Interview Mick Petersmann, Geschäftsführer AFS: Asien als Austauschziel

Mick Petersmann, Geschäftsführer AFS Interkulturelle Begegnungen e.V.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Asien für den Schüleraustausch?
Die Bedeutung Asiens im Schüleraustausch nimmt spürbar zu. Lange Zeit waren Australien, Neuseeland und die USA für viele die einzig vorstellbaren Austauschländer. Seit einigen Jahren entdecken jedoch immer mehr Menschen, dass Asien eine überaus spannende Region für eine Vielzahl unterschiedlichster Interessen ist. Dort mischt sich einerseits eine Fülle von höchst unterschiedlichen, Jahrtausende alten, Kulturen und grundlegenden Lebensphilosophien mit High-Tech-Industrie und Aufbruchstimmung. Vor diesem Hintergrund entdecken Schüler und Eltern, dass ein Asienaufenthalt nicht nur die persönliche Entwicklung immens bereichert, sondern auch hervorragende Möglichkeiten und Chancen für die zukünftige berufliche Entwicklung bietet. Viele der Schüler wollen daher bewusst ein für sie vollkommen neues Land entdecken und dabei interkulturelle Kompetenzen entwickeln sowie eine völlig neue Sprache lernen.

Gibt es einen Trend zu / bei asiatischen Ländern?
Unsere Bewerber- und Teilnehmerzahlen für asiatische Länder wachsen in den letzten Jahren merklich an. Dies liegt unter anderem daran, dass wir unseren Interessenten von Anfang an auch die jeweiligen Vorteile eines Aufenthalts in verschiedenen Ländern und Regionen darlegen und mit unseren Kooperationspartnern, wie beispielsweise der Stiftung Mercator und der Robert Bosch Stiftung, jedes Jahr gezielt Schülerstipendien anbieten, die einen Anreiz für Asien schaffen. Darüber hinaus stellt sich ein gewünschter Effekt ein – Austauschschüler und Stipendiaten kehren aus ihren asiatischen Gastländern zurück, berichten über ihre Erfahrungen und regen andere Schüler an, sich mit der Region zu befassen.

Welche Länder werden von Ihren Bewerbern besonders nachgefragt?
Zwei asiatische Länder stechen deutlich hervor – China und [URL=„http://www.schueleraustausch.de/forum/forumdisplay.php?f=196“]Malaysia. China gewinnt zunehmend globale politische und wirtschaftliche Bedeutung, ist aber vielen westlichen Menschen noch relativ unbekannt. Unsere Schüler wollen entdecken, wie China wirklich ist und gleichzeitig die Sprache erlernen, um so zusätzlich ihre beruflichen Perspektiven zu verbessern. Malaysia ist ein Geheimtipp für alle Schüler, die unbedingt Englisch sprechen wollen, aber nicht auf die exotischen Erfahrungen in Asien verzichten möchten. Da Malaysia bis 1957 britische Kolonie war, ist Englisch noch heute zweite Muttersprache; viele Unterrichtsfächer werden in dieser Sprache angeboten. In den letzten Jahren mussten wir die Plätze für Malaysia immer wieder aufstocken, weil es so viele Bewerber gab.

Gibt es Länder, die Sie besonders empfehlen? Und wenn ja, warum?
Neben den bereits genannten Ländern China und Malaysia würde ich Interessenten die Türkei ans Herz legen – denn hinter dem Bosporus beginnt Asien. Das mag in Deutschland zunächst überraschend klingen, aber unsere hiesigen Alltagserfahrungen sind nicht mit dem realen Leben in der Türkei und den Bildern, die wir uns gemacht haben, vergleichbar. Und gerade in Bezug auf die größte Migrantengruppe in Deutschland ist etwas mehr Völkerverständigung und -verständnis sicher von Nutzen.

Was lernt bzw. erfährt ein Jugendlicher in Asien, was er beispielsweise in den USA oder Lateinamerika nicht lernen kann?
Ein Auslandsaufenthalt bedeutet auch, seine eigenen Vorstellungen zu hinterfragen, mit neuen Werten und Normen konfrontiert zu werden und die für eine Kultur richtigen Verhaltensweisen zu erlernen und zu reflektieren. Die kulturelle Distanz zwischen Deutschland und Asien ist im Unterschied zu den Ländern in Nord- und Lateinamerika – beide gehören zum christlichen Kulturkreis – größer. Hieraus entstehen häufig intensivere und zahlreichere Chancen, sich persönlich und kulturell weiterzuentwickeln. Vor allem die Art der Kommunikation, die Rolle von Familie und Schule sowie das Denken in großen Zusammenhängen unterscheiden sich deutlich.

Muss ein Jugendlicher für den Austausch mit einem asiatischen Land besondere Fähigkeiten oder Eigenschaften mitbringen?
Nein, unsere Anforderungen unterscheiden sich nicht von anderen Austauschländern. AFS erwartet von seinen Teilnehmern, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen, sich in neue Situationen zu begeben und Durchhaltevermögen bei Herausforderungen durch die neue Kultur zu zeigen. Wir erwarten keine sprachlichen Vorkenntnisse. Unsere Teilnehmer werden darüber hinaus an drei Wochenenden intensiv auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet.

Welche Förderprogramme gibt es für Schüler, die ein Schuljahr in Asien verbringen möchten?
Seit nunmehr zehn Jahren kooperieren wir mit der Stiftung Mercator aus Essen. Wir bieten gemeinsam Stipendien für Schüler an, die sich für einen Aufenthalt in China, Indonesien, Malaysia oder der Türkei interessieren. Kriterium für die Bewilligung eines Stipendiums ist die finanzielle Ausgangslage der Familie. Vor allem Schüler aus Nordrhein-Westfalen haben eine erhöhte Chance auf eines der Stipendien, da der Schwerpunkt des Stipendienprogramms auf diesem Bundesland liegt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Stipendienprogramme, die bundesweit den Austausch mit Asien fördern.

Ist die völlig andersartige Sprache für die Jugendlichen ein großes Hindernis?
Sowohl für Eltern als auch für Schüler, scheint es schwer vorstellbar zu sein, eine Sprache wie Chinesisch zu erlernen. Aber es geht. Der Grund hierfür liegt in der anderen Art des Lernens. Stellen Sie sich vor, Sie kommen am Flughafen in Peking an. Alles ist Chinesisch. Und von da an geht es immer so weiter. Ihre Gastfamilie, Mitschüler, Lehrer sprechen alle Chinesisch. Schalten Sie das Radio ein oder lesen Sie ein chinesisches Jugendmagazin, wird das gleiche passieren. Unsere Austauschschüler können, wenn sie nicht gerade ihren Alltag im Internet-Chat verbringen, der Sprache nicht entkommen. Nach kurzer Zeit können sie sich verständigen und kommen in der Regel mit einem umfassenden Wortschatz zurück.

Ist die Abbrecherquote bei solch exotischen Ländern höher als bei anderen?
Falls ein Schüler sein Austauschjahr abbricht, hat dies fast ausschließlich persönliche Gründe, etwa anhaltendes Heimweh oder familiäre Entwicklungen in Deutschland. Bei kulturellen Gründen können wir keinen Trend für bestimmte Länder feststellen.

Herr Petersmann, wir danken für das Gespräch.

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