Hallo Oliver,
Deine Antwort verstehe ich nicht so richtig?
Du wirst bestimmt Recht haben.
Ich stehe kurz vor meinem 1. juristischen Staatsexamen, deshalb dachte ich, dass es dich freut, wenn ich dir mit meinem Fachwissen deine Frage, ob eine unterlassene Hilfeleistung vorliegt, beantworte. Ist dem nicht so? War die Frage nicht so gemeint, wie ich sie aufgefasst habe?
Freue dich darüber!
Ja, ich freue mich auch über die kleinen Dinge im Leben, und schätze, dass ich mit dem, was ich mir im Studium angeeignet habe, Menschen helfen kann. Ich denke, es wäre dumm und ärgerlich, das nicht zu tun?
Im Übrigen habe ich mit keinem Wort gesagt, wie ich das Ergebnis meiner obigen Einschätzung der Rechtslage finde. Um das nunmehr klar zu stellen: Ich kann mich grundsätzlich nicht freuen, wenn es Schülern bzw. Menschen allgemein schlecht geht! (Warum sollte ich das auch?)
Besser hätte ich gefunden, wenn du kapiert hättest, gerade mit deinem Hintergrund, um was es hier geht…
Ich habe verstanden, was geschehen ist. Möglicherweise habe ich deine Frage falsch aufgefasst. Wenn das so sein sollte, tut es mir leid. Ich hatte wirklich nur die gute Intention, deine Frage fachlich zu beantworten.
Ich wollte lediglich der Ungeheuerlichkeit eines Nichtstun zum Ausdruck bringen.
Das kann ich sehr gut Nachempfinden. Aufgrund meiner Erfahrung und persönlichen Erlebnisse frage ich mich aber auch, ob wirklich nichts getan wird. Oft kommt einem das so vor, das muss aber nicht tatsächlich so sein. Dazu ein Beispiel. [SIZE=„1“](Anmerkung: Das folgende soll keine Beschönigung der Situation sein, die ich nicht genau kenne, sondern nur ermöglichen, mal die Sicht eines Betreuers wahrzunehmen.)[/SIZE]
Ich erhalte einen Anruf von B, dem es bei seiner Gastfamilie nicht gefällt, und der gern wechseln möchte. Zunächst versuche ich, herauszufinden, warum es B so geht, und beraume ein Gespräch an, in dem ich vermittle und allen Seiten Tipps gebe, wie es besser laufen kann. Dabei muss ich aber nicht nur B im Blick haben, sondern auch noch die Position der Gasteltern bedenken, die noch lange in dem Ort wohnen werden, und deshalb nicht einer massiven Rufschädigung ausgesetzt werden sollen.
Das Gespräch findet in aller Regel aber nicht sofort statt, sondern dafür muss erstmal ein Termin gefunden werden, der für alle Beteiligten passt. Ich habe einen Job, gehe zur Uni, und habe auch anderweitige Verpflichtungen - die Betreuung ist ein Ehrenamt, dass ich gern mache (sonst hätte ich mich nicht dafür entschieden!), aber wegen dem ich auch nicht alles andere stehen und liegen lassen kann, gerade wenn kein Notfall vorliegt. (Und ich habe-im Gegensatz zu anderen Betreuern - noch keine Kinder, um die ich mich kümmern muss, bzw. einen Babysitter besorgen, Schichten tauschen, oder das mit dem Partner abstimmen, damit ich in Ruhe zum Schüler fahren kann!) Sagen wir mal, nach 10 Tagen hat ein Gespräch stattgefunden und wir einigen uns darauf, nach 14 Tagen zu schauen, ob es mit den Tipps etc. besser läuft. Dann erhalte ich einen Anruf vom Schüler, der mir erzählt, dass er nach wie vor die Familie wechseln möchte. Nach diesem Gespräch mit B telefoniere ich mit dem Büro, bespreche die weiteren Schritte, schalte eine Anzeige in einer Zeitung, dass eine GF für B (16) aus Schweden, gesucht wird. Gleichzeitig überlege ich, welche ehemaligen Gastfamilien in der Region vllt. kompatibel mit B wären. Von den Telefonaten, der Anzeige und den Überlegungen bekommt B aber gar nichts mit. Für ihn fühlt es sich an, als hätte ich ihn vergessen und würde nichts tun. Was B auch nicht weiß: Ich betreue momentan drei weitere Schüler, die die Gastfamilie wechseln. Schüler A ruft an, und sagt, er findet seine Familie doof, und möchte doch eigentlich viel lieber in die Stadt, weil das Dorf ihm zu klein ist. Schüler C hat gravierende (!) Probleme, und sollte deshalb schnellstmöglich die Familie wechseln. Dann ruft die Familie von D an, und erklärt, D „macht was sie will, passt sich nicht an, und zieht sich nur im Zimmer zurück“.
Ich verstehe, dass sich eine solche Situation für den Schüler immer schlimm anfühlt. Ich war auch Austauschschülerin, und habe auch die Familie gewechselt, und das auch alles mitgemacht. Nach 5 Jahren als Betreuer kann ich aber mittlerweile gut einschätzen, wie ich wo reagieren sollte, und was zu tun ist. Ich vernachlässige keinen Schüler, und kümmere mich, auch wenn die Schüler das nicht immer aktiv mitbekommen. Wenn dann täglich Mails aus dem Heimatland der Schüler kommen, macht es das nicht besser. Erstmal könnte man denken, das erhöht meinen Druck, und damit die Motivation, zu handeln. In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil der Fall: Von der Zeit, die ich habe, um mich um einen Schüler zu kümmern, geht mehr und mehr dafür weg, Anfragen aus Übersee zu beantworten. Statt mit dem Schüler zu telefonieren etc., muss ich den Eltern, die (verständlicherweise!) total unerfahren im Bereich Schüleraustausch sind, erklären, was ich gerade wann wie warum wo mache. Oder ich mache das nicht, um vor Ort zu handeln - dann „kümmere ich mich aber nicht“ aus Sicht der Eltern, weil keine Reaktion kommt. Oft ist es auch schwer, etwas zu schreiben, weil bei den Problemen etc. häufig eine kulturelle Komponente vorhanden ist, die die Eltern zu Hause nicht nachvollziehen können, weil sie eben nicht im Gastland sind. Das akzeptiere ich auch voll und ganz - die Eltern sollten es nur genauso.
Abgesehen davon, dass andauernde Kommunikation mit Übersee wertvolle Zeit frisst, die ich besser verwenden könnte, wird man (und das halte ich für menschlich :o) mit jeder weiteren Anfrage zunehmend ein wenig genervt(er), und die Motivation, etwas zu tun, sinkt in den Keller, weil das ganze zur Last wird.
Ich hoffe, du fasst diesen Beitrag nicht falsch auf, denn er ist in jedem Punkt herzlich und ehrlich und gut gemeint! Ich freue mich von ganzem Herzen, dass ihr wohl eine Lösung gefunden habt.
Liebe Grüße,
Wiebke