Hier die Stellungnahme des betreuenden Autors der Plus-Minus-Sendung
Antwort Eurovacances zu PlusminusHallo liebe Interessierte.
Als diesen Beitrag betreuender Autor kann ich das, was hier von Eurovacances vorgetragen wird, nicht so unkommentiert stehen lassen.
Das die Firma nicht “glücklich” mit unserer Berichterstattung ist, liegt wohl in der Natur der Sache. Aber hier werden einige Dinge doch recht einseitig dargestellt, andere entsprechen schlicht nicht der Wahrheit.
Zunächst einmal hat das US Sate Department dem WDR gegenüber überhaupt keine Erklärung abgegeben. Es ist richtig, dass zwei Telefonate mit dieser Institution stattgefunden haben, nachdem wir uns mehrfach im Zeitraum von zwei Wochen um ein Interview vor der Kamera bemüht hatten, jedoch nichts gehört haben.
Das eine Telefonat dauerte ca 2 Minuten und es wurde vereinbart, dass zwischen zwei Mitarbeitern des State Departments und der Redaktion des WDR ein OFF THE RECORD BACKGROUND GESPRÄCH geführt wird. Wie der Name schon sagt, ist
der Inhalt dieses Gespräches nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und stellt auch keine offizielle Stellungnahme dar. Es ist einfach nicht journalistisch verwendbar. Punkt aus.
Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass wir in Vorbereitung dieses Gespräches dem State Department unsere Belege für unsere Behauptungen übermittelt haben und keine 90 Minuten nach dem Telefonat Annabelle informiert wurde, dass sie innerhalb der nächsten Stunde die Koffer packen solle um zu der neuen Gastfamilie und Schule in Kalifornien zu reisen… - Ein Umstand, der zu diesem Zeitpunkt über vier Wochen ganz offenbar verzögert wurde. Soviel dazu.
Thema Schulgeld:
In der Tat hat die neue Schule zunächst ein Schulgeld gefordert. Wer sich mit dem US Schulsystem auskennt, weiß, dass dies eine “Kann-Bestimmung” und kein “Muss” ist. Es steht der Schule frei, z.B. auch völlig darauf zu verzichten. Wie bei vielen Dingen in USA ist dies nicht zuletzt auch davon abhängig, wie es “in den Wald hinein schallt”.
Doch auch dieses Hinderniss war schlussendlich überhaupt kein Hinderniss mehr, zumal Annabelles Eltern längst erklärt hatten, dass sie die 3.000 US $ Schulgeld, um die es sich letztendlich drehte, bereit sind für Annabelle vorzulegen (Annabelle hatte die Kosten der Reise vollständig selber finanziert).
Thema Minnesota:
Unterrubrik “Gastfamilien”: Ich denke auch hier ist eine etwas differenzierte Betrachtung notwendig. Zunächst einmal war es ja Annabelles Rep, zu der sie von Gastfamilie 1 umzog, die diese erste Familie ausgesucht hatte. Komisch, dass ihr dabei die hygenischen Umstände nicht aufgefallen sein wollen. Andererseits scheint auch diese Rep ziemlich “abgehärtet” zu sein, zumindest was das angeht, wohnt sie doch selber seit Monaten in einer “Baustelle”. Die Unterbringung bei der sogenannten “Notunterkunft” verstösst eigentlich gegen das Reglement, da Rep nicht gleichzeitig Betreuer und Gastfamilie sein darf, aber das dahin gestellt. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die “Einwilligungen”, die man von der minderjährigen und damit auch nur bedingt geschäftsfähigen Annabelle (und nicht von ihren Eltern) unterschrieben haben wollte. Annabelle weigerte sich diese zu unterschreiben. Spätestens an dieser Stelle wird auch einem Aussenstehenden klar, dass sich hier enorme Interessenskonflikte anbahnen und das dies nicht zuletzt auch negative Auswirkungen auf Annabelle haben kann, wenn sie weiterhin in diesem unmittelbaren Einzugs- und Betreuungsbereich der Partnerorganisation in Minnesota bleiben sollte. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass die Eltern auf eine Umplatzierung “möglichst weit weg” drängten. Ein Mittel, dass sonst in vergleichbaren Situationen schon von den Veranstaltern ohne grosse Umschweife angeboten wird, eben um einem eventuell “vorbelasteten” Jugendlichen eine unbelastete neue Situation zu bieten.
Schlussendlich hat ja hier nicht Annabelle einen Mist gebaut, sondern die von Eurovacances eingeschaltete Partnerorganisation vor Ort (nämlich unstreitig und sogar von EV akzeptiert in der Auswahl und Unterbringung bei der ersten Gastfamilie und dann der “Notunterkunft” in der “Baustelle” des Hauses der Local Rep.)
Gar nicht zur Sprache gekommen sind auch noch weitere klare “Mängel” des Vertrages mit EV. So z.B. hatte EV schriftlich zugesichert und auch Behörden gegenüber bestätigt, dass Annabelle an 5 Tagen in der Woche die High School besucht. Defacto ging Annabelle aber auf eine Schule, die nur an vier Tagen Unterricht durchführt. Aber auch das nur eine Nebensache.
Die letzte Gastfamilie in Minnesota, die Annabelle beherbergte, war eine sogenannte “Welcome Family”, also eine familie die nur temporär einspringt, solange bis eine endgültige Gastfamilie gefunden ist. Zufällig und erst einen Tag bevor dich der WDR bei Eurovacances zum Interview angesagt hat, erhalten Annabelle und ihre Eltern eine Mitteilung, dass die temporäre “Welcome Family” nun zur endgültigen Aufnahme von Annabelle bereit sei und somit endgültige Gastfamilie werden solle. Kleines Manko an der Sache war nur, dass dies gegenüber Annabelle so nicht kommuniziert wurde. Sie war dann auch ziemlich überrascht und widersprach uns gegenüber dieser Behauptung. Unstreitig handelt es sich um einen Pastor, der der sogenannten Assembly of God angehört. Das findet man übrigens gleich auf der US Internetseite zu dieser “Freikirchengruppe”:
MISSION
The Assemblies of God is committed to fulfilling a four-fold mission. Our primary reason for being is to:
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Evangelize the lost.
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Worship God.
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Disciple believers.
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Show compassion.
Andere Länder, andere Sitten, in den USA sind ja sogar Scientologen eine anerkannte Kirchengemeinschaft. Das ist bekannt und dennoch muss man es - so jedenfalls sehe ich das persönlich - in einem solchen Fall jedem Einzelnen (und in diesem speziellen Fall Gastschüler) selbst überlassen, ob er dort leben möchte oder nicht.
Thema Kommunikation:
Dem WDR liegen mehrere Schreiben von Annabelles Mutter vor, die EV auch bestätigt hat, erhalten zu haben. Ausweislich dieser Schreiben werden die weiter oben aufgeführten Missstände angemahnt und unter Fristsetzung um Abhilfe gebeten. Mehrfach haben wir die EV Prokuristin Frau Dettweiler-Wesner gefragt, wann und wie EV auf diese Schreiben reagiert hat und Sie gebeten die entsprechende Korrespondenz vorzulegen. Das konnte sie aber nicht, weil EV es schlicht versäumt hatte - den ordentlichen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr folgend - auf ein Schreiben unter Fristsetzung eben mit einem Schreiben zu reagieren. Uns wurde erklärt, es sei mehrfach telefoniert worden. Dies ersetzt aber kein Schreiben. Über die Inhalte der Telefonate wurden uns recht divergierende Dinge berichtet, die nicht im Einklang standen. Da dieser Sachverhalt sich somit unserer objektiven Betrachtung entzieht, können wir dazu auch nichts sagen. Tatsache bleibt: auf die zahlreichen Schreiben von Annabelles Mutter gab es nur eine schriftliche Antwort und die spricht davon, dass sich Ev dem “Imperativ” nicht beugen wolle. Dieser bezog sich auf die Aufforderung Annabelle zu der von den Eltern in Eigeninitiative gefundene neue Gastfamilie und Schule in Kalifiornien umzusiedeln. Die Aufforderung stammt übrigens von Anfang September 2010, letztendlich ist Annabelle erst am 9. Oktober umgezogen. Auch warum sich dies solange hingezogen hat, konnte EV uns gegenüber nicht plausibel erläutern und gab ausweichende Antworten, die einer Überprüfung nicht standhielten.
Schlussendlich sei angemerkt, dass sie sich jetzt - wie sie uns kürzlich mitteilte - sehr wohl fühlt, sowohl in der neuen Familie, als auch in der Schule.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass es unsere Aufgabe als Journalisten ist, über unsere Themen wahrheitsgemäss und ausgewogen zu berichten und den Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen. Es ist nicht unsere Aufgabe diese Sachverhalte zu bewerten, dass tun andere - letztendlich wohl Richter und natürlich jeder Zuschauer. Wir sind aber überzeugt davon, dass man sich bei aller Euphorie die dem Thema Schüleraustausch anhaftet, durchaus auch kritisch mit den "Schattenseiten beschäftigen sollte. Im Gegensatz zu Herausgebern von sogenannten Ratgebern, die sich zwar einerseits gerne als Journalisten und Experten ausgeben, andererseits jedoch nicht nur enge persönliche Kontakte zu Veranstaltern haben, sondern bei Bedarf auch deren “gemeinnützige” Einrichtung wie Gästewohnung oder Infrastruktur nutzen, stehen wir besonders bei der ARD lieber “zwischen allen Stühlen”. Dieser Platz ist da manchmal doch etwas besser.
Köln, den 20.10.2010
Tim van Beveren