Gastfamilienwechsel?

Hallo Ihr Lieben,
ich glaube, heute brauche ich euren Rat.
Mein Kind ist seit dreieinhalb Wochen in den USA. Anfangs ging es ihr recht gut, nur war ihr ständig langweilig, weil die Familie wohl nie was mit ihr unternahm und sie auch nicht ins Internet konnte (sie war jetzt insgesamt wohl 3 x im Internet, seit sie da ist).
Dann fing die Schule an, mit den üblichen Schwierigkeiten: Manche Kurse waren nicht gleich die richtigen, man kennt niemanden usw. Bis dahin alles noch kein Problem, darauf war meine Tochter vorbereitet.
Doch plötzlich gab es zwischenmenschliche Probleme in der Familie: Die Gastschwester ignorierte meine Tochter (die Gastmutter sagte, das sei Eifersucht) und plötzlich machte meine Tochter auch nichts mehr richtig. Plötzlich wurde alles kritisiert, was sie tat, und da sie inzwischen eh seelisch angeschlagen war, fühlte sie sich nur noch unwillkommen. In dieser Zeit begann sie mich auch dauernd anzurufen, an manche Tagen bis zu 2 x. Ich denke nicht, dass das förderlich war, aber ich konnte ihr doch jetzt nicht auch noch das Gefühl geben, dass sie bei mir nicht willkommen wäre. Und, was selbst ich als unsensibel empfinde, hat die Gastmutter meiner bereits weinenden Tochter auch noch an den Kopf geworfen, sie würde eh zu wenig reden und es sei ja kein Wunder, dass sie noch keine Freunde habe. Hallo? Zu diesem Zeitpunkt hatte sie gerade mal 2 Wochen Schule.
Nachdem sie vorgestern abend am Telefon bitterlich geweint hat, habe ich ihr geraten, in einer stressfreien Situation das Gespräch mit ihrer Gastmutter zu suchen, keine Vorwürfe zu machen, sondern nur zu schildern, wie sie sich fühlt.
Das hat sie sich dann wohl doch nicht getraut, sondern das Ganze in einem Brief niedergeschrieben und diesen der Gastmutter gegeben. Ich muss zugeben, mir ist nicht bekannt, was sie geschrieben hat, da sie sich gestern nicht getraut hat, mit mir zu telefonieren.
Daraufhin hat ihre Gastmutter ihr gesagt, sie (meine Tochter) solle erst mit der Betreuerin sprechen, erst danach werde sie (die Gastmutter) mit meiner Tochter darüber reden.
Was meint ihr, sollte man einen Gastfamilienwechsel in Betracht ziehen? Aber kann es dann nicht theoretisch noch viel schlimmer kommen?
Ich habe nun eine fast schlaflose Nacht hinter mir und bin mir immer noch nicht sicher, ob ich dies hier nun wirklich ins Forum einstellen soll oder nicht.
Aber vielleicht kann mir jemand einen Tip geben …
Tieftraurige Grüße
Ili

Hallo Ili,

ich weiß, es hört sich jetzt blöd an, aber lass noch ein bisschen Zeit ins Land gehen, bevor Du von hier etwas unternimmst.

Meine Tochter ist seit 4 Wochen in den USA. Zuerst war alles ganz toll; klar, das Programm war ja auch gigantisch: allein nach NY fliegen, mit der Gruppe dann 3 Tage NY erkunden mit allem, was dazu gehört. Dann weiter nach Denver und von dort aus zur Hostfamily. Da war dann direkt am Wochenende Rodeo und der Trubel ging weiter. Montags Einkaufen in Denver, dann Schule mit Kurswahl…und dann tote Hose am folgenden, langen Wochenende (alle 14 Tage ist der Montag auch frei).

Der Ort klein (450 EW), wenig zu tun. Dann kam der Anruf per Skype und ich hatte ein heulendes Kind vor der Kamera. Auszüge aus dem Gespräch: “alle anderen sind in größeren Ort…hier kann man nix machen…warum bin ich hier gelandet…ich will hier weg…das Haus ist so klein und chaotisch…etc”
In manchen Bereichen hat sie ja recht gehabt…der Ort ist klein, das Haus auch für insgesamt 7 Leute, die High School ist auch winzig.
Wir haben dann hier Alarm geschlagen. Nach Gesprächen mit der Orga, die uns beruhigen sollten (mir kam der Qualm aus den Ohren, weil so bedächtig mit uns gesprochen wurde), suchten wir schon nach Möglichkeiten, das Problem zu lösen.

Jessie wurde dann von ihrer LC angesprochen (sie kam extra in die Schule);sie hatten sogar schon Treffen, um eine neue Gastfamilie zu suchen.
Zwischenzeitlich ging natürlich die Schule weiter, nach dem Unterricht ging meine Tochter noch zum Volleyball und Cheerleading (Schule ist mit Sport von 7.45 h - 18.45 h)…außerdem gibt’s die “Testing Fridays”, d. h. in jedem Kurs wird ein Test geschrieben (da muss man üben und ist auch beschäftigt).

Plötzlich kam eine Email von unserer Tochter auf Englisch…war die Kopie an ihre LC.
“Die Leute sind so nett, die Lehrer auch …ich will doch bleiben!”
ICh kam mir vor wie der Esel vom Dienst…schließlich hatten wir ja ne Menge Trubel veranstaltet bei der Orga hier und auch in USA.

Ich finde es gut, dass meine Tochter sich dazu entschieden hat, die Herausforderung anzunehmen. Es wird bestimmt auch zwischendurch wieder Tage geben, in denen es nicht so gut läuft (ich war 2 Jahre in Spanien und 5 in Frankreich, da war auch nicht immer alles toll), aber da muss man durch.

Was wirklich ganz wichtig ist, ist die Kommunikation zwischen ATS und Hostfamily. Wenn keiner was sagt, kann auch niemand was ändern.
Mach deiner Tochter Mut. Sie soll viel reden und auf nette Art und Weise sagen, was anders ist als zu Hause. Sie wird in der Schule Freunde finden (wo ist deine Tochter überhaupt?)

Wenn dann immer noch Probleme da sind, dann kann sie über einen Wechsel nachdenken. Gib der ganzen Geschichte noch ein bisschen Zeit. Du darfst auch nicht vergessen, dass nach den ersten aufregenden Tagen so langsam die Routine auch bei den ATS Einzug hält …und damit realisieren sie dann auch, dass sie lange Zeit von zu Hause weg sind, mit allem was dazu gehört…

So…hoffe, dass meine Antwort dir ein wenig geholfen hat. Sonst kannst du mir auch gerne eine PN schicken.

Lieben Gruß

Christiane

Ein kleiner Nachtrag…

Als die Email meiner Tochter kam (“Ich will jetzt doch hier bleiben”), war ich einerseits froh über ihren Entschluss, andererseits hätte ich ihr gerne die “Meinung gegeigt”. Ich hab mir dann beim “Skypen” auf die Zunge gebissen, hätte aber unglaublich gerne einen kleinen Blitz durch das I-net geschickt.

Viele Dinge regeln sich eben, wenn man drüber schläft.
After all, tomorrow is another day.

  • Scarlett O’Hara -

Gruß Christiane

Hallo Christiane,
erst mal vielen herzlichen Dank, dass du mir helfen möchtest.
Ich muss dazu sagen, dass ich mich hier noch gar nicht eingeschaltet habe und dies auch erst tun würde, wenn meine Tochter selber gar nicht weiterkommt.
Ich denke, es kommt so vieles zusammen. Meine Tochter ist in Indiana in einer Kleinstadt. Aber ihre Schule ist in der Nachbarstadt. Alle, die sie bis jetzt kennen gelernt hat, wohnen auch in der Nachbarstadt. Und da ihre Gastschwester wohl nie irgendwohin gefahren wird, traut sich meine Tochter nun auch nicht zu fragen. Aber das ist nicht meine Tochter, nicht so wie ich sie kenne. Also sitzt sie zu Hause, hat Langeweile, denkt an DE und bekommt Heimweh. In dieser Familie scheinen wohl auch Afterschool-Aktivitäten (nennt man das so?) kein Thema zu sein, denn dann müsste man meine Tochter sicher auch abholen (so fährt sie um 3 mit dem Bus zurück).
Und mich hat jetzt eigentlich am meisten entsetzt, dass die Gastmutter meine Tochter zur Betreuerin schickt statt das gleich selbst zu klären, wie auch immer. Das kennen wir so nicht, bei uns wird immer geredet. Mein Mann meint “zu viel”.
Ich warte jetzt mal ab, was meine Tochter heute abend berichtet. So wie ich das aus ihrer SMS verstanden habe, hat sie das Treffen mit der Betreuerin heute. Leider erreichen mich diese Infos eigentlich immer mitten in der Nacht, und je nachdem ist an Schlaf kaum noch zu denken.
Ich hoffe immer noch, dass sich alles zum Guten wendet.
Nochmals danke, es tut gut, sich mit jemandem auszutauschen.
Liebe Grüße
Ili

Liebe Ili,

Also ich denke - wie du - dass in solchen Situationen es das beste ist, das gespräch zur Familie zu suchen. Okay, wenn sich das deine Tochter in der Situation nicht getraut hat kann man nichts machen - aber die Idee mit dem Brief war ja auch keine Schlechte :slight_smile:
Nach der Reaktion der Gastmutter (keine) hätte auch ich empfohlen, dass deine Tochter sich mal mit dem Lokalen Betreuer in Verbindung setzt. Erstmal ihm/ihr als neutraler Person die Situation erklären, so dass er/sie nach etwas geschicktem nachfragen ein gutes Bild von der Sache hat - und dann vielleicht ein gemeinsames Gespräch mit der Gastfamilie (Gastmutter u. -tochter), dem Betreuer und deiner Tochter.
Wenn alle Seiten kooperativ und willig sind, findet sich sicherlich eine Lösung. Und je früher solche gespräche stattfinden, desto weniger Ärger, Frust, etc. kann sich aufstauen, der dann ggf. zu nem Zwangswechsel führt.

Wie weit ist es denn zur Nachbarstadt und zur Schule?
Bei mir war es nämlich so, dass ich mir natürlich gleich mal die “falschen Freunde” rausgesucht habe - nämlich die, die am weitesten von mir weg gewohnt haben ^^ (kann ich ja nichts dafür, wenn wir uns gut verstehen ^^) Das hat dann darin resultiert, dass wir uns auch nicht so viel/oft neben der Schule sehen konnten, weil halt teilweise ein Fahrtweg von 30-40 Minuten zwischen uns lag… Naja - aber zurückblickend hätte ich da bestimmt mehr Hebel in Bewegung setzen können um sie öfters zu sehen… Im Nachhinein ist man immer schlauer…
Und ich hätte auch (kurzzeitig) am liebsten die Familie gewechselt, als mir meine Gastschwester am 2. oder 3. Schultag an den Kopf geworfen hat, dass sie mich in Zukunft in der Schule nur morgens und mittags auf dem Parkplatz sehen will, zum zur-schule- und nach-Hause-fahren… Aber auch das war eigentlich nicht böse gemeint, sondern eher förderlich, weil ich so “auf mich alleine gestellt” war und dadurch gezwungenermaßen eigene Freunde (eben die oben genannten ^^) finden musste…

Kopf hoch, das wird schon, bin ich mir sicher

liebe Grüße,
Martin

Hallo Martin,
ich weiß gar nicht, wie weit es genau bis zur Nachbarstadt ist, das müsste ich nachschauen, aber es ist drfinitiv zu weit zum Laufen, jedenfalls für meine Tochter:rolleyes:. 30-40 Fahrminuten sind es allerdings nicht. Ich denke eher so 10-15 km. Aber wenn ich das nun richtig recherchiert habe, wäre eine andere High-School näher gewesen. Aber ich glaube, selbst das wüsste jetzt auch meine Tochter nicht. Die findet wohl selbst nach der ganzen Zeit höchsten den Supermarkt. Es geht ja keiner mit ihr weg. Selbst joggen musste sie bisher alleine gehen, und da traut man sich auch nicht wirklich weit weg, wenn man sich nicht auskennt.
Allerdings merke ich, dass ich nun selbst aufpassen muss, dass ich nicht ungerecht werde. Irgendwie wächst auch in mir langsam der Unmut, je länger ich darüber nachdenke.
Ich bin echt froh, dass es das Forum und euch gibt. Danke, dass man seinen Müll mal bei euch ablden kann …
Liebe Grüße
Ili

Ein kleiner Nachtrag:
Meine Tochter hat sich bisher nicht wieder bei mir gemeldet, ich habe auch diese Nacht wieder fast kein Auge zugemacht.
Wenn man so eine Nacht wach im Bett liegt, malt man sich ja alle möglichen Horrorszenarien aus, so nach dem Motto: Die haben ihr verboten, zu Hause anzurufen, die haben ihr vielleicht sogar das Handy weggenommen …
Um es gleich zu sagen: Ich neige eigentlich nicht zur Hysterie.
Wenn sie sich bis heute Abend 23.00 Uhr nicht gemeldet hat, rufe ich dort an.
Wenn sie mir dann erklärt, dass sie es nochmal mit der Familie versuchen will und die es für besser halten, wenn sie eine Weile nicht bei uns anruft, kann ich damit leben. Aber irgendeine Info brauche ich jetzt!
Sorry, dass ihr jetzt wieder als Seelen-Mülleimer herhalten müsst, aber, wie das Leben so spielt, ausgerechnet jetzt sind mein Mann und mein Sohn verreist und ich bin mit meinen Sorgen alleine zu Hause.
Liebe Grüße
Ili

Hallo Ili,

Ich denke das ist doch teilweise, warum es dieses Forum gibt - du bist nicht alleine mit deinen Sorgen, und hast Leute, die dir zuhören und die Tippe geben.

Hoffentlich hat sich das drüben etwas entspannt und du hast dir ganz umsonst die riesen Sorgen gemacht.

liebe Grüße,
Martin

Hallo Ili,

ich kann deine Sorge gut verstehen. Man sitzt hier ja auch weit entfernt und ist doch recht hilflos.Vielleicht kann deine Tochter sich ja mit anderen ATS austauschen, dass hat meiner Tochter auch geholfen. Meistens ist es ja so, dass sich die Kinder nicht melden, weil sich alles eingespielt hat…Hoffen wir das Beste…

Liebe Grüße

Christiane

Hallo Christiane und Martin,
danke euch beiden. Ihr seid mir im Moment eine große Hilfe.
Liebe Grüße
Ili (eigentlich Ilona)

Endlich. Endlich habe ich Nachricht.
Meine Tochter ist bereits in einer neuen Gastfamilie. Sie klingt so fröhlich am Telefon. Sie wohnt jetzt direkt gegenüber der Schule und versteht sich nach eigener Aussage suuuuuper mit der neuen Gastfamilie, wo sie eine Gastschwester und einen Gastbruder hat. Sie haben schon ganz viele Pläne für das Wochenende, und das ist genau das, was sie immer wollte.
Mir ist eine zentnerschwere Last von der Seele genommen.
Natürlich weiß ich, dass es auch hier mal schwierigere Zeiten geben kann, aber so einen glücklichen Eindruck hat sie in der 1. Gastfamilie nie auf mich gemacht.
Danke für euer Mit-Hoffen, es hat gewirkt.
Ich gehe jetzt erst mal auf eine 3-tägige Motorrad-Tour mit meinen Freundinnen, jetzt habe ich auch endlich wieder Lust dazu.:smiley:
Liebe Grüße
Ilona

Schön das es geklappt hat, sicher wird jetzt alles gut:)
Man möchte ja schließlich das es seinem Kind gut geht und gerade auf diese Entfernung kann man ja immer so wenig tun.
Schöne erholsame Tage für dich.
LG Sigrid