Gastmama vor Antritt

Hallo,
ich bin neu hier und hoffe dass ich HILFE bekommen kann. Meine Tochter (14) nimmt ab August diesen Jahres an einem Austauschjahr in den USA teil. Dieser Wunsch kam ganz von ihr alleine nach den letzten Sommerferien. Seitdem hat sie nur dieses eine Ziel. Sie hat sich kämpferisch dafür eingesetzt und alles getan um daran teilnehmen zu können. Hat sich in eine Organisation gekümmert. Hat Zeitungen ausgetragen und den Babysitter gemacht um Geld dazu beizutragen, hat sich eigentlich nur noch mit diesem Thema beschäftigt und wurde dabei natürlich immer von uns begleitet und unterstützt. Seit gestern ist ihre ganze Welt aber zusammen gebrochen. Sie weint ständig und ist total unglücklich! Gestern kam der Anruf und die email ihrer Gastfamilie. Nur ist es keine Gastfamilie! Es ist eine alleinstehende Frau (Mitte 50). Sie nimmt wohl (evtl.) noch ein Kind aus der Tschejeslowakei auf. Ich habe lange Gespräche heute Nacht mit meiner Tochter geführt. Sie hat es mir so erklärt: Bei dem Bild dieser Frau kommt nichts bei ihr rüber, im Gegenteil sie fühlt sich unwohl. Das Haus liegt weit ab von einem winzigen Dörfchen nur mit Farmen. Die High-School hat nur eine Hand voll Schüler. Egal was sie sich anschaut, alles kommt ihr unsympathisch rüber! Sie sagte, Mama wenn nur eines stimmen würde, dann wäre es Ok und ich hätte was worauf ich mich freue. Aber hier stimmt nichts! Ich glaube auch, das größte Problem ist die fehlende Familie! Sie möchte unbedingt ihr Jahr antreten. Sie sagt aber auch knallhart, da gehe ich kaputt, ich habe Angst!!! Was soll ich tun. Ich sehe gerade dabei zu wie schlecht es ihr geht und es scheint keine Lösung zu geben. Ich mache mir große Sorgen. Man bezahlt soviel Geld, gibt das kostbarste her was man besitzt, muss man da einfach so alles hinnehmen? Diese… oder du hast Pech???
Jetzt kommt noch ein Problem dazu was ich habe… Diese Dame arbeitet für die CIEE und ist Ansprechpartner bzw. Betreuer für die Austauschschüler. Meine Tochter soll natürlich einen anderen Ansprechpartner bekommen. Aber wie objektiv sind die denn dann wenn meine Tochter Probleme mit jemanden aus den eigenen Reihen hat?!?
Was sollen / können wir tun. Zusehen wie der Traum zerplatzt?!?
Habe mir gerade mal auf Google die Adresse die wir erhalten haben genauer angeschaut… Ganz ehrlich… da würde NIEMAND sein Kind hin schicken… Wir sind nicht anspruchsvoll… mein Kind ist auch nicht verwöhnt… Aber wir haben das Gefühl, dass dorthin nur Kinder geschickt werden, weil diese Familie was mit der CIEE zu tun hat. Das stinkt zum Himmel!!! Das Haus / der Hof liegt gaaanz weit ab von allem. Nichts (!!!) in der Nähe. Das kann doch kein Ziel eines Austausches sein?!? Das heißt meine Tochter wird außerhalb der Schule nur mit dieser Dame zu tun haben und auf den Hof beschränkt sein. Da ist nichts und niemand, für 1 Jahr?!? Stellt man sich so einen Austausch unter den Kulturen vor? Meine Tochter hat das Gefühl ihr wird Unrecht getan… und ganz ehrlich… da möchte ich auch nicht alleine sein…
Weiß jemand was es für Möglichkeiten gibt vor dem Antritt noch was zu ändern? Meine Tochter möchte immer noch reisen, nur sie möchte auch die Möglichkeit haben am amerikanischen Leben teilzunehmen und nicht von allem abgeschottet. Keine Familie, keine Nachbarn, kein Ort, nur Felder und 1 Frau von Mitte 50 die den ganzen Tag arbeitet.
Was ist in den Ferien? Am Wochenende soll sie alle paar Wochen noch Nachtdienst haben? Nochmal, da würde ich nicht bleiben, alleine!! Da hätte sogar ich Angst!!!
Bitte helft uns - hat jemand einen Tipp was wir machen können bzw. gibt es überhaupt noch Möglichkeiten? Kennt jemand welche die noch auf den letzten Metern die Organisation gewechselt haben? Haben wir eine Chance - oder geht es nur dorthin oder gar nicht???
Muss sie ihren Traum aufgeben? Ist es tatsächlich möglich, dass die Organisation das letzte Sagen hat?
Wir haben soeben noch rausbekommen, dass sonst noch fast keiner aus dieser Organisation ihre Gastfamilie bekommen hat und das die Tochter dieser Dame ganz viel mitzusprechen hat in der CIEE… Für mich sieht es so aus… Mama ist alleine - Mama nimmt mal (zum 1. Mal) jemanden auf… Nochmal, ich glaube, nachdem ich alles gesehen habe, das unter normalen Umständen kein Betreuer ein 14 jähriges Mädchen in so eine verlassene Gegend schicken würde, wo noch nicht mal gegeben ist, dass die Gastmama da ist. Sie ist übrigens von 7.00 Uhr bis 17.30 Uhr arbeiten. Soll ich allen ernstes mein Kind, was aus einer intakten Familie kommt, Freunde hat, in einem Ort lebt wo sie nur vor die Türe gehen muss um Menschen zu treffen, irgendwo hin schicken wo keiner ist??? Welche Mutter würde das tun? Sie möchte so gerne reisen! Bitte helft mir…

Hallo Micha,

willkommen im Forum! Dein Beitrag erinnert mich sehr an einen Beitrag, den wir vor ziemlich genau 11 Jahren hier hatten, kurz bevor ich in mein ATJ gestartet bin. Die Schülerin, “J”, damals war in Nebraska platziert worden (wie ich auch, wie sich später herausstellte - J wohnte 15 Min. von mir entfernt).

Ich schlage dir einfach mal vor, die Adresse einer Freundin meiner Gastmutter, die auch eine Schülerin aufgenommen hat, bei Google Maps einzugeben:
78098 U.S. 183, Mason City, Nebraska, USA

J hat sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Es sei ja nichts los da, die High School hätte nur ganz wenig Schüler, man könnte nichts unternehmen, etc. Mit Biegen und Brechen und viel (!!!) gutem Zureden, konnten wir sie überzeugen, doch zumindest mal zu fliegen (der Programmpreis hätte eh zu 90% gezahlt werden müssen) und zu schauen, wie es ist, und nicht wegen Vorurteilen eine einmalige Chance zu vergeben.

Ich habe, wie du sehen kannst, auch SEHR ländlich gewohnt. Meine Schule hatte 200 Schüler - vom Kindergarten bis zur 12. Klasse. In meinem Jahrgang: 17 SchülerInnen.

Hätte ich damals gesagt, ich möchte lieber nach L.A. oder NYC als Nebraska? Vermutlich. Wäre das rückblickend eine gute Entscheidung gewesen? Auf gar keinen Fall.

Ich hatte in Nebraska die Zeit meines Lebens. Langeweile gab es kaum. Dadurch, dass meine Freunde alle Führerscheine hatten, war ich auch halbwegs mobil. Meine Gasteltern haben mich sonst gefahren. Aber Mobilität war gar nicht so wichtig. Das soziale Leben spielt sich in den USA nämlich in der Schule ab. Dort gibt es Frühstück und Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Sport, Spiel, AG. Man ist selten vor 18 Uhr zuhause. (Die Arbeitszeiten der Gastmutter sind also kein Problem.) Es gibt also keine Notwendigkeit, dass die Freunde nebenan wohnen, um sie zu treffen - weil man sie ja eh in der Schule sieht und fast 12 Stunden am Tag mit ihnen zusammen ist. :smile:

Wäre eine größere Schule nicht besser gewesen?
Nein, nein, NEIN. Auf gar keinen Fall. Dadurch, dass meine Schule klein war, konnte ich jeden kennenlernen und schnell Freunde finden, in die Gemeinschaft eintauchen. An einer größeren Schule ist das weitaus schwieriger. Meine beste Freundin war an einer größeren Schule und ich kann mich nicht erinnern, dass sie heute noch Kontakt zu ihren Mitschülern hat.
Außerdem: Ich habe es sehr genossen, dass ich gewisse Chancen hatte, die ich an einer großen Schule nie gehabt hätte. Ich hatte Zugang zu den Sportteams (war Cheerleader & im Basketball-Team), was an größeren Schulen nicht möglich ist. Ich war “student aid”, d.h. konnte einer Lehrerin der Grundschule helfen (kopieren, unterrichten - ja, unterrichten!, Tests korrigieren). Ich hatte Zeit, mal runterzukommen, und zu entspannen, wozu ich (was ich bis dahin nie wahrgenommen hatte) zu wenig Zeit im deutschen Schulalltag hatte. Ich habe ungefähr 120 Bücher in dem Schuljahr gelesen. Ich habe tolle Fotos machen können. Mein Kunstkurs bestand aus zwei Personen: meiner Lehrerin und mir. Individualbetreuung. Am Rande sei erwähnt: in Ansley konnte ich den Führerschein machen und mir so ca. 2000€ in Deutschland sparen.

In kleinen Schulen ist ein ATS noch etwas besonderes, an großen einer von vielen, die jedes Jahr kommen. Folge: Freundschaften eher schwierig, man verbringt viel Zeit mit anderen ATS, ist eher isoliert. Nicht das, was man sich von einem Jahr in den USA verspricht.

Meine Gastfamilie ist mindestens einmal im Monat nach Kearney gefahren, um einzukaufen. Ich war aber auch oft in Broken Bow, wo es auch so ziemlich alles gab, was man brauchte.

Amerikanische kleine Dörfer sind überhaupt nicht mit deutschen vergleichbar.

Zum Reisen gab es genügend Gelegenheiten. Ich war mit der Organisation gleich am Anfang in South Dakota (Mount Rushmore, Wall (Drug), Crazy Horse, …) und nach Ende des HS-Jahres in Kalifornien (Rundreise mit bester Freundin), Indiana, North Dakota, und habe eine Rundreise an der Ostküste (NYC, Kanada, Niagarafälle, Hamptons,… mit einem Freund) gemacht.

Ich würde dieses Placement also mit Kusshand annehmen. Es ist das beste, was euch passieren kann, auch wenn es nicht so scheint.
(Und gerade, weil es so früh ist, könnt ihr sehen, dass es kein “Verzweiflungsplacement” ist, weil noch nicht alle platziert sind. Es werden übrigens 80% der Schüler derart ländlich platziert, weil das ist, wie & wo die meisten Amerikaner leben. Dazu werdet ihr noch mehr auf dem Vorbereitungstreffen lernen. Das Placement hat also gar nichts damit zu tun, dass die Dame gut mit der Organisation kann.)

Übrigens: J hatte wider Erwarten ein wunderbares Jahr und war noch öfter bei ihrer Familie in Nebraska.

Liebe Grüße,
Wiebke

Danke Wiebke!
Es tut gut sich so austauschen zu können!!! Und ich muss nochmal eben klarstellen, nicht diese ältere Dame, sondern ihre Tochter arbeitet für die CIEE. Diese ältere Dame hatte bisher noch keinen Schüler und gibt auch an dass sie darüber von ihrer Tochter erfahren hat. Deswegen werden wir ja auch nicht das Gefühl los, dass da jemand einfach nur für seine Mama eine Lösung gesucht hat, damit die Liebe Mama nicht so alleine ist. Es liegt eigentlich nicht an dem Ort oder der kleinen Highschool. Das kommt vielleicht ein wenig falsch rüber. Ich bin da nur drauf eingegangen weil dass andere so gar nicht für uns ins Bild eines amerikanischem Austauschjahr passt. Am meisten Sorgen macht uns die Familie, die ja gar keine ist! Es lebt eine alleinstehende Frau, ab von allem, die ab und an am WE Nachtnotdienste im Medical-Center hat?!? Wo bleibt denn dann meine Tochter? Da gibt es keine Nachbarn, nichts! Nur Wald. Bleibt sie dann in der Nacht alleine? Wo ist da Familie? Ich kann hier ja nun nicht mal ein paar Bilder hochladen. Aber wenn ich sehe, wieviel Liebe und Mühe allein meine Tochter in ihre Unterlagen /Bilder / Kollagen gesteckt hat - und was dann uns von dieser Gastmama zugestellt wurde… Das sieht alles sowas von lieblos aus. Um ganz ehrlich zu sein nicht lieblos, sondern kein Mensch der ein Kind aufnehmen möchte würde sich, sein Haus, das Schlafzimmer so präsentieren. Damit würde sich keiner bewerben. Und das ist es was und Bauchschmerzen bereitet! Wie ernst meint es diese Frau. Es sieht so aus wie, ist eh egal was ich schreibe und zeige, ich bekomme dadurch das meine Tochter ganz viel zu sagen hat bei der CIEE eh einen Schüler. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Dame in dieser Konstellation, in diesem Haus, ab von allem, ansonsten einen Schüler bekommen hätte wenn es da nicht um Beziehungen zur CIEE gehen würde! Da würde doch wohl jede Organisation die was auf sich hält nochmal genauer hinsehen. Diese Bedenken kann mir keiner nehmen. So stellt man sich nicht seinem Gastkind vor. Was ist in den Ferien? Am WE? Meine Tochter hat hier ein Leben, mehr hat sie auch nicht für Amerika verlangt. Kein Luxus! Und es hat auch keiner gesagt dass das alles einfach wird. Sie wollte nur einfach ein ganz normales Familienleben mit allem Pflichten, Rechten, Aufgaben, Rollen, Spaß… und kein Aufbewahrungsort damit Mama nicht alleine ist! Diese Dame ist auch schon älter, was sollen denn da junge Mädchen? Wofür? Ich verstehe nicht den Sinn und den Grund dafür. Warum macht sie das? Es kommt da nichts rüber in den Unterlagen?!? Ist es echt so, dass die Schüler alles geben müssen um sich “zu verkaufen” aber umgekehrt alles annehmen müssen ohne Bedenken zu haben? Das hier stinkt für mich einfach bis zum Himmel! Dahin soll ich dann meine Tochter schicken, mit dem Gefühl ich liefere sie aus? Sie wird nur benutzt! Ist das Sinn eines Ausrauschjahres? Wir bereuen schön dass sich meine Tochter so gut verkauft hat in ihren Unterlagen. Wäre es weniger gut gewesen, hätte sie wenigstens die Chance gehabt noch anderen Familien vorgestellt zu werden. Ich weiß… es hört sich nicht wirklich nett an. Und es tut mir auch irgendwie leid dass sich mittlerweile auch soviel Wut bei mir ansammelt. Aber weißt du, meine Tochter hat soviel Angagement, Kraft und Freude in dieses Projekt gesteckt. Hat sich hier aus allem rausgenommen (kein Praktikumsplatz fürs nächste Jahr gesucht, keine Fächer für die EFP gewählt). Wofür? War das jetzt alles umsonst? Ich habe gesehen wie bei ihr der Traum zerplatzt ist. Sie weiß genau wenn sie das nicht annimmt war es das mit dem Auslandsjahr. Dadurch dass der Platz aus den eigenen Reihen kommt wird da keiner objektiv mit umgehen. So ehrlich sollten wir doch mal sein… Ich bin sehr sehr traurig und es tut einfach weh zu sehen wie sich alle freuen uns meine Tochter hier sitzt und weint. Wissen die Leute in der Organisation eigentlich was da in den Kindern passiert? Oder ist es denen egal, Hauptsache Kind untergebracht? Horchen die nicht manchmal selber in sich rein, würden sie es umgekehrt gutheißen wenn ihr Kind so einen Platz bekommt? Müssen wir die Seelen kaputt machen - Hauptsache die Quote stimmt? Werde mit 14/15 Gesellschaftsdame für eine ältere Frau oder bleibe zu Hause…
LG Michaela

Halo Michaela,

Ich kann schon nachvollziehen, dass ihr von der Platzierung enttäuscht seid.
Mir ging es damals bei meinem ATJ “ähnlich” (wie Wiebke)… Ich wäre gerne in den Südwesten der USA gekommen (Arizona, Nevada, New Mexico) - aber das Leben ist kein Wunschkonzert, und so bin ich letztlich in MAINE gelandet (als nord-östlichster Staat der USA ist das so am wenigsten südwestlich wie es nur geht…). Da musste ich auch erstmal kräftig schlucken, als ich die ersten Platzierungsunterlagen bekommen habe. Es hat sich dann auch noch herausgestellt, dass ich auch noch bei einer Familie platziert war, die (wie bei euch?) mitten im Wald wohnte… Soll heißen: Es gibt die eine “Hauptstraße” knapp 100m vor dem Haus, auf der einen Seite wohnte in ca 1km Entfernung die Tante, und auf der anderen Seite in ca 2km Entfernung der Großvater (aber nur im Sommer… im Winter war der in Florida in nem Rentnerort). Was ich erst vor Ort erfahren habe: Hinter dem Haus war wirklich WALD… Also zig km nur WALD - also richtiger Wald - nahezu Urwald, nicht diese aufgeräumten “parkähnlichen” Baum-Regionen wie sie hier in Deutschland die Regel sind. Mein Dad hat mir gar verboten, in den Wald hinter dem Haus zu gehen, weil sich da schon öftersmal Einheimische (!!) verlaufen haben und erst nach tagelangen Suchaktionen gerettet wurden konnten. Mein Ort hatte übrigens ca 1700 EW - verteilt auf gut 85km² (großteils Wald ^^).
Letztenendes habe ich mich da aber total wohl gefühlt! Klaro - die ersten Nächte waren echt seeeeehr seltsam… Da musste ich erstmal lernen, was Dunkelheit (Vorteil: Man geht vors Haus und sieht die Milchstraße als breiten Streifen über sich) und vor allem was Stille ist! Als jemand, der in der am Rand des Rhein-Main-Gebiets und in der Einflugschneise von FRA wohnt, war das ne arg große Umstellung für mich. Aber wie gesagt - ich habe mich daran gewöhnt, und es total lieben gelernt.
Die Tatsache, dass ich im Wald gewohnt habe, hat aber nicht bedeutet, dass ich “fernab aller Zivilisation” gefangen war. Wie Wiebke schon schrieb: Junge US-Amerikaner haben i.d.R. nen Führerschein und sind mobil. Es war halt normal, dass mich Freunde von der Schule heim gefahrn haben, oder abgeholt, besucht etc.

Nun ein paar Gedanken zur Gastfamiliensituation…
Der Begriff “Gastfamilie” umfasst ähnlich wie “Familie” ein breites Spektrum an Lebensformen. Diese kann die "klassische Familie (Vater, Mutter, Kind(er)) sein, aber auch alleinerziehende Eltern (Männer wie Frauen), Singlehaushalten (in der Spanne von “anfang 20” bis “Rentner”), kinderlose Paare, Paare bei denen die Kinder “ausgeflogen” sind, hetero- wie homosexuelle Paare etc. etc.
Eine alleinstehende Frau von Mitte 50 ist da also echt nichts ungewöhnliches! Ich verstehe ehrlich gesagt deine Bedenken von wegen “Werde mit 14/15 Gesellschaftsdame für eine ältere Frau” bzw. “Diese Dame ist auch schon älter, was sollen denn da junge Mädchen?” (Sorry - das kann man vielleicht bei ner 70/80-jährengen Tattergreisin sagen… aber 50 ist doch noch voll das “frische” Alter! Vor allem sind US-“Alte” ein ganz anderes Kaliber als hier in Deutschland!) oder “Meine Tochter hat hier ein Leben, mehr hat sie auch nicht für Amerika verlangt.” (Es sollte klar sein, dass der Lebensstil während des ATJ ein anderer ist als “zu Hause”. Und nur weil man auf dem Land wohnt, heißt es noch lange nicht, dass man da “kein Leben” hat!). Wäre es dir lieber, wenn deine Tochter z.B. bei ner jungen Familie irgendwo im Vorort einer (Groß-)Stadt untergebracht wäre, die dann aber verlangt, dass sie regelmäßig auf die kleinen Geschwister aufpasst, und auch eher als Haushaltshilfe denn als “Familienmitglied auf Zeit” angesehen wird? (Auch diese Fälle habe ich in meiner Betreuertätigkeit schon erlebt) Zudem garantiert eine “normale Familie” noch lange nicht, dass die Eltern viel Zeit für den Schüler haben (meine Gasteltern waren z.B: beide berufstätig… Mein Dad hat das Haus vor halb7 verlassen und war erst abends wieder zurück - und entsprechend müde -; meine Mum ist immerhin erst gegen 8 gegangen und war auch meist erst gegen 17/18h zu Hause… Also war ich nachmittags auch großteils auf mich alleine gestellt - trotzdem habe ich es überlebt :wink: )

Ach ja, was mir auch noch einfällt gerade: Ist doch super, dass die Gastmum im medizinischen Bereich arbeitet, oder? Wenn dann mal was mit der Tochter passiert, weißt du sie in besten Händen :wink:

Ich würde mir bei der Dame echt keinen Kopf machen! Ihr seid sehr früh platziert (spricht schonmal gegen eine “Panik-Platzierung bei der Mutter”) und habt somit die Gelegenheit, die Frau erstmal kennen zu lernen. Ich hoffe, dass sich in dieser Zeit die Vorurteile gegenüber alleinerziehenden Gastmüttern etwas abbauen - und wünsche deiner Tochter viel Spaß in den USA.

lG
Martin

Hallo Michaela,

ich war damals in England, da ist die “ländliche” Situation etwas anders als in den USA, deswegen werde ich darauf mal nicht eingehen.

Auch ich habe bitterlich geweint, als ich den Brief mit meiner Platzierung bekommen habe damals. Auch ich war bei einer alleinstehenden, 60jährigen Frau untergebracht. Ich war vollkommen desillusioniert, irgendwie träumt man sich ja so seine Wunschfamilie, wenn man so einen Austausch macht und ist dann einfach von der Realität enttäuscht.
Was Du zu der “Bewerbung” dieser Frau schreibst, überrascht mich auch nicht groß, ich glaube es ist bei den meisten Organisationen gar nicht so üblich, dass die Gastfamilien große, wohlklingende Bewerbungen schreiben, was aber nicht heißt, dass sie nicht geeignet und getestet sind.
Alles, was ich damals bekommen habe, war ein A4-Blatt mit Name, Adresse, Mail und Telefonnummer der Frau, dann noch ein paar Infos zu Haustieren und das wars. Ich habe zunächst versucht, per Mail Kontakt aufzunehmen, Antworten habe ich nie bekommen. Dann habe ich einen Brief geschrieben, auch der blieb unbeantwortet. Du kannst Dir sicher vorstellen, wie ich mich gefühlt habe.
Erst am Telefon habe ich sie dann erreicht, sie wirkte ziemlich trocken und sachlich, es war ein kurzes Gespräch über einige organisatorische Sachen.
Natürlich hatte ich Angst, dahin zu gehen. Dazu erfuhr ich, dass ich mir mit einer norwegischen Austauschschülerin ein Zimmer teilen würde. Dieses Zimmer war gerade groß genug für unser Doppelstockbett, einen Schrank und einer kleinen Stehfläche vor diesem Schrank. Ein Schuhkarton ist die beste Beschreibung. Hinzu kam, dass wir absolut verschiedene Menschen waren, im “normalen” Leben wären wir nie Freunde geworden.
Meine Eltern haben ähnlich reagiert wie Du, sie wollten verhindern, dass ich dort lande. Ich habe ihnen dann gesagt, dass es einen Versuch wert ist und ich bin extrem froh, es versucht zu haben.

Meine Gastmutter war der liebste Mensch überhaupt, hat für uns gekocht, wir haben viele Ausflüge gemacht und alles war super. Ich habe mich nie mit meiner Gastschwester gestritten, auch wenn ich sie manchmal verflucht habe, aber wir haben uns eben arrangiert. Noch heute, 4 Jahre später habe ich viel Kontakt zu meiner Gastmutter.

Ich würde Dir ans Herz legen, das ganze erstmal zu Schlucken und nicht schon vorab zu urteilen. Ihr malt Euch da ein Bild, aber wie es dort tatsächlich sein wird, erfahrt Ihr erst, wenn Deine Tochter da ist.
Unterstütz sie jetzt, bau sie auf und rede ihr Mut zu, es wenigstens zu versuchen. Sollte es (was ich echt nicht glaube) doch die Hölle auf Erden werden, gibt es genug Instanzen bei der Organisation, sodass sie trotzdem noch die Gastfamilie wechseln kann, auch wenn da Beziehungen bestehen, die Ihr vielleicht gegen Euch gerichtet seht.

Gebt dem Ganzen eine Chance und seid für alles offen - das ist es, was Schüleraustausch ausmacht.

Liebe Grüße und Kopf hoch!

Jessy

Hallo Jessica - WOW!!! Das hört sich ja schon verdammt ähnlich an. Respekt dass Du diesen Weg trotzdem gegangen bist… und schön wie er letztendlich geendet ist. Meine Tochter und ich haben uns gerade eben mal wieder länger darüber unterhalten. Es ist ja mittlerweile auch so daß sie nicht mehr sagt da gehe ich gar nicht hin. Eher ist es so wie bei Dir dass sie ihren großen Traum auf gar keinen Fall aufgeben möchte und wenn nichts anderes geht, dann halt dahin. Sie möchte auch erst noch ein paar Tage nachdenken. Du siehst, sie wäre zumindest bereit einen Versuch zu starten. Obwohl ich das ganze viel zu wichtig finde und es echt traurig ist, so an die ganze Sache ranzugehen. Meine Bedenken bleiben bzgl. der Beziehungen?!? Ich kann es nicht ändern. Wir werden sehen, ein, zwei Nächte drüber schlafen und dann muss sie eine Entscheidung treffen… und wie Du schon sagst, letztendlich sind das alles nur Spekulationen von mir - vielleicht ist es ja ganz anders?!? Es hilft zumindest zu hören dass es kein Einzelfall ist. Am Anfang hatte ich das Gefühl hier tummeln sich nur “himmelhochjauchzende” Jugendliche deren Träume (Gastfamilie mit Kindern, Hund, Haus, Pool etc.) alle in Erfüllung gehen - Danke - LG Michaela

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Die Gasteltern meiner mittleren Tochter waren Rentner, aber trotzdem hätte sie es nicht besser haben können. Obwohl sie sich sehr für einen Club engagieren, hatten sie immer Zeit und haben auch viel mit ihr gemacht. Sie bekam ihre Mahlzeiten, kein FastFood. Sie sind zu den Schulaktivitäten gefahren und haben sich gekümmert. Der Vorteil einer jungen Familie: Die müssen in der Regel immer beide arbeiten, da bleibt nicht viel Zeit für die Kids oder gemeinsame Unternehmungen. In unserem Dorf war auch eine bei einer alleinstehenden Frau, deren eigene Tochter aufs Internat gegangen ist. Sie hatte eine tolle Zeit!

Kopf hoch, das wird schon! Und wenn es absolut nicht geht, kann sie immer noch wechseln … dann evtl. zu einer neuen Freundin!

Viele Grüsse

Kirsten

Hallo,
ich möchte dir von den Erfahrungen meiner Tochter berichten.
Sie hat uns auch ziemlich lange bedrängt, dass wir sie für ein ATS nach USA gehen lassen. Nachdem ein Mädchen aus ihrer Parallelklasse für ein halbes Jahr ein Florida gewesen ist und sich ihre Gasteltern bereit erklärt haben, wieder ein Gastkind aufzunehmen, haben wir zugeschlagen. Als meine Tochter dann in Florida angekommen ist, hat sich diese Gastfamilie als das Letzte herausgestellt. Die Gastmutter war bis nach 23.00 Uhr inder Arbeit, der Gastvater nur in seinem Zimmer und meine Tochter bekam nicht einmal etwas zu essen. In der Schule mit etwa 1.200 Schülern, wurde sie am ersten Tag gefragt, ob sie auch kiffe und Alkohol trinke wie das andere Mädchen aus Deutschland. Als Claudia dieses verneinte, war sie bei den meisten Schülern auch unten durch. Warum dieses Mädchen aus Claudia`s Schule ihr diese Gasteltern empfohlen hat, wissen wir nicht.
Sie hat sich dann selbst neue Gasteltern gesucht, die sie dann aber auch nur als Haushaltshilfe missbraucht haben. Mittlerweile ist sie in der 3. Gastfamilie.
Sie hat sich mit vielen Tränen und vielen Entttäuschungen durch diese Jahr, dass im Juni endet,
durchgebissen.
Ich möchte dir eigentlich damit nur sagen, dass selbst wenn man die Gasteltern kennt, die Wirklichkeit ganz anders sein kann. Also lasst euch nicht entmutigen und zieht es durch.
LG Andrea