert. Es werden anscheinend auch viel zu viele zahlende AS angenommen, mehr als der Markt aufnehmen kann. Das wird offensichtlich immer mehr zum Problem. Knackpunkt ist immer, mit welcher US-amerikanischen Organisation die deutsche zusammenarbeitet, und hier kommt es vor allen Dingen auf den Area-Representative (oder Local Rep oder Local Coordinator) an. An den regionalen Repräsentanten der Organisationen liegt es, ob Dinge gelingen oder scheitern. Also am Zufall, wo man landet. Dazu später mehr.

Fangen wir mal von dieser Seite des Austauschs an. Gesetzt den Fall, wir wollen das ganze selbst organisieren und besorgen uns in den USA eine Gastfamilie und auch gleich noch eine Ersatz- Gastfamilie dazu. Das alleine nutzt uns leider gar nichts, denn nur die amerikanische Organisation ist berechtigt, das DS-2019 Formular auszustellen, dass unser Kind für das J-1 Visum berechtigt. Der einzige Weg da herum ist es, eine Schule zu finden, die das F1 Visum ausgeben kann, bspw. studyinthestates . dhs . gov / school-search ausstellen darf. Dies ist allerdings regelmäßig mit hohen Tuition Fees verbunden, selbst bei den christlichen Schulen.

Während es früher noch tatsächlich viele ehrenamtliche Area-Reps gab, ist das ganze heute ein globales Business. Die ehrenamtlichen „nice retired ladies in white tennis shoes and curlers in their hair “ gibt es heute kaum noch; die meisten Area-Reps sind mindestens nebenberuflich und häufig genug sogar hauptberuflich in diesem Job tätig und bestreiten damit ihr Einkommen ganz, oder teilweise. Sie stecken ihre Reviere untereinander ab und kämpfen mit harten Bandagen um exklusive Zugänge zu Schulen und Familien. Und auch wenn für das J-1 Visum offiziell kein Geld an die Gastfamilie fließen darf, so kriegen diese regelmäßig Einkaufsgutscheine im Wert von 1000 $ oder andere kreativen Formen von Incentives. Auch der Area-Rep bekommt bis zu 1000 $ plus Bonuspunkte pro gefundener und hintergrundgecheckter Familie, und wenn der Gastschüler dort schnell wieder nach Hause geschickt wird, können Rep und Familie gleich ein zweites Mal incentiviert und aktiviert werden. Das verlockt? Auch viele High Schools haben mittlerweile die Plätze für internationale Austauschschüler kontingentiert. Denn nicht nur die Deutschen, sondern seit dem Mauerfall auch sämtliche Osteuropäer drängen zum J-1 Visum. Aber auch sämtliche vermögenden Eltern aus dem Nahen Osten, Lateinamerika, China, Asien, aus den wirtschaftlich besser gestellten Staaten in Afrika und natürlich aus ganz Europa schicken ihre Kinder gerne in die USA. Der Wettbewerb um die Gastfamilien ist mittlerweile extrem. Es stimmt auch nicht, dass es weniger Gastfamilien als früher gibt; es gibt sogar sehr viel mehr als früher, aber dafür auch viel mehr schlechte, und für den Bedarf immer noch nicht ausreichend genug. Und viele davon haben nun keine Lust mehr. Da geht es schon lange nicht mehr um den kulturellen Austausch und das politische gegenseitige Verständnis, sondern man will den Kindern Chancen für bessere Karrieren eröffnen, die Kinder sollen ihren Lebenslauf aufpeppen, Englisch lernen, und möglichst interessante Kontakte knüpfen. Das Austauschjahr dient heute vor allen Dingen der Karriereentwicklung, und so verstanden, ist es natürlich für viele Länder ein Produkt geworden. Den Rest erledigen die Fernsehserien, die unsere Kinder infizieren, sodass sie von den Vorstellungen nach Football, Basketball oder Cheer-Leading getrieben, kaum noch ein Interesse am kulturellen Austausch mit anderen Ländern entwickeln. Doch die USA von heute sind auch nicht mehr die USA von vor 20 Jahren, wie sie immer noch im TV vorgegaukelt wird. Das den Kids zu erklären, ist nicht einfach.

Wenn man sich selbst eine Gastfamilie sucht, kann es sein, dass die Highschool mit einem ganz bestimmten Area-Rep zusammenarbeitet, man also auf Gedeih und Verderb auf diesen angewiesen ist. Mit etwas Glück kann man zwischen zwei oder drei amerikanischen Organisationen wählen, ist dann aber trotzdem immer darauf angewiesen, wer der jeweilige deutsche Partner ist, mit dem die US-Org zusammenarbeitet. So gut wie immer ist dann dieser Platz trotzdem im Kontingent der Highschool enthalten, und auch wenn es sich dann hier um ein sogenanntes „Direct Placement“ handelt, sieht irgendein Area-Rep nun seine Felle davonschwimmen, sprich, ihre Kommission, und macht Stress. Entsprechend ist die Bereitschaft nicht vorhanden, irgendwelche Nachlässe zu vergeben. Im Gegenteil, direkte Placements sind für die USA ein lohnendes Geschäft. Ein Großteil der an die deutsche Organisation bezahlten Gebühren geht sowieso immer an die amerikanische Organisation. Das meiste Geld abgesehen von Gehältern und Provisionen geht mittlerweile für Marketing und Familiengewinnung drauf, weil sich so viele Organisationen um die wenigen Gastfamilien balgen.

Die Onboarding-Kosten, also Gutscheine oder andere Formen der Vergütung für die Gastfamilien, steigen immer mehr an, während scheinbar gleichzeitig die Qualität der Gastfamilien immer mehr auf der nach unten offenen Skala absinkt. Um überhaupt noch in diesem übersättigten Markt zu bestehen, steigen auch die Provisionen für die Area-Reps anscheinend immer weiter an. Und in vielen Gegenden ist der Flaschenhals eben nicht die Gastfamilie, sondern auch die High Schools verfügen nur über eine begrenzte Anzahl von Plätzen. Da sind dann schon zwei Deutsche eben einer zu viel, denn für die anderen Länder muss noch Platz sein, es gewinnt also immer nur der erste Deutsche, der erste Brasilianer, der erste Thailänder. Ganz selten mal, dass heute noch zwei unterschiedliche US-Orgs zwei Deutsche in einer Schule unterbringen können.

Die amerikanische Organisation verweist einen immer direkt an ihren jeweiligen deutschen Partner. Ein spürbarer Preisnachlass, weil man selbst eine Gastfamilie gefunden hat, ist weder für den Area Rep noch seine Organisation von Interesse, denn so spart man hier Marketing und Onboarding Kosten. Zudem lässt man sich häufig noch unterschreiben, dass der Area-Rep nicht für das Beschaffen einer Ersatzfamilie zuständig ist, stiehlt sich also auch noch ohne Preisnachlass aus der Verantwortung, und auch die angebliche monatliche Betreuung, die viele Organisationen laut kleingedrucktem als Service anbieten, findet natürlich nicht statt. Doch klar ist, die US-Orgs und deren deutsche Partner optimieren ihre Kostenstruktur mittels der Direct Placements. Je mehr Eltern sich ihre eigenen Gastfamilien suchen, desto lohnender das Geschäft für die Anbieter. Und noch einmal: non profit oder „gemeinnützig“ bedeutet nur, dass kein Gewinn ausgewiesen wird, wenn man sich aber mal in Google die Sitze der Hauptverwaltungen so einiger US-Austauschorgs an echt mondänen Adressen anguckt (die dann auch oft meistens Privatadressen sind), dann merkt man, das es lukrativ sein muss. Transparenz: Keine. Namen oder Impressumspflicht: Keine. Man weiß nie, wer verantwortlich ist, Geschäftsführung oder Vorstand ist, Ross und Reiter werden so gut wie nie genannt. Viele Area-Reps und selbst festangestellte Mitarbeiter sind hier nicht aufgeführt und was ebenfalls allerorten berichtet wird und auch ich so erlebe: Sie operieren außerdem sehr oft mit ihren privaten E-Mail-Adressen, nicht mit den E-Mails der Organisation. Das hat alles schon ein deutliches Geschmäckle. Und selbstverständlich wollen alle Organisationen ihre Geschäftsführer gut bezahlen, und das auf beiden Seiten des Ozeans. Man kann auch mit einem attraktiven Gehalt immer noch sehr gut „gemeinnützig“ und „non-for-profit“ sein! Mit kulturellem Austausch und trans-atlantischem, politischem Verständnis hat das alles nur noch recht wenig zu tun. Fairerweise gilt das wohl auch für die Seite der AS und vieler Eltern, die im Austausch auf Kultur und transatlantische Politik jetzt nicht so den Fokus haben. Auf den Webseiten der Orgs geht es auch eher um Spaß, Spannung und Life-Style.

Insofern ist es eigentlich fast schon egal, an welche deutsche Organisation man gerät, und mit welcher amerikanischen Organisation diese dann zusammenarbeitet. Am Ende des Tages hängt es immer an dem Area-Rep, bei der man landet; wie gut dieser geschult wurde, wie integer er ist, wie stark er finanziell von dem Job abhängig ist, oder wie viele Austauschschüler er bzw. meistens sie noch vermitteln muss, um genügend Punkte gesammelt zu haben, um von der US-Organisation mal wieder eine Reise nach Europa oder Asien spendiert zu bekommen. Denn mit derartigen Incentives werden ebenfalls die Area-Reps belohnt. Es hat fast schon was von Strukturvertrieb und definitiv von Area-Rep des Monats; handfeste finanzielle Interessen bestimmen mittlerweile das Austausch-„Geschäft“. Die wenigen noch echten ehrenamtlichen Mitarbeiter der traditionellen und altehrwürdigen Austauschorganisationen konnten da kaum noch mithalten, und haben entsprechend umgeschaltet. Kein Wunder, dass die Kosten, die von den deutschen Organisationen aufgerufen werden, mittlerweile so hoch geworden sind, dass man über andere Länder gut nachdenken kann.

Denn was gibt es für diese Gebühren denn wirklich? Die deutsche Organisation prüft eine Bewerbung, führt ein Bewerbungsgespräch durch, hat fertige Vorbereitungs-Materialien, und wenn man Glück hat, gibt es auch etwas zur Nachbereitung. Ist eine Bewerbung erst mal akzeptiert, wird diese an die US-Partnerorganisation durchgereicht. Viele deutsche Anbieter scheinen mittlerweile die dreitägigen Vorbereitungsseminare von AYA etc. in New York zu buchen, die einerseits kostenpflichtig sind, mehr Sightseeing sind als sonst was, und den Vorteil haben, dass man viele Austauschschüler in günstige Flügen nach New York zusammenpacken und von da weiterreichen kann. Das steigert noch mal die Einnahmen und senkt die (pauschal berechneten!) und sonst eher individuellen Reisekosten. Außerdem muss der AS manchmal in derartigen Camps unterschreiben, dass man sich an die dort mitgeteilten Grundsätze hält, je nachdem wer die beauftragende US-Austauschorganisation ist. Dass es einen Ausdruck davon mitgibt, scheint nicht gewährleistet zu sein. Bei uns wäre das rechtlich nicht möglich, schon gar nicht mit Minderjährigen; doch in den USA gibt es diesbezüglich kaum Gesetze, daher haben Verträge eine ganz andere Rechtskraft, denn wenn man erst Mal etwas unterschrieben hat, ist Recht geschaffen und man ist der US Gerichtsbarkeit ausgeliefert. Was viele nicht verstehen: Bei uns verlässt man sich darauf, dass alles, was dem BGB widerspricht, nicht rechtlich durchgesetzt werden kann oder sogar illegal ist, selbst wenn man es unterschrieben hat. In den USA gibt es derart umfassende Gesetze nicht, und alles, was nicht geregelt ist, wird durch einen privaten Vertrag sofort rechtlich bindend und relevant. Also bloß niemals etwas unterschreiben, was einem AS in den USA vorgelegt wird; grundlegend sollte immer der Vertrag mit dem deutschen Anbieter bleiben.

Man darf nie vergessen, dass die deutsche Austauschorganisation immer mit einer amerikanischen Organisation zusammenarbeitet, die letztendlich den Austauschschüler vor Ort betreut. Alle Kontakte, alle „Notfallnummern“, alles was mit der Betreuung vor Ort zusammenhängt, wird von einer ganz anderen Organisation durchgeführt, die den deutschen Eltern häufig nicht oder nur auf Nachfrage genannt wird. Und diese ist rechtlich im Binnenverhältnis in den USA zuständig, auch wenn der Vertrag mit einer deutschen Organisation abgeschlossen wurde. Was immer in den USA passiert, die deutsche Organisation hat in Wirklichkeit so gut wie keinen Einfluss darauf. Man kann telefonieren, aber letztendlich entscheidet immer und alleine der amerikanische Gegenpart.

Kommen wir zurück zur Leistung der deutschen Organisation. Durchsicht des Bewerbungsbogens und des eher noch recht kurzen CVs unserer Kinder, Durchführung eines Bewerbungsgesprächs, Vorbereitung, Nachbereitung, gegebenenfalls Versicherung und Organisation der Reise. Sehr praktisch die vielen PPP-Bewerber, die man dann schon mal in der Datenbank hat, denn für die gibt es nur sehr wenige Stipendien.

Und das für fast 11.000 € Gebühren ohne Reise und Versicherung. What??? Vor- und Nachbereitung ist normalerweise fertig und wird auf alle umgelegt, bleibt also im Grunde genommen ein halber Tag Arbeit pro Bewerbung; ein Tag, wenn man großzügig ist, und es vielleicht zu weiteren Telefonaten mit Eltern oder dem Austauschschüler kommt. Die Kosten des Visums werden sowieso an die Eltern durchgereicht, frecherweise oft auch der Anteil, der eigentlich in den USA entstanden ist. Und selbst wenn es zwei Tage Arbeit pro Austauschschüler wären… - man merkt schnell, dass die aufgerufenen Gebühren mit dem eigentlichen Aufwand wenig bis nichts zu tun haben können. Und zu Themen wie interkulturelle Vorbereitung und Nachbereitung machen viele Anbieter gar nichts transparent – ein Trauerspiel.

Wohlgemerkt dürfen beim J-1 Programm weder die Gastfamilien Geld bekommen noch bekommen die Schulen irgendeine finanzielle Vergütung. Das hat der Gesetzgeber in den USA untersagt. Aber als „Leistung“ werden auf den Webseiten der Anbieter sowohl der Schulbesuch sowie die Unterbringung in der Gastfamilie, ja selbst „Mahlzeiten“ immer aufgeführt und so die Gebühr damit begründet? Das ist nicht wirklich korrekt. Eher müsste man hier von Anwerbungskosten sprechen, nur dass die laut Regulatorik in den USA nicht vorgesehen sind. Aber wenn wir hier schon über einen finanziellen Wert diesbezüglich reden: ich habe einen Anbieter gesehen, der dem Austauschschüler von den aufgerufenen J-1 Gebühren gerade mal 1800 € Preisnachlass gewährt, wenn seine Familie im gleichen Zeitraum einen amerikanischen Austauschschüler aufnimmt. Scheint also nicht viel wert zu sein, so eine Gastfamilie, sollte das denn der Maßstab sein…?

→ Teil 2

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Teil 2:

Zum Unterschied in der Gebührenstruktur von sechsmonatigen und „einjährigen“ J-1 USA-Programmen – die ganz oft ja eigentlich nur 10 Monate lang sind? Da weder die Schule noch die Gastfamilien etwas von der Gebühr haben (Anwerbungsgutscheine mal abgesehen), sind es nur die Organisationen, die für beide Varianten den gleichen Aufwand haben und jeweils auf ihren Schnitt kommen wollen. Die Folge: Mittlerweile sind die Gebühren für die USA so hoch, dass sie an Programme in anderen Ländern heranreichen, wo sehr wohl Schulgebühren im Preis enthalten sind. Ob der AS nun 6, 10 oder 11 Monate in den USA bleibt, der zu betreibende Aufwand ist anfangs exakt gleich. Bis auf die monatliche Betreuung der Gastfamilie durch den Area-Rep, der teilweise inzwischen auch vergütet wird – ob er nun stattfindet oder nicht. Außer diesen vielleicht 320 $ Mehrkosten werden trotzdem Gebühren von bspw. 1300 € aufgerufen??? Wenn man ehrlich ist, für nichts, der Aufwand ist nahezu identisch.

Da, wo die Kosten von 6 zu 10 oder mehr Monaten sich deutlich unterscheiden, fließen Schulgebühren. Das Halbjahresprogramm… dass sich immer größerer Beliebtheit erfreut, weil sich Eltern, Kinder und Freunde nicht so lange trennen wollen oder man die harte Landung nach der Rückkehr vermeiden will, und bei G12 ist ein ganzes Jahr halt eine Ansage, wenn man nicht in der 11. Klasse weitermachen will nach der Rückkehr. (Der eigentliche Lerneffekt, der charakter- und persönlichkeitsbildende Anteil am Austausch, der vor allem im zweiten Halbjahr erworben wird, wird damit auch verschenkt, aber das ist ein anderes Thema.)

Die Nachbereitung ist im Übrigen nicht zu unterschätzen, denn gerade die einjährigen Austauschschüler geraten regelmäßig in einen zweiten Kulturschock, wenn sie wieder zurück sind. Viele Anbieter halten sich hier auffällig zurück, auch hier wenig Transparenz, was wirklich angeboten wird. Aber da ist die Gebühr ja auch schon längst geflossen…

Was macht die US-Organisation für das Geld? Sie muss normalerweise noch einmal die von der Deutschen Partnerorganisation eingereichte Bewerbung prüfen, aber in der Regel vertraut man darauf, dass die weitergereichten AS Englisch sprechen können und reif genug für dieses Abenteuer sind. Der deutsche Partner hatte nur diesen einen Job… Im Grunde genommen wird sofort das Visum auf den Weg gebracht, auch wenn noch gar keine Gastfamilie gefunden wurde. Die leichten Dinge werden zuerst erledigt, man will ja Rechnungen stellen. Nach einem Zufallsprinzip, außer man hat ein Selectprogramm gewählt, wo es zum Beispiel eine Vorauswahl für bestimmte US-Staaten gibt, werden die E-Mails mit den Bewerbungen an die Area Reps verteilt; wer mehr Quote hat, bekommt einen größeren Stapel als andere. Ich habe von mehreren Fällen gehört, wo sich in der Zentrale der Organisation niemand die Bewerbungen durchgesehen hat – sofort an die Reps weiterleiten, oder je nach Datum des Eingangs reihenweise umverteilen, jeder kriegt was ab. Öfters gibt es Reps, die größere Gebiete verwalten und unter sich die Area-Reps haben, diese kregen dann größere Haufen und verteilen diese an „ihre“ Reps - und was ich so höre, ebenfalls ohne mal was zu lesen. „Lotterie“ trifft es also ganz gut, Präferenzen aus den Anschreiben liest kaum jemand. Denn es geht ja nicht um Kultur, sondern ums Business. Und überhaupt irgendwie unterkommen ist leider bei den Druck mittlerweile wichtiger als passend unterkommen.

Ein weiteres Problem: Viele Gastfamilien suchen sich etwas heraus, was sie interessiert, und achten wenig darauf, was der AS angegeben hat, was ihn oder sie interessiert. Die Area-Reps hüten sich, da einzuschreiten, es soll schließlich jeder schnell was finden. Der AS ist katholisch aber die Gastfamilie sind radikale Evangelikale? Egal, sie glauben an Gott, 100% Passung. Ok, bei dem bekennenden Atheisten könnte es Probleme geben, aber die Gastfamilie in spe sagt, da muss man drüber reden - ist das nicht supergreat, die sind ja so offen - passt, done!

Es beginnt der Wettlauf gegen die Zeit, und es wird sich zeigen, ob irgendwo eine Gastfamilie aufgetan werden kann. Die Gastfamilie muss einem background check unterzogen werden; das kostet je nach Anbieter zwischen 25-250 $. Ein Besuch vor Ort gilt ebenfalls als solcher, wenn ein Führungszeugnis vorliegt. Die teureren Anbieter dürften da wohl eher recht selten benutzt werden; und meistens wird nur ein Familienmitglied überprüft, das spart Geld und erhöht die Zahl der zur Verfügung stehenden Gastfamilien. Womit auch schon wieder viel gesagt ist. Die Area-Reps sollen sich normalerweise in der Gemeinde und der Schule umhören und die Gastfamilien persönlich überprüfen, doch auch das findet immer öfter nicht wirklich statt, da die Einzugsgebiete teilweise auch recht groß sind. Und wer zu tief gräbt, verliert ja am Ende eine interessierte Gastfamilie.

Die High Schools werden in der Regel nur beim ersten Mal persönlich besucht, um zu überprüfen, ob die Gebäude in Ordnung sind und die von Seiten der USA vorgeschriebenen Pflichtfächer, Englisch und American Studies oder ein Äquivalent davon, auch angeboten werden. Ob es einen festen Ansprechpartner gibt, der die Daten an die Behörden weitergibt etc… Ab da wird eigentlich nur noch über die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze verhandelt, außer, der Area-Rep wohnt wirklich dort räumlich in der Nähe, dann sieht man sich öfters.

Je später die Gastfamilie gefunden wird, desto größer sind die Nachteile, und da reden wir nicht nur über den Notnagel „Welcome Families“. Fast alle High Schools fangen spätestens 4 Wochen vor Schulanfang an mit Auswahl und Training in den Herbst/Wintersportarten (u.a. Football und Fussball), der Band, dem Chor und dem so beliebten Cheer-Leading. Da muss man sich erst mal bewerben! Und wer die Try-outs verpasst, kommt später nicht mehr ins Team. Auch sonst muss man sich klarmachen, dass die Schüler in den USA mit den Sportarten und allem anderen in der Grundschule bereits angefangen haben, und der Wettstreit zwischen den Schulen äußerst kompetitiv ist. Wer also in einer Sportart nicht bereits gut ist, zumindest was Ballsportarten und angesehene Sportarten angeht, vielleicht weniger bei Leichtathletik, der wird nicht mal in die Junior Varsity aufgenommen. Vielleicht kommt mancher Deutscher mal als Kicker ins Footballteam oder hat die geeignete Figur für einen Verteidiger. Doch einen Exoten- oder Mitleidsbonus für Austauschschüler gibt es schon lange nicht mehr, und wer zu spät ist, lässt sich nicht mehr ins Team integrieren. Auch wer im Frühling baseball spielen möchte, braucht viel Training und viel Glück, um ins Wettkampftteam zu kommen. Das gilt im Übrigen auch und erst recht für das beliebte Cheer-Leading. Im Schachteam sind jedoch fast immer Plätz frei. Der Wettkampf aber um die wenigen verfügbaren Plätze in den beiden Teams (Varsity und Junior Varsity) bei den beliebten Sportarten ist intensiv. Selbst für das Cheer-Leading Team der JV gibt es viel mehr Bewerberinnen als Plätze; erst recht, wenn das Team an Wettbewerben teilnimmt oder schwierige Figuren wirft. Wer also so spät eine Gastfamilie hat, dass das Schuljahr bereits anfängt, hat bereits unter Umständen die ersten Chancen und ganz bestimmt die Try-outs verpasst. Das gilt dann auch für die Wahl von interessanten Wahlpflichtfächern, deren Kurse dann meistens für das ganze Schuljahr bereits voll und die Listen zu sind. Auch hier gibt es mittlerweile kaum noch einen Bonus für Austauschschüler, denn diese sind seit Jahrzehnten ein fester und normaler Anblick an vielen High Schools, daher gibt es fast nirgendwo mehr eine Sonderbehandlung. Im Gegenteil; America First setzt sich in allen Lebenslagen durch, auch hier; das mekt man überall.

Dass alle damit verbundenen Probleme des späten Starts von den Austauschorganisationen nicht an die große Glocke gehängt werden, dürfte niemanden verwundern. Im Grunde genommen sollte man eine Deadline setzen, dass das Kind spätestens vier Wochen vor Schulanfang eine Familie hat. Sonst Geld zurück. Aber sich angesichts der hohen Gebühren auf die Lotterie einlassen? Natürlich können auch gute Gastfamilien im Endspurt gefunden werden, doch liegt es doch auch auf der Hand, dass richtig gute und seröse Gastfamilien sich vielleicht dann doch nicht so ganz kurzfristig und spontan mal eben so auf das Abenteuer einlassen, weil ein Area-Rep sie von der kulturellen Bereicherung nur so begeistert hat. Sondern es wurde jemand kurzfrisitg bequatscht und incentiviert, und das kann sehr wohl ins Auge gehen. Und die erfahrenen Gastfamilien, die bspw. über viele Jahre jedes Jahr einen AS aufnehmen, die sind schon langfristig von den Area- Reps durchgeplant. Und zwar nach finanziellem Anreiz je nach Hintergrund des Bewerbers, und nicht, weil da plötzlich die ideale Bewerbung mit idealer Passung auf den Tisch flattert. Oder per direct placement, wo der Area Rep nur noch sehen muss, wie er an die Vermittlungsgebühr kommt; meistens mit Gutsel für die Familie. Wer also einen bestimmten Staat oder größere Städte haben möchte, muss dafür bezahlen - obwohl der Aufwand im Prinzip der gleiche ist. Trotzdem kann auch das schwierig werden. Garantieren kann man viel, aber das Kleingedruckte entscheidet. Man spielt hier mit den Hoffnungen der Kids. Je begehrter die Wunschgegend, desto höher die Gebühren, und trotzdem kann es schiefgehen. Und sei es nur, weil im Wunschstaat aufgrund der großen Hitze zur großen Freude die Schule bereits um 7.00 Uhr anfängt… was einem vorher niemand gesagt hat.

Nicht nur, dass es häufig keine Extrawürste für Austauschschüler mehr gibt; im Gegenteil; ich bin auf High Schools gestoßen, die mittlerweile bspw. keine Informationsveranstaltungen für potentielle Gasteltern mehr anbieten, deren Lehrer mittlerweile selbst auch keine Gastschüler mehr aufnehmen, und die die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze reduziert haben. Regelmäßig, wenn ein Befürworter des Austauschs aus dem Kollegium geht oder ein neuer Rektor kommt, wird da heruntergefahren. Und/oder nur noch mit einer einzigen statt mit mehreren US-Austauschorganisationen zusammengearbeitet. Hat vermutlich mit dem Zeitgeist zu tun, der seit etlichen Jahren in den USA weht. Das Interesse an kulturellem Austausch scheint jedenfalls nicht mehr allzu hoch im Kurs zu stehen. Auch das wirkt sich natürlich negativ auf die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze für AS aus. Es gibt Gegenden, da gäbe es sogar mehr Gastfamilien, aber die Schulen sind jetzt das bottleneck.

Am Ende des Tages ist es die Aufgabe der US-Organisation, das Visum zu beantragen, die Gastfamilie zu suchen, den Hintergrundcheck zu machen und die Gastfamilie zu betreuen, sich mit der Schule abzustimmen, und bei Problemen als Mentor und Coach zur Verfügung zu stehen. Letzterer Teil wird schon kaum noch oder nur mit Schwierigkeiten erfüllt. Aber auch sonst ist die Last der zu erledigenden Aufgaben recht überschaubar, wenn man ehrlich ist, und es wird schnell deutlich, dass einerseits der Flaschenhals darin liegt, die Gastfamilie zu finden, und es andererseits auf den jeweiligen Area Rep mehr als alles andere ankommt. Und genau deswegen kann man bei jeder Organisation Glück - oder eben Pech haben. Area Reps kommen und gehen, daher gibt es keine wirklichen Stars unter den US Organisationen, man kann bei jeder davon dieses Glück - oder eben Pech haben. Man sollte meinen, Organisationen, die eben nicht jeden nehmen und wirklich die Zahl der Plätze begrenzen, können mehr Qualität bieten, aber spätestens in den USA dann stehen sie ja doch im Wettbewerb aller Orgs und der Lotterie. Qualität kann wenn, dann nur vor Ort geleistet werden, und da stimmt sie nicht mehr, egal wie sich die deutsche Org abstrampelt.

Rechnet man den nötigen Arbeitsaufwand auf die mindestens aufgerufenen 10.000 Euro alleine für Gebühren um (plus Reisekosten, Versicherung, Visum, Taschengeld, Mobilfunk etc., das kommt ja erst noch dazu), dann gibt es vermutlich keinen einzigen Wirtschaftszweig, wo für so wenig Aufwand so viel bezahlt werden muss! Vielleicht noch der Stundensatz von Schönheitsoperationen, aber die haben ein wesentlich höheres Risiko. Gleichzeitig sinkt die Qualität des „Produkts“ stark nach unten. Da wundert es mich nicht, dass mittlerweile Sammelklagen gegen Veranstalter vorbereitet werden und es in den USA das Committee (csfes . org) Committee for Safety of Foreign Exchange Students“ gibt. Man bezahlt das Monopol für das Visum, Punkt.

Noch weniger Einfluss haben wie gesagt die deutschen Organisationen, denn sie verfügen vor Ort über keinerlei Einflussmöglichkeit. Im Grunde genommen sind sie wie die Eltern auch darauf angewiesen, dass ihre jeweilige amerikanische Partnerorganisation vor Ort einen fähigen Area-Rep hat. Etliche deutsche Anbieter gehören übrigens zur gleichen Organisation, sind direkte Ableger oder Schwesterorganisationen der amerikanischen Austauschorg oder gehören zum gleichen Unternehmensverbund, sind aber trotzdem rechtlich getrennte Organisationen ohne Durchgriff in den USA. Und im Grunde genommen haben die Anbieter sämtlicher Herkunftsländer, ob sie nun explizit als Austauschorganisation, Reiseveranstalter, Sprachschule oder sonstwie kulturgetrieben daherkommen, keine direkten Einflussmöglichkeiten auf die Area-Reps ihrer US-Mutterorganisation. Sie müssen immer über die amerikanische Partnerorganisation gehen. Sie können zwar versuchen, Einfluss zu nehmen und auf die Partnerorganisation einzuwirken, doch alle Probleme vor Ort werden grundsätzlich nur mit dem jeweiligen Area Rep abgewickelt. Und deren Machtposition hat sich in den letzten Jahren immer mehr verstärkt, da sie regelmäßig vergütete Mitarbeiter sind, auf deren vor Ort aufgebauten Netzwerke die Mutterorganisation nicht verzichten kann und will. Wechselt ein Area Rep bspw. von einer Organisation zur anderen, nimmt sie unter Umständen das Netzwerk der persönlichen Beziehungen bis hin zum Kontingent der Plätze an der Highschool mit, und die Gastfamilien natürlich auch.

Wenn es Probleme gibt, ist in vielen Fällen anscheinend der AS das Problem und nicht die müsam akquirierte Gastfamilie, mit der man anscheinend mittlerweile ein gemeinsames Geschäftsmodell teilt, auch wenn der US-Gesetzgeber das so ganz und gar nicht vorgesehen hat. Wie kann es auch anders sein, wenn aus dem kulturellen Austausch ein Massengeschäft geworden ist. Hier im Forum wurde schon der Begriff „organisierter Menschenhandel mit Jugendlichen“ verwendet, und im Grunde genommen hat es etwas davon, wenn man Pech hat.

Vorplanen muss man also mittlerweile für den Fall, dass man an schwarze Schafe gerät, wo sich Area-Rep und Gastfamilie absprechen, und beispielsweise die Mobiltelefone der Austauschschüler einkassiert oder die Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Für die Eltern ist es daher immer wichtig, eigene Mobilfunk-Verträge für die AS abzuschließen, und sich Möglichkeiten der Notfallkommunikation zu schaffen. Idealerweise vor der Ausreise; viele Handys funktionieren im GSM der USA sowieso problemlos. Prepaid oder andere Verträge kann man online oder spätestens am Flughafen abschließen. Dann nimmt man noch E-Mail-Adressen und Telefonnummern (auswendig lernen ist wichtig) oder soziale Medien, die man über Nachbarn oder die Schule oder über Freunde gut erreichen kann. Ganz vorsichtige Geister vereinbaren Codes. In den heutigen Zeiten jemand wirklich mundtot zu machen, dürfte kaum gelingen. Spätestens in der Schule finden sich dann Möglichkeiten zur Kommunikation. Man muss sich auf die worst case Szenarien vorbereiten, daran kommt man nciht vorbei. Auch hier wird man von den Anbietern vermutlich wenig dazu hören, ist schlecht fürs Geschäft.

Sollte es Probleme mit der Gastfamilie geben und man an der gleichen Highschool bleiben wollen, dann kommt es darauf an, wie sehr man dem eigenen Area-Rep vertraut. Längst nicht alle sind ja schwarze Schafe. Doch wenn man es nicht einschätzen kann, oder man bereits negative Erfahrungen gemacht hat, oder es wurde sogar schon mit Rausschmiss und Rückreise gedroht, dann kann der Rat nur lauten, man sollte immer erst aus eigenen Kräften eine Ersatzfamilie finden. Bspw. über die High School Counselors gehen oder über Lehrer, denen der Austauschschüler besonders vertraut, oder Freunde aus der Schule sollten vorsichtig und immer unter Stillschweigen informiert werden, dass man eine Ersatzfamilie sucht. Damit haben bereits viele AS Erfolg gehabt, und haben erst nach Finden einer Ersatzfamilie den jeweiligen Area Rep (und die Gastfamilie) informiert, der dann nicht mehr viel machen konnte oder wollte. Macht man denen das Leben leicht, sind die an einer Eskalation oder gar Ausweisung des AS auch nicht mehr interessiert. Merkwürdig aber schon, wie lange sich offensichtlich unfähige Area-Reps manchmal halten können, doch auf der anderen Seite wird wenig bis nichts geahndet, vieles bleibt folgenlos. Es braucht dazu mehr „Geld-zurück Klagen“, sonst tut es den Orgs nicht weh genug.

Wenn man also besonders gut den USA vernetzt ist und sich selbst Gastfamilien suchen kann, und darüber hinaus auch ein Betreuungsnetzwerk vor Ort aufstellen kann, nutzt es trotzdem nichts. Das Visum kann nur von den US-amerikanischen Organisationen vergeben werden, und diese sind regulatorisch immer darauf angewiesen, im Herkunftsland des Austauschschülers die Bewerbung prüfen zu lassen. Und stellen sich daher immer, was Preisverhandlungen angeht, dumm, und verweisen auf ihren jeweiligen Partner im Herkunftsland. Der wiederum auch auf seinen Schnitt kommen möchte und daher an Preisnachlässen ebenfalls kein Interesse hat.

Zumal auch in Deutschland die Akquisekosten in dem hart umkämpften Markt mit den ganzen Messen und online Marketing immer weiter steigen. Es gibt einfach zu viele Anbieter. Nur so ist zu erklären, dass, wenn man die ganze Arbeit selber macht, man finanziell davon trotzdem eigentlich nichts hat (außer immerhin der Sicherheit, eine gute Familie und passende Schule gefunden zu haben). Aber so viel Arbeit war es ja nicht; in wenigen Stunden Herumtelefonieren hatten mein Freund und ich zwei Gastfamilien (eine als Ersatz, für den Fall der Fälle), einen zusätzlichen Betreuer, der sich mit sowas auskennt, die zuständige High School und deren Counselor aufgetan - um dann mit dem Gezacker mit der Austauschorganisation 5 Mal so viel Zeit zu verbringen, weil es denen nur um eines geht. Das Geld. Das Monopol, das Visum ausstellen zu dürfen, lassen sich die Organisationen jedenfalls mittlerweile sehr sehr teuer bezahlen. Wenn man sich selber auskennt und Beziehungen hat, braucht es keine Organisation., auch Versicherung und Reise kann man alles selbst und günstiger organisieren.

Die Regierung der USA hat sich einst das J-1 Visum ausgedacht, um den kulturellen Austausch zu fördern. Deswegen wurden jegliche Schulgebühren aus dem Programm gestrichen und jegliche Vergütung für die Gastfamilien. Am Anfang war dies das Betätigungsfeld von Ehrenamtlichen. Das Programm sollte bezahlbar sein. Doch mittlerweile ist ein Geschäftsmodell daraus geworden, und mit dem Verweis auf Gemeinnützigkeit oder non profit stopfen sich jetzt trotzdem statt der Schulen und Gastfamilien eben die Austauschorganisationen die Taschen voll und lassen sich für ihr Monopol vergüten. Das ist nicht im Sinne der damaligen Erfinder des Programms und benachteiligt sozial schwächere, auch wenn mit Stipendien geworben wird (und die es zumindest im PPP ja auch gibt). Ein Wettbewerb der Orgs untereinander findet nicht statt, überall gibt es das gleiche, die ganze Preisstruktur in diesem Markt ist im Grunde genommen ein Fall für das Kartellamt, wenn man sich die identischen Gebührenstrukturen mal so anschaut. Aber auch davor soll ja der Verweis auf die Gemeinnützigkeit schützen, und dass man „Stipendien anbietet“. Und auch wenn ein gewisser Teil der Gebühren für die Suche nach Gastfamilien drauf geht, so ist die Wertschöpfung der angeschlossenen Organisationen doch reine Prozessroutine und nicht besonders aufwendig. Das eigentliche Budget fliesst hüben und drüben in die Gehälter, und die eigentliche „Arbeit“ machen aber letztendlich die Gastfamilien und Schulen, nicht wahr? Und die sehen am wenigsten davon. Doch wie bei allem, wo das Angebot immer kleiner wird und die Zahl der Interessenten am J-1 Visum weltweit immer höher, stoßen immer mehr Anbieter in diesen Markt und wollen davon auskömmlich leben. Vielleicht sollte ich….

Im Grunde genommen kann man das alles umgehen, wenn man sich visumsfreie Länder aussucht. Hier zumindest lohnt sich die Selbstorganisation. Zudem gibt es viele Austauschländer, die sogar mit dem Vorhandensein von Schulgebühren mittlerweile günstiger als die J-1 USA Variante liegen.

Was bleibt hinzuzufügen? Wer eine gute Beratung für USA sucht, ist bspw. auf der Webseite vom Amerika Haus München (amerikahaus . de / service / tipps-fuer-auslandsaufenthalte-in-den-usa-und-kanada) gut aufgehoben. Eigene Programme werden nicht angeboten und die Beratung ist neutral, es dürfen keine Anbieter empfohlen werden. Doch gibt es hier allgemeines Know-how und Ansprechpartner.

Vor diesen Hintergründen muss sich jeder gut überlegen, ob er sich auf das Abenteuer J-1 einlassen will. Es mutet schon alles mittlerweile sehr willkürlich an. Hoffen wir, dass die „bad apples“ unter den Area-Reps bald ausgesiebt sind und damit auch die schlechten Praktiken bei der Gastfamililiengewinnung aufhören.

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Wow, du hast dir ja echt Mühe gemacht.

Kann ich so unterschreiben aufgrund der Erfahrung aus den vergangenen 1,5 Jahren.

Unsere Local Coordinatorin war ok. Aber genau wie du sagst: sie war mit der Familie bekannt und sie haben exklusiv zusammen gearbeitet. Und das auch nur im F 1 Programm, bei dem die Gastfamilien auch offiziell Aufwandsentschädigungen bekommen dürfen.
Und wie du sagst: die Familie kannte weder Bewerbungsvideo noch den Kind-oder Elternbrief. Keine Ahnung wo die gelandet sind. :wink: Gut, dass es ‚zufällig‘ so gut gepasst hat.

Bei der Schule waren der LC die Hände gebunden, ein Wechsel konnte nicht realisiert werden, da - wie du sagst - die Schulen (zumindest in dem District) ein Limit an ATS erreicht hatten. Ich finde es an sich aber auch gut, dass es das gibt. Ich habe auch von „Fällen“ (allerdings eher in CAN und NZ) gehört, wo es sehr viele Deutsche auf den Schulen gab.

Stichwort „kultureller Austausch“: Ist ja immer die Frage, was man darunter versteht.
Das was Domnick mit Japan hier beschrieben hat (danke nochmal für’s Teilhaben lassen!) wäre genau das was man sich als Eltern (ja, auch als finanzierende Eltern hat man Vorstellungen :wink: ) wünscht.
Bzgl. der USA mag das auch mal so gewesen sein - und ist es vielleicht noch, schließlich bekommt man einen Eindruck der Gesellschaft und Kultur.
ABER - persönlich und rückblickend muss ich sagen, eine größere/reflektiertere Auseinandersetzung mit Politik und Wirtschaft hat dort nicht stattgefunden (ist vielleicht auch etwas viel verlangt von 16jährigen :slight_smile: ).
Dafür wird man - zumindest, wenn es ein echt gutes Verhältnis mit der Familie gibt - schon etwas geprägt von der dortigen Sichtweise auf die Dinge.
Ich will nicht politisch werden, aber wir hatten im Nachgang jetzt schon manches Mal den Eindruck, dass unser Kind (gesellschaftlich) etwas offener hingegangen ist als es zurück kam.
Kann aber auch daran liegen, dass man sich in dem Alter natürlich auch extrem weiterentwickelt und dass es ohnehin zu kritischeren Auseinandersetzungen mit Themen kommt… :slight_smile:
Wir hatten und haben gute Gespräche im Nachgang und sprechen noch mehr über Kultur, Gesellschaft und Politik - hier wie dort. Das ist sehr positiv… In sofern vielleicht doch ein kultureller Austausch? :slight_smile:

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In exotischeren Ländern wie Japan kommt man um den kulturellen Teil des Austauschs sicher gar nicht herum, keine Frage. Und auch ein Jahr in den USA lässt niemanden unberührt, aber wenn man sich nur auf die life-style Komponenten fokussiert, bleibt viel liegen. Wird ja sonst anstrengend. Ich kann mir vorstellen, dass viele Kids da mit falschen Vorstellungen rangehen, und die Orgs korrigieren das nicht. Anders kann man sich gar nicht erklären, wie die Webseiten teiwleise gestaltet sind.

Und dazu passt vielleicht auch die folgende Werbe-E-Mail, die mir gerade in einer Art Gedankenübertragung zugespielt wurde: Und zwar von einer Organisation, die sogar das Word „Kultur“ im Namen trägt. In dieser Mail wird interessierten Kids das Jahr in den USA schmackhaft gemacht - anhand von drei Beispielen.
Hannah: Macht Cheerleading vor 10.000 Leuten jede Woche in Los Angeles und besucht mit ihren Freundinnen Spiele von den Lakers und den Rams. Och jo! (Ob die wissen, was derartige Tickets und Parkgebühren kosten?)
Leon: Will möglichst viele Städte sehen und macht daher natürlich ein Camp in NY mit. Und ist in Orlando untergebracht, wo immer was los ist; seine Gastfamilie nimmt ihn mit nach Miami. Und nach Wahington D.C.
Emily mag Tanzen und das Footballteam bejubeln - und mag den Prom. Wo sie gelandet ist, ist anscheinend weniger werbewirksam gewesen, denn es wird nicht erwähnt… Ist noch die wahrscheinlichte Variante von allen Dreien.

Kein Wort zu Kultur, zu Persönlichkeitsbildung - nur Lebe deinen Traum, und unseren Kindern, die diese E-Mails dann von den Veranstaltern bekommen, wird die perfekte Welt vorgegaukelt, alle Register werden gezogen mit denen man an die Sehnsüchte unserer Kids appelliert, und man wirbt mit einem einzigartigen Erlebnis in den Top-Locations. Dass man in der Realität mit hoher Wahrscheinlichkeit in Miles City in Montana versauert oder noch schlimmer auf einer Farm in Nebraska, wo der nächste Nachbar 2 Meilen entfernt wohnt, und die High School tatsächlich die einzige Form des sozialen Lebens darstellt, kann sich da niemand vorstellen. Nein, es warten unzählige Abenteuer auf dich.

Da muss man sich nicht wundern, dass die Kids total verquere Vorstellungen haben und auch in kein anderes Land wollen. Bei den USA-Reisen sind vermutlich aus den genannten Gründen die Margen am höchsten für die Orgs. Mein Eindruck ist jedenfalls, die Gründe, in die USA zu gehen, sind nicht wirklich mehr diejenigen, die die Erfinder des Programms im Sinn hatten…

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Hallo Bernie, vielen Dank für diese umfassende und offenkundig mit viel Hintergrundwissen verfasste Darstellung des ganzen ‚Systems J-1‘. Eine Anmerkung nur zum Amerikahaus, das ich an sich schätze. Schau dir die Website an, und wer lacht uns zum USA High School Programm an - natürlich Cheerleader. Es gibt möglicherweise keine verbale Empfehlung, aber sehr wohl eine Liste mit Agenturen, was den Eindruck assoziiert, bei ebendiesen wäre das Kind sicher aufgehoben. Auch die Tipps für die Wahl einer guten Agentur sind ebenso standard wie überall. JEDE US-Agentur, von der wir Schlimmes berichten können, war beispielsweise CSIET-gelistet, das ist nun wirklich überhaupt kein Argument. Es hatte auch jede deutsche Agentur Geschäftssitz und Gerichtsstand in Deutschland, und hat`s was gebracht? Nein. Es gibt auch beim Amerikahaus ein supi-Returnee-Video, keine einzige Warnung zum J-1 USA Classic Programm und Aussagen wie 'Die Organisation sucht dabei nach einer Familie, die auf dein Profil passt und umgekehrt. Meist sind hierfür deine Hobbys und die Lebenssituation ausschlaggebend. ’ Insofern wäre eine Beratung dann neutral, wenn bereits auf dieser Website eine Warnung ausgesprochen würde. Für mich reiht sich das Amerikahaus leider in das Akquisesystem ein wie alle anderen - wobei ich für die tatsächliche persönliche Beratung nicht sprechen kann.

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Hallo,

nach etwas Abstand und Reflexion über das Auslandsjahr (ATJ) unserer Tochter sehe ich die Erwartungshaltung als einen der wichtigsten Punkte – sowohl in der Vorbereitung als auch während des Aufenthalts und in der Nachbetrachtung. Abgesehen von den teils schwierigen Bedingungen und der fragwürdigen Umsetzung in den USA, spielt dieser Aspekt eine zentrale Rolle.

Unsere Tochter hatte kurzzeitig ebenfalls die USA als Ziel in Erwägung gezogen – etwa ein bis zwei Tage vor einer Infoveranstaltung an ihrem Gymnasium. Der Grund lag auf der Hand: die mediale Präsenz der USA. Wir wachsen mit amerikanischen Filmen, Serien und Werbebildern auf, die ein bestimmtes Lebensgefühl vermitteln – Highschools, große Städte, Freiheit, tolle Autos. Auch ich selbst war damals fasziniert von dieser Vorstellung. Viele Jugendliche träumen von einem „Spaß-Jahr“, einer Art Auszeit. Und ehrlich gesagt, kann ich das gut nachvollziehen – mir wäre es vermutlich nicht anders gegangen. Doch die Realität sieht oft völlig anders aus, und aus idealisierten Vorstellungen werden schnell Enttäuschungen.

Zum Glück wurden auf der Infoveranstaltung nicht nur die Hochglanzbroschüren mit dem perfekten Lifestyle präsentiert. Jede Organisation hatte auch einen ehemaligen Austauschschüler (ATS) dabei, der seinen Aufenthalt in einem kurzen Vortrag schilderte. Dabei kamen nicht nur die positiven Seiten zur Sprache, sondern auch Herausforderungen, kulturelle Unterschiede und persönliche Veränderungen.

Unsere Tochter entschied sich schließlich bewusst für ein Land mit möglichst großem kulturellen Unterschied – nicht, weil sie eine bestimmte Vorstellung hatte, sondern weil sie sich herausfordern wollte. Sie erhoffte sich, dadurch am meisten zu lernen und persönlich zu wachsen. Dies blieb während des gesamten Aufenthalts ihr größter Motivator: das Leben in einer völlig fremden Kultur zu erleben. Natürlich hatte sie gewisse Erwartungen, aber sie hielt sie bewusst zurück, weil alles so unbekannt war.

Meine Schlussfolgerung: Es spielt keine entscheidende Rolle, in welches Land man geht – solange man wirklich an einem kulturellen Austausch interessiert ist und sich darauf einlässt. Wer jedoch mit einer festgelegten Vorstellung reist, was er erleben möchte und wie es sein wird, läuft Gefahr, enttäuscht zu werden.

Leider setzen viele Organisationen gezielt auf das Verkaufen von Träumen – Herausforderungen verkaufen sich eben nicht so gut, auch nicht bei „Non-Profit“-Agenturen.

Ein Auslandsjahr ist immer ein Gamechanger – hoffentlich im positiven Sinne. Doch wie man in diesem Forum oft liest, ist das leider nicht immer selbstverständlich oder garantiert.

Lieber Gruss
Domnick

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@Bernie , erst einmal herzlichen Dank für den langen Bericht mit deinen Einsichten. Auch wenn mir persönlich das Thema inhaltlich bereits bekannt war (und für mich daher nicht schockierend oder überraschend), muss ich gestehen, dass ich von der Tiefe und Breite deiner Berichte begeistert bin. Es wird auch sehr deutlich und klar, dass eine Selektion von bestimmten Anbietern (sowohl auf deutscher als auch auf US-Seite) die Qualität und Leistung nicht signifikant ändert. Soll heißen, ob man am Ende „Glück“ hatte, entscheiden viele kleine Faktoren vor Ort, die wir Eltern und die deutsche Orga nicht im Griff haben.

Es gibt allerdings einen Aspekt, den ich nicht hundertprozentig verstanden habe. In meiner Vorstellung war es beim J-1 zum Thema „Platzieren“ so, dass sich die Local Reps zuerst nach einer Gastfamilie umsehen und dann die Schule im District angefragt wird, da das Finden einer GF stets der Bottleneck ist. Ist das grundsätzlich so, oder ist das Finden von GF und Schule eher ein mehrfach verzahntes Ganzes, das man nicht einfach so simpel zerlegen kann in seine Teilschritte?

Was mich immer mehr umtreibt inzwischen, ist die Frage, welchen Einfluss das Gastschüler-Profil selbst auf die Auswahl durch die Gastfamilie hat. Ich übertreibe mal ein bisschen an der Stelle: Es ist ja inzwischen eine fast unlösbare Aufgabe für den deutschen Schüler, sich mit Werbevideo, Bewerbung, CV, Empfehlungsschreiben, GF-Brief, etc. interessant zu machen. Manchmal kommt es mir so vor, als müsste man am besten eine PR- und Werbeagentur inkl. Video Creator und Social Media Specialist engagieren, um die „perfekte“ Bewerbung zu erstellen. - Und wofür!? Es scheint mir, dass der Zuschlag bei einer Gastfamilie durch ganz andere Faktoren beeinflusst wird als dieses Hochglanzbewerbungszeug des Gastschülers.

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Hallo Ben, nach allem, was ich jetzt gehört habe, was aber teilweise auch früher schon normal war, werden die ganzen Vorstellungen der AS und deren Hobbies, Wünsche etc. recht wenig richtig gelesen und berücksichtigt. Ich denke, heute spielt das noch weniger eine Rolle als früher, weil der Druck und der Wettbewerb so gross sind. Die Bewerbungen werden verteilt und dann guckt der bessere Area-Rep je nachdem, was da ist, wo was passen könnte. Wenn erst noch Familien gesucht werden müssen, und das scheint öfter der Normalfall zu sein, werden diese Informationen immer weniger noch eine Rolle spielen, egal, wie professionell und ausgeklügelt diese sind, es wird genommen, was da ist. Und ich habe mehrere Male gehört, es wird nur der Lebenslauf weitergereicht, weil aus vielen anderen Ländern auch nur der kommt, und eine gewisse Vergleichbarkeit vorliegen soll. Alles andere stört dann nur noch.

Die gleichgültigen Reps drücken der Familie sowieso einen Stapel Bewerbungen aus allen möglichen Ländern in die Hand und lässt die Familie den AS aussuchen. Manche Familie macht das auch zur Bedingung, dass sie alleine entscheiden kann, hat aber bei der Auswahl oft nicht richtig hingeschaut oder nur nach Nation, Foto oder Geschlecht entschieden.

Früher gab es wohl noch häufiger Info-Veranstaltungen für mögliche Gasteltern, da wurden stapelweise Bewerbungen verteilt und besprochen und die Besucher pickten sich was aus, wenn sie Host Family werden wollten; und wenn man Glück hatte, war jemand von der High School mit Erfahrung dabei und hat wenigstens ein bisschen beraten. Heute picken sich potenteille Gastfamilien die AS auch aus Rudis Resterampe via Facebook und Insta oder von speziellen Webseiten der Orgs; ob die Infos da vollständig sind und berücksichtigt werden, kann ich nicht sagen. Mir wurde mehrfach gesagt, es zählt, was die Hosts interessiert, nicht umgekehrt, und die letzten müssen sowieso nehmen, was da ist, da spielt eine Passung keinerlei Rolle; Ende der Durchsage. Nur bei PPP AS gibt es ein Eselsohr und eine bestimmte Prio aufgrund der politischen Natur und des Sponsorings durch die Bundesrepublik.

Es ist ja eine reine Beurteilung nach Aktenlage, das war zu allen Zeiten schon die schlechteste Ausgangsbasis. Nur dass es wenig zu helfen scheint, die Akten entsprechend aufzubretzeln.

Gleichzeitig ist aber idR auch bekannt, wieviele freie Plätze die High Schools in einem bestimmten Bezirk noch haben. Präferenzen werden nur für zahlende Select-Programme berücksichtigt, aber beim Bundesstaat oder ggf. dem Wunsch nach einer größeren Stadt hört es auch schon auf, das ist limitierend genug. (In LA gibt es nun auch mindestens eine High School weniger, die ist abgebrannt…) Ein GF-Bewerbungsbrief müsste statt Präferenzen also eigentlich fast schon eher auflisten, was man auf keinen Fall will, aber das ist natürlich überhaupt nicht gerne gesehen und limitiert die Auswahl. Es soll auch Area-Reps geben, die Ausschlußkriterien aus diesem Grund aus den Unterlagen entfernen (Haltung: „Ja, du bist Katholik und willst ans Meer, habe ich verstanden, aber ich bin nun mal hier in Oak City Utah, und hier gibt es nur Sand und einen Feuerwehrlöschteich, also willst du nun in die USA oder nicht?“) und dann landet man eben doch im Backwater im Bible/Farmbelt oder in einer Industriebrache - oder eben in Oak City in einer Mormonenfamilie, wenn sich überhaupt jemand findet. Da muss man halt mit klarkommen können. Es gibt halt auch nur so und so viele Runden, die man von einem Rep zum nächsten weitergereicht werden kann, wenn überhaupt, dann ist die Zeit der Suche eigentlich vorbei. Oder es bleiben Versuche übrig wie „neue Reps, neue Schulen, neue Gegenden“.

Alles andere ist Glück, ob Area-Rep oder potentielle Familie sich das wirklich anschauen und durchlesen, und dann auch darauf eingehen. Der eine oder andere Mitarbeiter, Anekdoten zufolge, soll in den HQs der US Austausch Orgs auch, genervt von den ausgedrückten Sonderlocken und Sonderwünschen schon mal den Wunsch nach den Great Lakes, NY, SF oder LA oder dem Meer damit beantwortet haben, die Classic-Bewerbung an einen Area-Rep in den Rocky Mountains geschickt zu haben. Ich bin mir sicher, das ist noch nie passiert.

Kein Wunder, dass sich auch hier ein Geschäftsmodell entwickelt hat, also muss man dafür zahlen, wenn es wirklich Florida sein soll etc. aber auch Wassersport o.ä. wird in den USA dennoch wesentlich weniger sichergestellt werden können als bspw. in New Zealand oder AUS. Man muss als Public School nehmen, was da ist.

Das „Bottleneck Schule“ taucht halt offiziell nicht auf, weil in den Schulbezirken, die bereits voll (oder zumindest für weitere Deutsche voll) sind, gar nicht erst nach Host Families gesucht werden kann. Trotzdem gibt es das, und je später gesucht wird, je mehr wird das logischerweise ebenfalls ein stark limitierender Faktor sein.

Denn normalerweise ist laut Vorgaben zwingend die Public High School im Wohnbezirk der vorgesehenen Gastfamilie ausschlaggebend, da gibt es keine weitere Auswahl, außer es liegen mal zwei High Schools im gleichen Bezirk umständehalber relativ dicht beieinander, nutzen ggf. die gleichen Schulbusse und werden vom gleichen Board of Education verwaltet; kommt nur in Städten in Frage und ist eher selten.

Spätestens jetzt muss also der Area-Rep schauen, wenn er es noch nicht getan hat, ob an der vorgesehenen High Plätze frei sind, bzw. ggf. ob es einen Platz für einen weiteren Deutschen gibt, falls schon jemand schneller war. In vielen Fällen achten die Schulen auf Vielfalt und lehnen mehrere Schüler aus einem Herkunftsland ab. Mit etwas Glück sind die Schülerzahlen des Vorjahrs niedriger gewesen und dann nimmt man doch noch mal vor Schulbeginn einen AS mehr auf, Platz ist dann da; aber nur, wenn auch ausreichend Lehrkräfte da sind, wenn die Schlüssel zu hoch sind, ist Aufnahmestopp. Oder das zuständige Board of Education hat für AS im Bezirk dichtgemacht. (Für neu in den Distrikt zugezogene US-Bürger müssen auch immer noch Plätze freigehalten werden.) Also, der Faktor Schule spielt da schon eine Rolle. Und wenn es wahr ist, dass der Trend ist, dass die Education Boards und High Schools die AS-Plätze limitieren und herunterschrauben, spielt das künftig auch eine noch größere Rolle als früher. Insofern denke ich, die „Werbe- und Social Media Agentur“ kann man sich in der Tat sparen und der knackige Einseiter tut es vermutlich :wink:

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Ich lese hier schon mehrere Monate mit und muss jetzt doch mal was schreiben.
Unsere Tochter wird ab August für 10 Monate in den USA sein. Seit letzter Woche wissen wir schon (vollkommen überraschend) wo es hingeht. Sie hat also schon Placement, Schulplatz, etc.
Die Gasteltern haben wir am WE das erste mal kennengelernt.
Sie haben sich die Bewerbung durchaus durchgelesen, das haben wir aus ihren Fragen an uns deutlich gemerkt.
Es war ein total nettes Gespräch. Die Gastmutter hat unserer Tochter auch gleich angeboten sich mit der Gastschülerin, die aktuell bei ihnen ist, zu vernetzen. Die Gasteltern haben erste Infos zum Leben dort gegeben, ab wann es den Stundenplan gibt und so grob welche Fächer zur Auswahl stehen und welches Sportangebot.
Nach unserem ersten Eindruck alles sehr transparent.
Mit unserer deutschen Organisation hatten wir auch noch Rücksprache gehalten, etc.
Also, ja - das ist natürlich alles im weitesten Sinn Reisevermittlung und das Personal bei den Agenturen ist dort angestellt und nicht ehrenamtlich tätig, auch die Area-Reps bekommen Geld und die Gastfamilien manchmal 500 $ als Prämie, aber das ist ja alles kein Geheimnis.
Wir haben ausserhalb der üblichen Klassenaustausche auch mal für 4 Wochen eine Gastschülerin aufgenommen und ich muss sagen, das ist schon auch anstrengend, wenn es kein Ausflugsprogramm von der Schule gibt. Deshalb Hut ab vor den Familien, die das ein ganzes Jahr machen. Ich finde es gut, dass es für Schüler die Möglichkeit gibt so lange ins Ausland zu gehen und den Alltag im jeweiligen Gastland erleben zu können. Dass das keine Abenteuerreise oder Urlaub ist, ist klar. Auch, dass es manchmal hart sein kann, v. a., wenn es mit der Gastfamilie einfach keine gemeinsame Basis geben mag. Und bestimmt haben auch einige Schüler*innen Dinge erlebt, die nicht sein sollten.
Trotz alledem erstaunt es mich wie unglaublich negativ das Ganze dargestellt wird.
Wir haben uns auch in München beim Amerikahaus zu den Austauschorganisationen erkundigt. Ich bin hier sehr freundlich beraten worden. Eine Empfehlung für bestimmte Organisationen wird nicht gegeben.

Hallo Verve,
worauf beziehst Du Dich bei der Einschätzung der „unglaublich negativen“ Darstellungen?
Hier beschreiben Betroffenen Schwierigkeiten, mit denen sie vorher nicht wirklich gerechnet haben und das verständlicherweise auch mal etwas emotional.
Mich haben auch einige Dinge kalt erwischt, die Dich vermutlich nicht betreffen, da ihr ja früh und schnell ein Placement bekommen habt (Glückwunsch). Die Ding, die ich gerne vorher gewusst hätte, werde ich hier in den nächsten Tagen posten.

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Hallo Tim 02,
naja Begriffe wie Menschenhandel usw. sind schon relativ starke Worte.
Auch zu den Kostenentwicklungen: Als ich mich Anfang der 1990er Jahre für ein USA-Jahr interessiert habe, hat das damals rd. 10.000 DM gekostet, würde man das auf 2025 indexieren, kommt man auf rd 10.000 bis 12.000 €. Visum musste man extra zahlen, wie das mit der Versicherung war, weiss ich nicht mehr.
Nach allem was ich weiss, war Schüleraustausch schon immer eine recht kostspielige Sache, ausser man war geeignet für ein Stipendium oder ist über Rotarier oder so an einen Austausch gelangt. Nach allem, was wir so verglichen haben, werden einem die Kosten offen aufgelistet.

Meine Cousins waren Ende der 80er Jahre in den USA, einer hat damals bei einer Familie in einem Trailerpark gewohnt. Dass früher alles besser war, kann ich nicht bestätigen. Durch die modernen Kommunikationsmedien sind wir ganz anders vernetzt.

Jedenfalls ist mein persönliches Resümee, dass einige Beiträge aus persönlichem (nachvollziehbaren) Ärger entstehen und daraus eine Generalabrechnung wird.

Ich weiss, dass unsere Tochter ihr Jahr noch vor sich hat und es kann auch für sie und uns schlecht laufen.
Trotzdem würde ich mir für einen Informationsaustausch mehr Objektivität wünschen.

Hallo Bernie, vielen Dank für Deinen informativen Bericht.
Was hier auch viele nicht wissen (ich wusste es vorher auch nicht). Der CSIET ist eine Organisation, welche ausschließlich von den US-Austauschorganisationen durch Mitgliedsbeiträge finanziert wird!. Man hat hier sozusagen den Bock zum Gärtner gemacht! Daher ist es auch fast unmöglich (auch bei schweren Verstößen und Vergehen gegenüber den Regeln und den ATS) die US-Austauschorganisationen zu maßregeln oder zur Rechenschaft zu ziehen.
Falls es jedoch überhaupt nicht mehr tragbar ist und die US-Austauschorga doch geschlossen werden muss wird einfach mit einem anderen Namen „neu“ gegründet (natürlich wird das gesamte ehemalige Personal 1:1 übernommen).
Deswegen ist CSIET gelistet für mich nur eine Aussage, dass hier eine Menge Geld für das „Gelistet sein“ geflossen ist und dies über die „Qualität“ bzw. Standards so gut wie garnichts aussagt.
Der CSIET weiß auch von den Verstößen und Vergehen der Mitarbeiter der US-Austauschorgas aber es wird nichts unternommen - warum wohl?
Auch wird gerne suggeriert, dass dies alles Non-Profit Organisationen sind, dann seht Euch mal die Steuererklärungen (anders als in D in USA öffentlich im Internet einsehbar) von denen an, dass sind Millionen- Dollar-Unternehmen.

Im Übrigen hat Kanada wegen der „Zustände“ bereits Konsequenzen gezogen und gibt 35% weniger „Study permits“ aus. Hier der Artikel vom Toronto Star vom Januar 2024

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Worte wie Menschenhandel kommen direkt aus dem USA. Von unserer Anwältin, von dortigen Menschen, die helfen wollen, weil sie das System von innen kennen!
Ware: Schüler, Währung: Geld

Und wie immer: ich gönne es dir und deinem Kind, dass alles gut läuft. Die meisten berichten ja nicht mal, weil sie Angst haben. Auf derselben Ebene-emotionale Erpressung- funktioniert übrigens Missbrauch.

Ach und übrigens: auch ein frühes Placement schützt nicht, wir hatten unseres auch Anfang Mai. Die Gastfamilie zieht immer dasselbe ab. Da war meine Tochter aber erst Nr 2.

Viel Glück, denn mehr ist es nicht :slight_smile:

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