Heute nun, ca. 3 Monate nach meiner Rückkehr (und ein wenig Abstand zu der Sache), möchte ich mal ein wenig von meiner Zeit in den USA erzählen. Man liest hier ja viel von Erlebnissen anderer ATS und ihrer Eltern, die ja nicht immer so toll klingen. Einiges, um nicht zu sagen Vieles, kommt mir bekannt vor.
Ich hatte recht früh von EF eine Gastfamilie in Ney (Ohio) zugeteilt bekommen, so dass ich glaubte, mich gut auf alles einstellen zu können. Wir schrieben E- Mails, chatteten über Messenger und Webcam und telefonierten im Vorfeld sogar einige Male. Wir kamen scheinbar recht gut miteinander klar, die Gastfamilie fragte mich nach meinen Vorlieben bei Freizeitaktivitäten, Essen und anderen Gewohnheiten und zu meiner großen Überraschung versprachen sie ohne mein Dazutun, auf all diese Dinge Rücksicht zu nehmen. Toll, dachte ich mir, in Amerika sind ja insbesondere die Essgewohnheiten völlig anders als bei uns, da wird es mir ja leicht gemacht. Natürlich war mir klar, dass auch ich mich anpassen müsste und dass es nicht immer nur nach meiner Nase ginge. Logisch, denn ich wollte ja das Leben dort kennen lernen… Dazu muss ich noch erwähnen, dass die Mitglieder meiner Gastfamilie doch recht “korpulent” waren, was auf “ein bestimmtes Essverhalten schließen” ließ. Da sie aber auch auf meine Kochkünste neugierig waren, durfte ich annehmen, dass es da keine Probleme geben würde, zumal sie ja auch nach meinen speziellen Vorlieben beim Essen fragten und sich darauf einzustellen versprachen. Die Gastmutter schrieb vorher einmal, sie würde als Ernährungsberaterin in einem Altenheim arbeiten…
Als ich dann dort ankam (ich wurde von der Gastmutter und der 8jährigen Gastsschwester abgeholt), war es zu meiner Überraschung ein kühler Empfang, was mich sehr verwunderte, da ich in der letzen E- Mail von der Gastmutter sogar angeboten bekam, dass sie mich bei Schwierigkeiten mit dem Flieger in Chicago sogar mit dem Auto abholen wollte. Dazu gab sie mir ihre Handynummer und sie hätte sogar eine dreistündige Autofahrt in Kauf genommen. Danach fuhren wir nicht nach Hause, sondern zur Oma. Ich wurde zwar aufgenommen, aber irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass ich störte. Na ja, aller Anfang ist schwer, dachte ich und ich war müde und alles würde sich schon einrichten.
Als wir dann nachts zum Haus der Gasteltern fuhren, stellte sich heraus, dass sie noch nicht mal ein Bett für mich hatten. Der Gastvater war nicht da, er musste die Woche über woanders arbeiten und kam immer nur am Wochenende.
In den nächsten Tagen war der Ablauf immer gleich. Spät aufstehen, essen, Fernsehgucken, telefonieren, eventuell Computer und wieder schlafen gehen. Zwischendurch wurde immer wieder viel gegessen, immer jeder für sich und man kam über Fastfood, Chips und Süßigkeiten nicht weit hinaus. Von allgemein gängigen Lebensmitteln war nichts zu sehen. Kochen durfte ich auch nicht. Ich langweilte mich furchtbar, ich wurde quasi ignoriert und auf meine Fragen, ob ich irgendetwas tun oder helfen könnte, bekam ich immer eine negative Antwort. Man ging nicht nach draußen, nur selten einkaufen und spät abends kam die Gastmutter einige Male auf die Idee, dass sie jetzt unbedingt die Verwandtschaft besuchen müsse.
Der Ton zwischen Gastmutter und ihrer Tochter war meistens sehr rau. Es wurde geschrieen, gezankt und geheult und ich immer dazwischen.
Ein paar Tage später stellten sich mir zwei mexikanische Damen als für mich von EF aus zuständig vor. Die ältere Frau, Dora, war augenscheinlich die “Rädelsführerin” und trat sehr herrisch auf. Ihr erster Satz zu mir war: “Alles, was vorher war in Deutschland, zählt hier nichts. Gewöhn dich dran, du bist jetzt hier.” Ich war baff und hielt mich aufgrund dessen sehr zurück. Andere ATS von EF, mit denen ich später in Kontakt kam, schilderten mir Ähnliches.
Sie konfrontierten mich allerdings noch mit ein paar Dingen, wie z.B. meiner Sportbefreiung, von der sie nur durch meine Gastmutter wissen konnten. Sie meinten, ich müsse in der Schule Sport mitmachen, da gäbe es keine Ausnahme, ich solle mich nicht so anstellen. EF-Deutschland wusste auch von meiner amtlichen Sportbefreiung und hier wurde gesagt, es würde keine Probleme geben, man nähme ganz sicher Rücksicht darauf. Fehlanzeige.
Sieben Tage nach meiner Ankunft hatte ich meine zweite Begegnung mit den IECs. Meine Gastmutter fuhr mich zu deren Haus (sie wohnten als Mutter und Schwiegertochter zusammen). Was ich dort sollte, wusste angeblich niemand, meine Gastmutter nahm an, ich solle den anderen deutschen ATS kennen lernen, der mangels eigener Gastfamilie hier wohnte (ich erfuhr später, dass der arme Kerl zusammen mit Dora sich im Wohnzimmer das Sofa zum schlafen teilen musste)!
Wie auch immer, ich ging rein und schon ging der Ärger los. Die jüngere IEC, Misty, fragte mich, wie es mir ginge und war zuerst recht umgänglich. Als dann die Dora herein kam, kippte die Stimmung und sie ergriff das Wort. Ich wurde gefragt, ob ich geäußert hätte, “dass alle Amerikaner dumm, fett und faul” wären. Außerdem wurde mir Magersucht, Unhöflichkeit und Faulheit vorgeworfen und dass ich mich weigerte, mich anzupassen. Ich fiel aus allen Wolken und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte! Ich war völlig durcheinander und konnte mir nicht vorstellen, wer so was behaupten könne. Eigentlich blieb ja nur meine Gastfamilie übrig, denn andere Kontakte hatte ich zu der Zeit noch nicht. Natürlich wies ich die Vorwürfe zurück, aber mir wurde nicht geglaubt. Später kam noch der deutsche ATS hinzu und wir unterhielten uns auf Deutsch, da der Rest seiner Gastfamilie auch zugegen war. Er wusste über die ganze Sache bescheid und sollte mich scheinbar ausfragen. Irgendwie kam mir das wie ein Kreuzverhör vor… Über ihn wusste ich ja auch ein paar Sachen, die man von ihm behauptete. Wie z.B. er würde auch nichts essen und hielte sich nicht an die Regeln. Als ich ihn danach fragte, konnte er das auch nicht bestätigen. War schon ein seltsames Spiel, was man dort mit uns trieb.
Später dann, holte mich meine Gastmutter wieder ab und schien von nichts zu wissen. Ich fragte sie geradeheraus, ob sie mit diesen Vorwürfen zu tun hätte. Sie bestritt alles vehement und behauptete sogar, dass man den IECs nichts glauben könne, weil sie nur lügen und hinterrücks wären.
Was soll man davon halten, ich war sehr verunsichert. Der Ton wurde mir gegenüber weiterhin frostiger und man sprach mit mir nur noch das Notwendigste.
Ich muss noch erwähnen, dass ich nach vier Tagen von dem Sofa im Wohnzimmer in das 13m² große Zimmer der Gastschwester umziehen “durfte”, der man ein neues ausziehbares Bett gekauft hatte, wo ich mit ihr zusammen drin schlafen sollte. Dass das neue Reibereien seitens der Gastschwester gab, muss ich wohl nicht noch extra beschreiben…
Drei Tage später unternahmen wir eine schon vorher von der Familie geplante Fahrt mit dem Auto nach Chicago (mit einer Übernachtung im Hotel) zu dem Musical “Wicked“. Das Musical war sehr schön, der Rest eher nicht. Für mich gab es im Hotelzimmer leider keine vernünftige Schlafmöglichkeit, sondern man bestellte eine Matratze für den Boden, auf der ich schlafen sollte. Alles war dort ziemlich schmutzig, wobei ich mich sehr unwohl fühlte. Der Fernseher lief die ganze Nacht und irgendwann um 3 Uhr morgens bestellte man sich den Zimmerservice, um mal wieder zu essen. Ich kam mir sehr überflüssig vor, denn kaum einer redete mit mir. Nur hörte ich vorher schon oft meinen Namen, wenn die Gastmutter telefonierte und die Reaktion einiger Familienmitglieder danach war nicht so, als wenn alles in Ordnung wäre.
Es wurde mir klar, dass ich schnellstmöglich die Gastfamilie wechseln musste! Dazu kam es dann aber vorläufig nicht…
Als wir am Sonntagabend dann Zuhause ankamen, wurde mir eröffnet, dass ich nebst Gastschwester zur Uroma der Familie solle, weil meine Gasteltern mit dem LKW meines Gastvaters auf Reisen wollten. EF wurde nicht informiert und ich konnte auch nicht viele Sachen mitnehmen. Von der Uroma wurde ich sehr freundlich aufgenommen und sie war die erste Person, die seit meiner Ankunft in den USA mir das Gefühl gab, willkommen zu sein. Ich durfte sogar mit meinen Eltern telefonieren, damit sie wüssten, wo ich mich jetzt befinde, da ja nicht abzusehen war, wie lange das alles dauern würde. Glücklicherweise fing die Schule ja noch nicht an, es waren noch Ferien.
Die Uroma wusste anscheinend über alle wichtigen Vorgänge um meine Person bescheid, was mich sehr verwunderte. Sie war auch der Meinung, dass ich bei meinen jetzigen Gasteltern nicht so gut aufgehoben wäre und sie steckte mir, dass es da noch jemanden aus der Familie gäbe, der für EF als Notfall-Gastfamilie fungierte. Als derjenige dann kam, fasste ich mir ein Herz und fragte ihn danach und ob ich eventuell von seiner Familie aufgenommen werden könnte. Zu meiner großen Freude sagte er nicht gleich nein, sondern rief seine Frau an, und da sie auch nichts dagegen hatte, nahm er mich gleich mit. Vorher rief er noch bei meiner IEC an, die den Wechsel erlaubte. Sie sagte aber, ich solle unbedingt bei der Zentrale in Boston anrufen, da mich die Chefin “Elisabeth” sprechen wolle. Das tat ich dann auch umgehend. Nur hatte ich mir das Gespräch doch etwas anders vorgestellt!!! Elisabeth verbot mit den Wechsel, erteilte mir eine strenge Verwarnung und ordnete an, ich müsse bei meiner ersten Gastfamilie bleiben, egal was komme. Daraufhin sprach mein “neuer” Gastvater mit ihr, schilderte die Vorgänge und sagte klar und deutlich, für wie ungeeignet er die Leute hielt, bei denen ich von EF derzeit untergebracht war.
Heraus kam auch, dass EF diese Gastfamilie überhaupt nicht geprüft hatte, so wie es eigentlich vorgeschrieben ist und uns auch in Deutschland versichert wurde.
Eine Sache noch: Meine Eltern wussten ja, dass es mir bei meiner Gastfamilie nicht so gut ging und ich gerne wechseln wollte. Daraufhin riefen sie bei EF-Deutschland an und fragten nach einer Möglichkeit. Man versprach ihnen, sich darum sofort zu kümmern. Dann muss es wohl so gewesen sein, dass EF Berlin in Bosten angerufen hatte, die wiederum meine IEC informierte und die meine Gastmutter anrief, so dass diese mich wiederum bei der Uroma anrufen konnte. (So ein Durcheinander!) Sie fragte mich ganz verwundert, ob ich ein Problem mit ihr hätte (nach all dem Stress!?) und warum ich denn die Familie wechseln wollte. Ich meinte dann, nicht ich hätte ein Problem mit ihr, sondern sie mit mir scheinbar. Dann sagte sie lapidar, dann solle ich eben gehen.
Am selben Tag fuhr mein neuer Gastvater dann mit mir zum Haus meiner “Ex”-Gasteltern, damit ich meine restlichen Sachen abholen konnte. Meinen Pass und weitere wichtige Dokumente hatte ich allerdings in einem Bankschließfach, das unter dem Namen meiner Gastmutter lief. Da sie ja nicht da war und sich auch danach einige Zeit weigerte, mit mir die Dinge abzuholen, konnte ich erst ca. zwei Wochen später mithilfe der IEC darauf zugreifen. Man musste meiner Ex-Gastmutter sogar mit dem Sheriff drohen, damit diese tätig wurde. Später dann stellte sich heraus, dass meine Gastmutter mehrmals am Tag bei meiner IEC angerufen hatte, um sich über mich zu beschweren, obwohl sie immer so tat, als ob es von ihrer Seite keinerlei Probleme gab und sich ganz erstaunt gab, was die Betreuer alles wussten.
Fazit ist, das waren 2 schlimme Wochen und auf die hätte ich gerne verzichtet. Dass EF hierbei nicht unschuldig ist, kann man aus meinem Bericht ersehen.
Übrigens schickte EF ca. 14 Tage später wieder einen ATS, diesmal aus Venezuela, zu diesen Leuten. Er hielt es genau zwei Monate dort aus und ich suchte ihm, weil keiner helfen wollte, eine neue Gastfamilie. Er musste sogar Kostgeld dort bezahlen, für Strom, Wasser und Essen. Als er dort weg war, hetzte man ihm die Polizei auf den Hals und behauptete, er hätte Diamanten und Schmuck geklaut. Natürlich fand man nichts, denn der ängstliche junge Mann wäre gar nicht dazu imstande gewesen, etwas zu stehlen. Verrückt so was… Positiv zu erwähnen wäre jetzt nur noch, dass sich die IEC Dora nach dieser Aktion bei mir quasi entschuldigte, weil sie nun einsah, dass nicht ich es gewesen war, die Probleme machte, sondern die Gastmutter sehr ungeeignet war, die Verantwortung für einen ATS zu übernehmen.
Nun zog ich also von Ney nach Defiance um. Mein neuer Gastvater war erst 25 Jahre alt, seine Frau 24 und sie hatten einen kleinen süßen Jungen. Die Familie (Oma, Opa usw.) nahm mich sehr nett auf, ich wurde überall “herumgezeigt” und alles lief gut. Mein Gastvater arbeitete als Mathelehrer auf einer High School, auf der er mich umgehend anmeldete. Auch dort wurde ich sehr nett aufgenommen, was auch wohl ein wenig daran lag, dass ich mich für alles und jeden offen zeigte und weil ich mich recht gut verständigen konnte, was besonders den Direktor und einige Lehrer sehr freute. Deshalb und aus anderen Gründen, durfte ich auch gleich in die 12. Klasse einrücken, statt wie einige andere ATS eine Stufe tiefer. Mein Start in der Schule war gut, ich fand schnell Anschluss an Lehrstoff und Schüler.
Privat lief alles recht gut an, ich durfte sogar den Führerschein machen und dafür auf die Versicherung meiner Gasteltern. Einige kleinere Familientreffen folgten, wir fuhren angeln, baden und auch mal shoppen.
Nun ja, irgendwann kam dann der Alltag und damit die ersten Probleme. Mein Gastvater ärgerte mich oft absichtlich und recht häufig und war mir dann böse, wenn ich mich wehrte. Meine Gastmutter zeterte auch ganz gerne mal herum, meist ging es dabei um Nichtigkeiten, die Zwei hatten wohl auch nicht wenig Probleme miteinander. Er hielt sich für den großen Macher und alle anderen mussten kuschen, inklusive seiner Frau, die sich dann wiederum an mich hielt, wenn es ums Abreagieren ihres Frustes ging. Ich hatte anfangs versucht, mich voll in die Familie zu integrieren, auch bot ich an, einige Pflichten im Haushalt und Drumherum zu übernehmen, was aber weitgehend abgelehnt wurde. Ich sollte nur mein Zimmer ordentlich halten, was ich auch tat. Nun merkte ich aber, dass sich langsam einiges änderte. Ich sollte auf Zuruf bestimmte Sachen erledigen, wobei es in den meisten Fällen um sehr unangenehme Arbeiten ging. Die Familie hatte zwei große Hunde, die sie im Haus hielt und die oft mit dreckigem Fell überall herumlagen, oder in die Ecken “piselten”, weil sie nicht rechtzeitig nach draußen geführt wurden. Der Wohnzimmerteppich (in weiß!!!) war schon ziemlich keimig, weil alle Welt mit Straßenschuhen ins Haus ging und die Hunde eben auch nicht sauber waren. Ich wurde halt dazu abgestellt, solche Säuberungsarbeiten zu erledigen. Den Rasen nach dem Mähen zu harken (obwohl man an den Aufsitzmäher einen Beutel hätte anbringen können, womit sich das Harken erübrigt hätte), oder den vielen Schnee im Winter weg zuschieben, oder im Herbst die Blätter vom Grundstück zu entfernen, das waren so Dinge, die ausschließlich ich zu tun hatte, obwohl alle im Haus herumsaßen und mir auch hätten helfen können. Von der Gastmutter wurde eine Liste erstellt, welche Arbeiten im Haus vom Gastvater und mir zu erledigen waren. Wer die Arbeit dann machte, war ich, denn mein Gastvater saß lieber am PC, oder guckte Fernsehen. Man ließ mich auch mehr und mehr an den Wochenenden alleine, besuchte Freunde und die Familie (die mich auch kannten) und der allgemeine Ton wurde kühler. Auch schob man mich ganz gerne mal in die Kirche ab, wo sie Mitglied der Gemeinde der Baptisten waren. Dort musste ich mich meist um kleine Kinder von Gemeindemitgliedern kümmern, was ich ehrlich gesagt auch mal ganz gerne tat, oder ich nahm (unfreiwillig) an den Bibelstunden teil. Ja klar, dort gehört derartiges zum Leben dazu und ich war auch anfangs nicht böse darüber, dass ich auch diese Seiten kennen lernen konnte. Aber wenn man sich abgeschoben fühlt, macht so was auch keinen richtigen Spaß mehr.
Da ich zwischenzeitlich mal ein wenig Heimweh hatte, verbot man mir rigoros, mit meinen Eltern zu telefonieren (was ich gar nicht so oft tat) und ich durfte nur noch 1x in der Woche für eine halbe Stunde an den PC, um E- Mails zu schreiben. Vorher sagte aber meine Gastmutter schon mehrmals zu mir, dass sie so was wie ein Auslandsjahr nie machen könne, weil sie es nicht aushalten kann, auch nur einen Tag lang ohne die Nähe zu ihrer Mutter zu sein. Tja, von mir verlangte sie es dann knallhart.
Einmal trug es sich zu, dass meine Gastmutter mal zwei ganze Wochen gar nicht mit mir sprach und mich ignorierte, nur weil sie mit ihrem Mann nicht klar kam. Die Beiden hatten Stress miteinander und ich, der kleine Sohn und auch die Hunde haben es zu spüren bekommen. Es wurde oft geschrieen.
In der Schule fiel mir so nach und nach auf, dass mich manche Leute komisch ansahen, tuschelten und mich mieden. Der Grund stellte sich dann heraus, als mich jemand mal ansprach, ob ich denn wisse, was mein Gastvater so über mich in seinen Mathestunden erzählte und ob das alles wahr wäre. Er nannte mir ein paar Beispiele dazu, was bei mir die Alarmglocken zum klingeln brachte! Mein Gastvater machte sich einen Spaß daraus, irgendwelche Geschichten über mich zu erzählen, wie ich z.B. bestimmte (eklige) Arbeiten im Haus erledigen müsste, was mein Tagesablauf zuhause so war (was sollte denn daran so lustig sein???) , wenn ich mal einen Fehler machte und manchmal ließ er sich auch irgendwelche Märchen einfallen, nur damit er was zum Besten geben konnte und als cooler Witzbold dastand. Und jetzt kommt es: Zwei Lehrerinnen der Schule fragten mich allen Ernstes, ob es denn sein könne, dass mein Gastvater verknallt in mich wäre?! Da wurde mir einiges klar, so nach dem Motto, ich kann sie nicht bekommen, also mach ich sie auch woanders schlecht. Na ja, mein Gastvater ist ein ziemlicher Macho, bei Frauen benahm er sich meist auffällig und was ich dann sonst noch so hörte… Na ja, ist zu privat, ich möchte es ihm nicht gleichtun, indem ich mich unangemessen über ihn verbreite. Nun, da ich jetzt wusste, was da läuft, stellte ich meinen Gastvater zur Rede, was ihn wohl sehr amüsierte. Er machte auch weiterhin in der Schule seine Späße über mich… Nicht nett, finde ich. Vielleicht war er doch noch nicht so reif wie er immer tat…
Jetzt noch ein paar Worte zu anderen Dingen: So nach und nach ging man dazu über, den Kühlschrank nicht mehr regelmäßig zu bestücken, man fuhr lieber woanders essen, natürlich ohne mich, obwohl ich bei so was sowieso immer für mich alleine zahlen musste… Hingegen bei den Verwandten war es völlig anders! Überall sah man mich gerne, man lud mich ein und versuchte mir Gutes zu tun. Dort fühlte mich immer sehr wohl.
Als also die Lebensmittellage im Hause N. enger wurde, musste ich mich quasi alleine versorgen. Na ja, jeder macht’s eben anders, nur komisch war das schon, irgendwie nicht mehr dazuzugehören.
Als im März meine Gastmutter schwanger wurde, musste ich sämtliche Arbeiten im Haus und Außen alleine verrichten. Sie meinte, sie sei schwanger und könne nicht mehr helfen. Dann sagte sie später mal so nebenbei, dass sie das schwanger sein toll finde, weil sie nichts mehr zu machen bräuchte. Ich sollte aber unter keinen Umständen dem Gastvater davon erzählten, denn der war sowieso schon sauer genug, weil er eigentlich keine neuen Kinder mehr haben wollte. So pendelte ich seit vielen Wochen emotional zwischen den Beiden als Spielball hin und her.
Alle meine Außenaktivitäten musste ich die letzten Monate allein bewerkstelligen, außer die Fahrschule. Glücklicherweise fühlten sie sich dort immer noch irgendwie mir gegenüber verpflichtet. Dafür muss ich ihnen echt dankbar sein…
Aber einen sehr netten Menschen habe ich doch kennen gelernt… Meine Kunstlehrerin!!! Ich war gerade in den letzten Monaten meines USA-Aufenthaltes sehr oft Gast bei ihr und ihrer lieben Familie. Wir unternahmen viel zusammen, z.B. ein spannendes Flussabendteuer im Kanu, eine Fahrt in die beeindruckenden Kalk- und Tropfsteinhöhlen irgendwo in Ohio, oder Basteleien im privaten Kreis. Die Frau hat was drauf, das kann ich euch sagen! Ich bin mir sicher, das ist eine Freundschaft fürs ganze Leben. Sie will mich auch hier mal besuchen… Ich freue mich schon sehr darauf.
Übrigens war auch ein anderer Gastschüler von EF immer mit dabei, der Miguel aus Venezuela. Das war der junge Mann, dem ich half, eine neue Gastfamilie zu finden, als er bei der Familie aus Ney Probleme bekam, wo auch ich anfangs strandete.
Nun ja, meine Zeit näherte sich dem Ende zu und ich kann sagen, dass es eine sehr interessante und lehrreiche Zeit war. Emotional allerdings bin ich oft sehr enttäuscht worden, ich kann es nicht verstehen, wie man sich einen Gastschüler von weit weg in seine Familie holt und ihn dann nicht ordentlich behandelt und versorgt. Sogar ganz zum Schluss noch konnte sich kaum einer durchringen, mich zum Flughafen zu bringen. Der Gastvater verabschiedete sich von weitem mit einem “see ya” und die Gastmutter konnte sich erst im letzten Moment entscheiden, mich doch zum Flieger zu bringen.
Um den kleinen Sohn tut es mir allerdings sehr leid. Er ist mir in der Zeit sehr ans Herz gewachsen und ich ihm auch. Was er wohl jetzt macht…
Abschließend noch ein paar Worte zu EF:
Die Vorbereitung in Deutschland war hervorragend, alle waren sehr nett und hilfsbereit. Mir haben sämtliche Vorbereitungsveranstaltungen und Treffen sehr viel Spaß gemacht und ich konnte zu den Mitarbeitern einiges an Vertrauen aufbauen.
EF-USA trennt davon Welten! Die Mitarbeiter, mit denen ich Kontakt hatte, hinterließen bei mir einen sehr inkompetenten und pädagogisch ungeschulten Eindruck. Man hatte außerdem das Gefühl, sie betrachteten einen nur als Ware, mit der man Geld verdienen konnte. So wurden mir z.B. Reisen angeboten, auf eine Art und Weise, die wohl eher einschüchtern und keinen Widerspruch zulassen sollte. Anstatt zu fragen, setzte man quasi voraus, dass der Schüler teilnahm und tat empört, als ich um Zeit zum überlegen bat. Zugesagt hatte ich allerdings schon zu einer Städtereise nach Chicago, die wir im Winter machten. Dora, die jetzt nach meinem Familienwechsel doch für mich verantwortlich war (vorher tat sie ja schon so, aber es war dann doch ihre Schwiegertochter Misty, wie sich herausstellte) und besagte Misty fuhren mit uns (ca. 25 Schüler) mit dem Bus nach Chicago, wo sie uns inmitten von Schneetreiben und -20°C irgendwo absetzten. Sie sagten, dass wir in genau 7 Stunden wieder da sein sollten und weg waren sie samt Bus. Da standen wir nun in einer fremden Millionenstadt ohne Kenntnisse und wussten nicht wohin. Glücklicherweise durfte man wegen genug Platz im Bus noch jemanden seiner Wahl mitnehmen, weshalb eine Freundin aus meiner Schule dabei war, die sich allerdings auch nicht in Chicago auskannte. Na ja, wir froren uns dann von Laden zu Laden, auf der Suche nach Wärme (hört sich theatralisch an, war aber so) und bewegten uns in der Angst, den Platz nicht wieder zu finden, an dem der Bus anhalten sollte, im kleinen Radius umher. Somit sahen wir letztendlich von der Stadt nicht viel und waren dementsprechend enttäuscht.
Dass ich dann aus Angst, die nächste Reise z.B. nach Florida oder New York könnte ähnlich ablaufen, keine weitere Reise mehr bei den EF-Mitarbeitern buchen wollte, dürfte verständlich sein. Da würde man sich dann noch viel mehr ärgern, denn die Reisen waren nicht gerade billig.
Erwähnenswert wäre noch, dass mir Dora einmal angeboten hatte, wenn ich eine Gastfamilie für einen anderen Schüler organisieren würde, ich 50$ von EF dafür bekäme. Nun, die 50$ waren mir zwar nicht so wichtig, aber allein der Umstand, dass ich sie nie bekam, als ich für den Miguel aus Venezuela eine Gastfamilie fand, ärgerte mich schon einigermaßen. Übrigens hat man die von mir für Miguel gefundene Hostfamily auch nicht überprüft, sondern man setzte ihn dann einfach vor der Türe ab und ging überhaupt nicht mit hinein. Wenn EF in den USA so arbeitet…
Dann eben noch mal zu meiner Erfahrung mit der EF-Chefin Elisabeth aus Boston, die mich derart mies behandelte, nur weil ich meine Gastfamilie wechseln wollte, ja musste - so was kann ja wohl nicht sein, oder? EF-Deutschland versprach uns hier bei Problemen sofort zu helfen und bei EF-USA war das nichts wert. Derartiges liest man in den Foren aber oft, also wird es wohl gängige Praxis sein, so mit den Schülern umzugehen. Übrigens hatte man in Boston nach den Problemen in meiner ersten Familie und meinen angestrebten Wechsel, schon ein Rückflugticket gebucht… Als ich dann dank der Hilfe meines zweiten Gastvaters doch wechseln durfte, wurde mir knallhart gesagt, dass so was nicht ein zweites Mal geduldet würde und ich nach Hause geschickt werde. Finde ich nicht lustig und schon gar nicht professionell.
Fazit:
Ich meine, EF hat immensen Nachholbedarf, was die Zusammenarbeit in den verschiedenen Ländern angeht, was die Qualität betrifft und auch bei der Einhaltung der gegebenen und teilweise schriftlich zugesicherten Vertragskriterien, wie z.B. der Umgang des EF-Personals mit den ATS, unkomplizierte und schnelle Hilfe bei Problemen und insbesondere auch bei der vorgeschriebenen Überprüfung und umfangreichen Durchleuchtung der Gastfamilien, auf ihre Eignung. Meine beiden Hostfamilies wurden, so zumindest die Aussage meines zweiten Gastvaters, nicht polizeilich und pädagogisch abgecheckt. Die EF-Mitarbeiter vor Ort arbeiteten auf Zuruf, “da kenne jemand Jemanden und der würde sich eventuell bereit erklären und der sei schon in Ordnung…”, oder man kannte sich vom sehen und meinte, es würde schon glatt gehen. Allein 5 Fälle sind mir persönlich bekannt geworden, in denen die Gasteltern den ATS bereitwillig davon erzählten, dass man sie nicht sonderlich überprüft hätte. Ich glaube das ehrlich gesagt auch, denn wie sollte es sonst passiert sein, dass z.B. meine erste Gastfamilie quasi überredet werden musste und dann noch nicht mal ein Bett für mich hatte und ich danach lediglich das 13m² große Zimmer meiner minderjährigen Gastschwester bewohnen durfte und mit ihr zusammen in einem ausziehbaren Bett schlafen musste?!
Nein, EF hier in Deutschland hat sich so viel Mühe bei der Vorbereitung gegeben und dann das Desaster im Gastland… Und ich bin kein Einzelfall.
Die Gastfamilien sollten sich darüber im Klaren sein, dass ausländische Jugendliche kein Spielzeug sind, die man, nachdem man ihrer überdrüssig geworden ist, beiseite legen kann, sondern dass man die Verantwortung für lange Zeit für sie übernommen hat und sich verdammt noch mal auch dazu zu bekennen sollte.
Und jetzt zu der alles entscheidenden Frage, ob ich es noch einmal wagen würde, ein Austauschjahr im Ausland zu machen:
Ja, würde ich. Erstens kann es ja nicht überall schlecht sein, man hört ja hin und wieder von positiven Berichten und zweitens, habe ich jetzt viele Erfahrungen gesammelt, die ich mir zunutze machen kann. Ich würde mir keineswegs noch mal “die Butter vom Brot klauen lassen” und mich noch mehr wehren, wenn mir jemand übel mitspielen wollte! Es waren wichtige Erfahrungen für mein Leben, ich habe wirklich liebe Menschen kennen gelernt, aber auch jede Menge Leute, die es nicht gut mit mir gemeint haben.
Ich habe meine Ziele weitgehend erreicht, z.B. einen High School Abschluss mit guten Zensuren, habe die Sprache perfektioniert, einen Führerschein gemacht und das amerikanische Leben und nette Menschen kennen gelernt.