Sylvia Schill, Autorin des Buches „Ein Schuljahr in den USA“ im Interview für den dpa Themendienst, Juli 2008
dpa: Wie stehen Sie bei verkürzter Schulzeit zum Auslandsjahr? Sollte man sich überhaupt noch die Zeit nehmen? Wenn ja, wann und warum gerade dann?
Sylvia Schill: Gerade in der heutigen Zeit, wo die Globalisierung das Leben - beruflich wie privat - eines Einzelnen immer stärker beeinflusst, sollten Schülerinnen und Schüler sich die Zeit nehmen, in der 10. oder 11. Klasse (Altersbeschränkung: nicht jünger als 15 nicht älter als 18 Jahre bei der Abreise) ein Auslandsschuljahr zu absolvieren. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, die nur in diesem Zeitraum genutzt werden kann. Alles andere (Au-Pair, Studienaufenthalt) unterscheidet sich stark. Mit 16, 17 Jahren sind die Jugendlichen in einem Alter, wo sie sowohl die Sprache intuitiv erlernen können als auch die nötige Flexibilität haben, sich in ein neues Umfeld einzuleben. Unbedingt sollten Schüler ein ganzes Jahr gehen, nicht ein halbes. Nach einem halben Jahr hat man sich eingelebt, Freunde gefunden und ist in der Sprache sicher. Es fängt an, richtig schön zu werden und da ist die Abreise nach 6 Monaten ein Bruch. Das ist auch die Erfahrung und Meinung der Schüler, die nur ein halbes Jahr ins Ausland gegangen sind. Das Auslands-Jahr verleiht nicht nur der Sprach-Note Auftrieb, sondern hilft auch nach der Schule - eine vernünftige Option auf die Zukunft. International agierende Konzerne legen Wert auf Auslandserfahrung, interkulturelle Kompetenz sowie Eigeninitiative. Fähigkeiten, die ansonsten später mühsam in Seminaren trainiert werden müssen - beim Schüleraustausch dagegen „nebenbei“ erlernt werden.
dpa: Mit Versuch auf Anerkennung oder als Zusatzjahr betrachten?
Sylvia Schill: Das ist von der individuellen Situation abhängig (wie gut der Schüler in der deutschen Schule ist, wie die Richtlinien seines Bundeslandes gestaltet sind). Ich empfehle, im persönlichen Gespräch mit der Schule im Vorfeld zu klären, ob eine Möglichkeit der Anerkennung besteht und welche Fächer möglicherweise dazu im Ausland belegt werden müssen. Jedoch sollten die Schüler und die Eltern sich darauf einstellen, dass das Schuljahr unter Umständen wiederholt werden muss.
dpa: Gibt es auch Schüler die aufgrund Ihrer Leistungen vom Auslandsjahr absehen sollten?
Schüler, die versetzungsgefährdet sind, werden es schwer haben, einen Platz für ein Auslandsschuljahr zu bekommen. Sie werden in der Regel von den Austauschorganisationen abgelehnt oder ihnen wird geraten, noch ein Jahr zu warten, um die Leistungen zu verbessern. Da das Auslandsjahr kein Urlaubsjahr ist und auch an der Schule im Gastland durchschnittliche Leistungen erbracht werden müssen, sollten Schüler, die sich nicht zum Lernen motivieren können, überlegen, ob sie für ein Austauschjahr geeignet sind.
dpa: Eventuell wollen die Länder in einigen Jahren umsetzen, dass es trotz der verkürzten Schulzeit nochmals wieder in der 11. Klasse möglich sein soll, ins Ausland zu gehen. Wie stehen Sie dazu?
Sylvia Schill: Die Länder müssen bis 2011 eine mögliche Anerkennung umsetzen. Die Kultusministerkonferenz verabschiedete am 2. Juni 2006 die neue Vereinbarung zur gymnasialen Oberstufe. Diese sieht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes von Schülerinnen und Schülern während der Qualifikationsphase, also den letzten vier Schulhalbjahren, vor, um damit die Mobilität der Jugendlichen nicht nur innerhalb Deutschlands sondern in Europa und der weiteren Welt zu erhöhen. Die Vereinbarung kann ab sofort angewandt werden, muss in den Ländern aber spätestens bis 2011 umgesetzt sein.