Hallo canada-mum,
diese Probleme, die du schilderst, erlebe ich als Betreuerin mit südamerikanischen Austauschschülern immer wieder.
Du solltest dir zunächst einmal folgendes bewusst machen: der Junge meint das nicht böse, wenn er sich so verhält. Jeder Mensch braucht Gewohnheit, und wenn jetzt ein Deutscher z. B. nach Thailand gehen würde, würde er sich auch über viele Dinge wundern und vieles aus Sicht der Thais “falsch” machen, wenn er sich verhält, wie er es gewohnt ist.
Der Junge hat zu Hause Bedienstete, die sich um sein Zimmer kümmern, sein Bett machen, alles in Ordnung halten, Wäsche wegnehmen, waschen und wieder einsortieren, ihn bekochen, den Tisch decken; Eltern die ihm immer soviel Geld geben, wie er haben will,…; sprich: ALLES machen. Es dreht sich dort in der Tat alles um ihn! Er hat quasi einen persönlichen Butler, der dafür sorgt, dass alles nach seinen Vorstellungen ist. Er hat nie gelernt, dass es anders ist oder ein “NEIN” kennengelernt, und dass hier alles ganz anders läuft, ist natürlich super ungewohnt und schockierend für ihn. Euer Junge hat einen ganz krassen Kulturschock! Und den zu überwinden, ist nicht einfach, vor allem, weil er versucht, Probleme hier zu lösen wie zu Hause. Er muss nur verstehen, dass hier alles anders läuft, und man sich deswegen anders verhalten muss.
Versucht doch, mit ihm zu reden, und ihm etwas mehr von der Deutschen Mentalität zu erklären? Es ist dringend notwendig, dass ihr ihm klar macht, dass er hier nur glücklich wird, wenn er sich auf Deutschland fixiert und nicht auf Bolivien. Seine Freunde und seine Familie in Bolivien waren noch nie in Deutschland und können ihm mit den Problemen hier nicht weiterhelfen, sondern machen im Zweifelsfall nur noch alles schlimmer! Das ist ihm nicht bewusst, wenn ihr ihm das nicht klar macht! (Ich kann gar nicht sagen, WIE oft ich DAS meinen Schülern erzähle…!!!)
Also: Kontaktsperre verhängen - Kontakt nach Hause ab jetzt nur noch 1x die Woche für max. 2 Stunden. Nachts einfach alles abschalten und das Handy etc. auch einkassieren. (Wie die Betreuerin sagte: ihr müsst da jetzt einfach mal ne strenge Seite zeigen, wie bei einem Kleinkind. Er hat es nie anders gelernt und kann es nur so lernen! Das ist auch einfacher, wenn dein Mann das übernimmt, mit Ansagen von Frauen haben Männer aus Südamerika oft Probleme…)
Denk einfach dran: Eure Kinder haben ihr Verhalten von euch in jahrelanger Arbeit anerzogen bekommen, er aber hat eine solche Erziehung nie genossen [und muss / soll jetzt alles “ad hoc” können…?]
Ich denke, es ist eine gute Idee, einen Brief an die Schule zu schreiben, aber nicht mit der Bitte, dass die Schüler besser ausgewählt, sondern besser VORBEREITET werden! Wenn man weiß, wann/wie man sich falsch verhält, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es tut, einfach viel geringer. 
Falls du noch Fragen hast, melde dich bitte, gern auch per PN. 
Liebe Grüße und viel Erfolg!
Wiebke