Indien- Die richtige Entscheidung?!

Hallo.
Ich möchte bald für ein Jahr ins Ausland und überlege schon sehr lange wohin.
Ich interessiere mich sehr für Indien und finde es aus der Ferne faszinierend.
Ich wollte also mal fragen, ob jemand, der da war oder ist, mir sagen kann,
ob er/sie die Entscheidung bereut,
was so die größten Probleme waren mit denen er/sie gekämpft hat,
ob es leicht war die Sprache zu erlernen,
ob die Menschen freundlich waren,
wie die Schule dort so ist,
wie der Alltag
und wenn ihr ein Auslandsjahr dort empfehlen würdet.
etc. etc.

Es wäre toll, wenn ihr mir auf einige der Fragen antworten könntet.

Hallo Josy!

Ich selbst war zwar noch nie als Austauschschüler in Indien, aber einmal als normaler Reisender. Indien ist wunderschön, das ist ganz außer Frage. Vor ein paar Monaten haben wir sogar noch überlegt, ob ich auch nach Indien gehe, ich habe mich dann aber ziemlich schnell und eindeutig für die USA entschieden. Bei mir wäre es allerdings auch kein klassisches Austauschjahr gewesen - als mein Vater vor kurzem dort war, hat er so eine Art internationales Internat besichtigt, dass es dort gibt. Eine Tochter von Bekannten war dort nämlich, und ihr hat es sehr gefallen. Die Schulsprache dort war Englisch, mit amerikanischen und englischen Lehrern, und gewohnt haben da Schüler aus aller Welt eben.

Das klang für mich ziemlich reizvoll, vor allem weil es gar nicht besonders teuer war, und eben was komplett anderes. Aber ich kann dir meine Gründe sagen, warum ich nicht nach Indien wollte:

Zum einen wollte ich, für mich, unbedingt in ein englischsprachiges Land, weil ich so gerne Englisch spreche. Bei einem normale Austausch würdest du ja sowieso nur von Indern umgeben sein. Und Englisch lernen ist dort ziemlich schwierig bis unmöglich, weil die ‘Unterschicht’, d.h. die Mehrheit der Bevölkerung, erstens eher schlecht Englisch spricht und zweitens mit einem so furchtbaren Akzent, dass du kaum etwas verstehst. Wirklich kaum. Außerdem - warst du schon einmal in Indien? Die Kultur ist komplett verschieden zu der Unseren. Du erlebst selbt in 4 Wochen einen ziemlichen Kulturschock. Wenn du nicht weiß, was dich erwartet, wird es für dich schwer sein, dich da ein ganzes Jahr zurechtzufinden. Der gesamte Lebensstandard ist viel geringer, die Inder haben ganz andere Lebenssichten, leben von teilweise 2 Dollar pro Tag. Das ist natürlich nicht bei jedem so, aber auch die Hygiene und der Komfort sind einfach nicht mit Deutschland zu vergleichen. Als Tourist finde ich Indien traumhaft, ich habe alles total genossen, die Umgebung ist wunderschön, die Strände, in den Städten fließen tausend EIndrücke gleichzeitig auf dich ein. Da macht mir mangelnder Komfort auch nichts, für 4 Wochen. Aber für ein ganzes Jahr könnte ich das denke ich nicht.

Es gibt noch viel mehr Gründe, wegen denen ich nicht nach Indien gegangen bin, aber ich möchte es dir jetzt auch nicht so schlecht machen, weil jeder da anders tickt, weil es vielleicht genau dein Ding wäre - wer weiß?
Auf jeden fall kann man sagen, dass es eine unglaubliche Erfahrung wird, auch nicht zu vergleichen mit den USA, weil du für eine sehr lange Zeit in eine komplett verschiedene Kultur eintauchen wirst. Das Land ist schön, die Leute können herzlich und offen sein, und wenn es dich reizt, würde ich auf jeden fall nicht zögern.
Was ist dir denn wichtig für den Austausch, worauf legst du Wert, was erwartest du? Ziehst du noch andere Länder in Betracht?

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.
Liebe Grüße,
Lola

Hallo Josy,
Ich war zwar noch nicht in Indien, sondern habe mich nur um ein Stipendium für einen 3-monatigen Studien-Aufenthalt in Indien beworben, es aber leider nicht bekommen (aus Formgründen,weil mir noch 2 Klausuren dazu fehlen)- :frowning: - ich wäre aber auf jeden Fall super gern gegangen und werde das jetzt wahrscheinlich im nächsten Jahr tun, wenn ich die Klausuren bestanden habe. Ich habe mich trotzdem auf Indien möglichst gut vorbereitet und war letztes Jahr schon in Thailand, vielleicht helfen dir also meine “Erfahrungen” und das, was mir andere Leute über ihre Zeit in Indien berichtet haben.

Indien ist ein unheimlich facettenreiches Land. Du wirst es vermutlich schwer haben “indisch” zu lernen (jeder Bundesstaat hat einen eigenen Dialekt, die sich sehr voneinander unterscheiden. Das kannst du dir wie Dänisch, Holländisch, Platt und ‘Schwiezerdütsch’ vorstellen und noch krasser). Englisch ist Amtssprache, aber ich hatte in Thailand im letzten Jahr größte Probleme mich zu verständigen - wie Lola das auch schon beschrieben hat.
Das würde mich aber nicht davon abhalten, Land und Leute kennenlernen zu wollen! Einen Versuch ist es auf jeden Fall Wert!

Was du nicht vergessen solltest, ist dass du bei einer späteren Bewerbung sicher große Vorteile gegenüber anderen Bewerbern hast, die nicht im Ausland (oder nur “Standard”-Ländern wie den USA) waren. Auch die Erfahrung wird dich sehr prägen. :slight_smile:

Probleme hat mir schon in Thailand, wo auch einige Inder waren, deren Aufdringlichkeit und Beharrlichkeit bereitet. Wenn du als Weiße unterwegs bist, wollen dir die ständig was verkaufen, weil sie glauben, dass du auf jeden Fall viel Geld hast. (Auch wenn dem vielleicht gar nicht so ist.) Da wird man an der Schulter angefasst, festgehalten und auf Deutsch angesprochen. Wenn man das kontinuierlich durchmacht, ist das sehr anstrengend. Ein Freund von mir, der 4 Monate in Indien gelebt hat (und dort in verschiedenen Projekten mitgearbeitet hat), meinte, für ihn war es auch schwer, die Armut zu ertragen und bettelnde, hungernde Kinder wegzuschicken (weil er wusste, dass ihnen das Geld abgenommen wird, und sie brutalst zugerichtet werden, damit Ausländer Mitleid haben und ihnen Geld geben.)

Außerdem Problematisch fand ich die typischen asiatischen Steh-Toiletten, die es allgemein in südlicheren Ländern gibt. Daran gewöhne ich mich wohl nie… Aber ich bin überzeugt, ich würde drei Monate in Indien überleben, und lernen, sie zu akzeptieren - mögen muss ich sie ja trotzdem nicht. :o

Die Kultur dort ist sehr anders, und du merkst schnell, wie frei du hier bist - zu entscheiden, wann du dich mit wem triffst, deinen Eltern mal Paroli zu bieten und und und…
Dass du dort Probleme haben wirst, ist also klar, aber genauso wirst du Probleme in einem anderen Land haben. Eventuell ist ein Kulturschock in den USA sogar schlimmer, weil du gar nicht damit rechnest, dass er so stark ausfällt. Bei Indien ist dir von vornherein klar, dass es da zu Problemen und einem riesen Kulturschock kommt. Dafür hat auch jeder Verständnis. Sich darauf vorzubereiten, wird dich mental stärken und dir in einigen Situationen helfen. Wenn ich die Chance bekomme, würde ich auf jeden Fall nach Indien gehen!
Denn wenn man das Jahr durchzieht, kann man echt stolz auf sich sein! Andersherum wird dich aber niemand wirklich schräg dafür anschauen, wenn du schon nach einem halben Jahr zurückkommst, weil du merkst, es ist nichts für dich. Bei anderen Ländern haben die Leute im Umfeld weitaus weniger Verständnis dafür, weil man sich der unterschiedlichen Kultur nicht so bewusst ist. - Dass ich jemals aus meinem ATJ in den USA früher zurückkommen könnte, war nie ein Thema, (Zitat: “die Kultur ist ja nicht sooo anders, es geht dir ja eigentlich nur ums Englisch lernen?!”); während alle, als ich ihnen von meinen Plänen, nach Indien zu gehen, immer wieder gesagt haben: “wenn du nicht klar kommst, kannst du ja einfach nach einem Monat oder zwei zurückkommen!”

Lola sagt, dass sie Probleme mit der Hygiene und dem Lebensstandard dort hätte, wenn sie länger bleiben würde / müsste. Ich denke, dass man sich an ALLES gewöhnen kann. Ich war in den USA zum Abschluss 4 Wochen zelten, der Standard auf den meisten Camping-Plätzen war da auch nicht so viel besser. Ameisen, Mücken, Spinnen und sonstige Kriechtiere in den Sanitäranlagen waren da inclusive. :smiley: - Und meine Tante war vor 20 Jahren ein Jahr lang in der Welt unterwegs und hat so gut wie ausschließlich gezeltet. Sie hatte damit nie ein Problem. Alles machbar. Und auch in Indien gibt es Hotels auf dem Europäischen Standard, wohin du flüchten kannst, wenn du es gar nicht mehr aushältst.

Was mich immer an Indien fasziniert hat, war das Essen. Überall gibt es HAUFENWEISE Essen: Currys, Suppen, Reis, Nudeln, Obst, Gemüse, Fleisch… Klar, sollte man da aufpassen, was man isst, schließlich enthalten Crepes, deren Teig den ganzen tag in der Sonne stand, ziemlich viele Salmonellen und Keime. :wink: Aber wenn man darauf achtet, ist die Qualität des Asiatischen Essens dort genial! (Einfach den Massen nach!)
Ich habe nie so viel und so gut gegessen, wie in Asien!
Und allein das wäre für mich dreimal Grund genug, dahin zurück zu kehren!!

Wie gesagt, ich würde auf jeden Fall sagen: Trau dich! Ab nach Indien! :slight_smile:

Liebe Grüße,
Wiebke

Hey!
vielen Dank für eure schnellen Antworten!
Ich verstehe eure beiden Standpunkte sehr gut, das ist ja grade mein Problem :wink:
Ja, ich habe noch andere Länder, die mich interessieren, nämlich Argentinien und Schweden. Könnt ihr mir zu denen auch so viel sagen?
Mir fällt die Entscheidung unheimlich schwer, weil mich eigentlich alle drei Länder sehr faszinieren und es ist schließlich eine so wichtige Entscheidung.

Ich hoffe, das ich noch mehr hilfreiche Antworten bekomme!

Ich kann dir ein bisschen über Schweden erzählen. Am Samstag werde ich nach 4 Monaten nach Hause fahren und ich finde das eigentlich sehr schade, obwohl ich mich auf Deutschland freue.
Zu den Leuten: Alle die ich hier in Stockholm getroffen habe sind sehr nett zu mir gewesen und sprechen super Englisch. Das ist gut, wenn du dein Englisch verbessern willst, aber schlecht, wenn du Schwedisch lernen willst. Jeder ist hier so “nett” und freut sich Englisch zu reden :). Wenn du mit ihnen Schwedisch reden willst, musst du sehr konsequent darauf bestehen. (Aber es gibt sicher Schlimmeres) Da ich hier in der Stadt wohne und es hier viele Immigranten gibt, hatte ich das Glück in deine sehr offene und lustige Klasse zu kommen. Je “schwedischer” deine Klasse ist, desto kühler ist man anfangs zu dir, weswegen du selbst sehr offen und bemüht sein solltest.
Zum Wetter: Ich hatte das Pech, dass ich im so ziemlich schneereichsten und kältestem Winter seit Jahren gelandet bin. Es war echt schlimm kalt, vor allem da es bis Ostern eine geschlossene Schneedecke gab. Aber man lernt wirklich die Sonne zu schätzen, und freut sich schon bei 10°C. Wenn dann Sommer wird, kann es gerne mal bis zu 30°C werden. Für mich perfekt, da ich die Hitze nicht so mag. Außerdem hast du hier fast überall wunderschöne und saubere Badeseen.
Die Sprache und Kultur sind sehr ähnlich zu Deutschland. Wenn du konsequent versuchst schwedisch zu sprechen, bist du innerhalb von 2 Monaten schon sehr gut, und verstehen kannst du schon mit ein paar Grundkenntnissen sehr viel. Wie gesagt, du hast auch fast keine Probleme jemanden zu finden der Englisch kann. (Schweden lieben Englisch).
Kleiner Tipp: Du musst dir umbedingt eine Sportart suchen, wenn du nicht 15 Kilo zunehmen willst, weil man hier fast jeden Tag fikat (eine Art Kaffetrinken) und sehr viel Zucker in die Süßwaren gemischt wird. Ich liebe es :).
Wenn du noch Fragen hast, melde dich einfach.
Liebe Grüße