Danke Birke! Wie soll denn entschieden werden, ob wer für ein ATJ geeignet ist, wenn nicht eine Orga in irgendeiner Form ein Bewerbungsverfahren durchführt? Und wenn du meintest, dass einfach alle Bewerber für ein ATJ, die von allen Orgas genommen wurden, in einen Topf kommen sollen, dann stelle ich mir auch das aus mehreren Gründen problematisch vor:
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nicht alle Eltern können ein ATJ finanzieren, weshalb Kinder, die zwar gerne fahren würden, es sich aber nicht leisten können, sich gar nicht im normalen Verfahren bei den Orgas bewerben würden-> damit wären sie gar nicht im Lostopf
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Es gibt ganz grundsätzlich zwei Arten von Orgas (und hier liegt auch der Hauptunterschied in den Auswahlkriterien): Kommerzielle und gemeinnütige Orgas.
Kommerzielle Orgas wirtschaften so, dass sie am Ende des Jahres einen Überschuss haben, den sie an die Gesellschafter ausschütten können oder den sie thesaurieren um mit dem Kapital im Unternehmen das Unternehmen vergrößern zu können. Hinter diesen Orgas steht das persönliche finanzielle Interesse der Mitunternehmer.
Gemeinnützige Orgas sind Vereine, die eben KEINEN Gewinn ausschütten und deren Mitglieder größtenteils ehrenamtlich ohne Aufwandsentschädigungen arbeiten. Erwirtschaftet ein solcher Verein einen Jahresüberschuss, so kann er einen Teil davon anlegen, z.B. in Immobilien oder Beteiligungen, um von diesem Wertbestand in schlechten Zeiten zehren zu können und den Betrieb aufrecht erhalten zu können, der weitaus größere Teil aber wird in Form von Stipendien wieder ausgeschüttet. (muss, sonst wird dem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt!)
Alle internationalen Organisationen aus allen Ländern buhlen auf dem amerikanischen ATS-Markt um die begehrten Plätze, die sie dann in Deutschland weitervermitteln können. Das ist nicht einfach, denn es geht um viel Geld und der amerikanische Staat begrenzt die Anzahl der vergebenen Visa, sodass es eine begrenzte Anzahl von Plätzen auf dem Markt gibt.
Kommerzielle Orgas lehnen nur dann Schüler ab, wenn sie weniger Plätze haben als sie vermitteln könnten und wenn dann ein Schüler potenziell mehr Arbeit bedeutet als ein anderer. Gemeinnützige Orgas gehen mehr nach der Persönlichkeit. Natürlich versuchen auch diese Orgas ihre Programme voll zu bekommen, aber nicht um jeden Preis. Und wenn ein Schüler sich gut präsentiert, aber nicht zahlungskräftig ist, dann kann er ein (Teil)Stipendium bekommen. Bei kommerziellen Orgas kann Unsicherheit der Zahlungen durchaus ein Ausschlusskriterium sein.
M.E. wäre es nicht gut, alle Kinder von allen Orgas in einen Lostopf zu werfen, da sie aus unterschiedlichen Interessen als geeignet befunden wurden.
- Das PPP ist, wie ich bereits mehrmals betont habe, kein normales Austauschjahr, sondern bringt bestimmte Pflichten mit sich, für die nicht jeder beliebige ATS geeignet wäre. Dazu gehört die öffentliche Präsentation des eingenen Landes und der eigenen Kultur sowie der Mut, vor vielen Menschen öffentlich zu reden. Nicht jeder bringt die Vorraussetzungen dafür mit.
Mal von diesen Punkten abgesehen, muss ich bernd Recht geben, auch bei den Orgas KANN im Austauschverfahren gemauschelt werden. Natürlich Kann es das geben. Genauso KANN es das bei den Abgeordneten und überall sonst auch geben. Das ist nicht ausgeschlossen und könnte auch bei einem großen Lostopf passieren. Es ist nur eine Sache des Gewissens.
Ja, ich leite die PPP Auswahlgespräche für normalerweise 3 WKs. Aber: wie ich auch schon mal geschrieben habe, ist es mir ein großes Anliegen, dass persönliche Interessen welcher Art auch immer, in meinem Zuständigkeitsbereich außen vor bleiben. Die Geschichten, die ich dazu zu erzählen habe, habe ich hier auch schon mal zum Besten gegeben. Mein Team hat eine wechselnde Zusammensetzung und besteht immer aus mindestens vier Personen, sowohl Männern als auch Frauen. Zu diesen Personen habe ich häufig nur während der Auswahl Kontakt, sodass wir alle unterschiedlich denken und verschiedene Lebenseinstellungen haben. Auch jüngere Rückkehrer sind im Team, allerdings sind diese meist nur zu “Anlernzwecken” dabei und sie haben nicht das Stimmgewicht, wie die Hauptjurymitglieder. In meinen Interviews wird grunsätzlich Deutsch und Englisch gesprochen und ich lege großen Wert auf soziale Kompetenzen und Allgemeinwissen. Soziale Hintergründe berücksichtige ich bei Leistungsgleichheit, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen und ich vermerke sie in den Gutachten, die ich schreibe.
Häufig diskutiere ich bis tief in die Nacht nach einem Interview mit den anderen Jurymitgliedern, wenn wir gemeinsam die Bewertungen entwerfen. Dabei bleibt es nicht aus, dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Bewerber bevorzugen. Das ist in x Studien auch schon für die Auswahl von Bewerbern im Beruf nachgewiesen worden, dass Menschen gerne solche Menschen aussuchen, die ihnen selbst ähnlich sind. Gegen soche unterbewussten Einflüsse kann ich mich nicht wehren, denn ich bin keine Maschine, Entschuldigung dafür.
Und hier noch eine Frage mit Brisanz: Mein Bruder ist 16 Jahre alt. Er möchte ins Ausland für ein Jahr, nach Amerika. Sollte er nun generell vom PPP ausgeschlossen werden, weil er mein Bruder ist? Er müsste sich nach der Wahlkreiseinteilung bei “meiner” Orga bewerben, bei der ich ehrenamtlich tätig bin. Natürlich habe ich mit der Auswahl für den WK nicht das geringste zu tun, in dem Jahr in dem er sich bewirbt. Meine Eltern kennen das Verfahren nur von außen, denn ich habe damals auch das PPP bei der Orga bekommen. Die damalige MdB gibt es aber nicht mehr, das macht jetzt wer anders. Die Personen, die bei der Orga die Bewerbungen durchsehen, kennen mich nicht und wissen wahrscheinlich auch nicht, dass ich dort ehrenamtlich tätig bin. Die Personen, die meinen Bruder im Interview hätten, kennen weder mich noch ihn.
Darf also mein Bruder sich jetzt für das PPP bewerben? Und wenn er es täte und das PPP tatsächlich bekommt, war das dann Mauschelei (denn der Vorwurf wird unweigerlich aufkommen, wenn bekannt ist, dass ich bei der betreffenden Orga ehrenamtlich tätig bin)? Wäre es nur deswegen ungerecht oder auch, weil ich das Stipedium schon hatte, es also zwei Mal in die gleiche Familie ginge? Wäre das fair gegenüber meinem Bruder, der ein eigenständiger Mensch ist, der das “Pech” hatte, als mein Bruder geboren zu werden? Denn wenn er nicht mein Bruder wäre, dann wäre es für ihn genauso fair oder unfair wie für alle anderen, wenn er das Stipendium nicht bekäme!
Ich bin sehr gespannt auf die Antworten und möchte noch die Bitte äußern, nicht zu pauschalisieren, sondern abzuwägen.
Viele Grüße
Becks