Eurovacance – ein Erfahrungsbericht aus Elternsicht

Zunächsteinmal möchte ich klarstellen aus welcher Perspektive ich eine Organisation und deren Arbeit beurteile: Im Internet existieren zahlreiche Berichte über phantastische Gasteltern und tolle Erlebnisse während des Austauschjahres… So schön dies für die Betroffenen ist – entscheidend für die Leistung einer Austauschorganisation ist für mich die Frage, wie sie reagiert wenn Probleme entstehen und eben nicht alles klappt. Unter diesem Aspekt war in unserem Fall die Leistung von Eurovacance absolut ungenügend.

Unsere Tochter meldete sich 2010 bei Eurovacance an für einen einjährigen Aufenthalt in den USA. Die Anmeldung war spät aber eindeutig innerhalb des von EV vorgegebenen Zeitraums. Unsere Nachfrage ob daraus ein Problem resultieren könne wurde mehrmals klar beantwortet: Nein – absolut kein Problem.

An der Beratung selbst gab es nichts auszusetzen, es wurde das Gefühl vermittelt dass das Kind bei EV in sicheren Händen sei. Vermittelt würden nur geprüfte und zuverlässige Gasteltern.

In Folge verlief zunächst alles wie geplant – es gab nur keine Meldung darüber dass Gasteltern gefunden worden seien…

Zwischenstand anläßlich des Vorbereitungstreffens in Nürnberg: Es gebe noch ein paar offen Fälle – darunter unsere Tochter, Sorgen müsse man sich jedoch keine machen. Die Situation änderte sich auch in den darauf folgenden Wochen nicht. Auf Nachfrage hin deutete man allerdings dann doch ein grundsätzliches Problem an: Es gäbe eine geänderte Politik der USA bei der Vergabe der Visa. Diese würden nur noch vergeben nach Nennung der Gasteltern durch die Vermittlungsorganisation und nicht mehr auf „Vorrat“. Unter dem letztgenannten Verfahren sei die Unterbringung bei Auffangeltern gemeint – die eigentlichen Gasteltern würden dann später gefunden.

Die Situation spitzte sich in Folge weiter zu: Ca. 1-2 Monate vor dem letztmöglichen Abflugtermin dann das erste Angebot von EV: Keine Gasteltern und auch nicht die USA - aber alternativ England oder Kanada – in beiden Fälle mit deutlichen, im Fall von Kanada sogar mit sehr deutlichen Mehrkosten verbunden. Als Entscheidungsfrist für England wurde uns 1 Tag eingeräumt, im Fall Kannada ca. 4 Tage. Wir lehnten ab – unsere Tochter hatte sich nunmal auf die USA festgelegt – und bestanden auf Erfüllung des Vermittlungsvertrages.

Wenige Wochen vor dem letztmöglichen Abflugtermin zwei weitere Angebote von EV: Unterbringung in einer privaten „International School“ und einem Schülerheim des amerikanischen Partners von EV, natürlich verbunden mit Mehrkosten und ein weiteres Angebot - außerhalb der USA - und ebenfalls mit deutlichen Zusatzkosten. Nun enthält der Vermittlungsvertrag mit EV zwar einen Passus, dass Mehrkosten, welche sich bei der Notwendigkeit der Unterbringung in einer Privatschule ergeben von EV übernommen werden. Auf Nachfrage in der EV-Zentrale erhielt ich jedoch die lapidare Auskunft dass dies für EV nicht in Frage komme und EV nötigenfalls vom Vermittlungsvertrag zurücktreten würde. Wir lehnten beide „Angebote“ ab – ein Schülerheim ist etwas anderes als eine Gastfamilie und eine „International School“ kann überall stehen. Für beide Angebote bewegten sich die Entscheidungsfristen wieder im Zeitraum von ca. 2 - 3 Tagen. Zusätzlich erhielten wir den Hinweis dass mit weiteren Angeboten nicht zu rechnen sei…

Wie ging es weiter? Relativ einfach und sehr schnell und vor allem ganz ohne EV, dafür aber privat organisiert: An der deutschen Schule unserer Tochter exsistiert ein Austauschprogramm mit einer Partnerschule in den USA. Dauer des Aufenthalts: 4 Wochen. Unter den „Vorwand“ mich über die Visavergabeproblematik informieren zu wollen telefonierte ich mit der für den Austausch verantwortlichen Lehrerin: Auskunft: Für 4 Wochen braucht man natürlich kein Visum, die Situation für unsere Tochter sein bescheiden, sie könne jedoch einmal Ihre Kollegin in den USA ansprechen… Große Hoffnungen sollten wir uns aber nicht machen da zum Ersten die Zeit knapp und zum Zweiten die Kollegin gerade in Urlaub gefahren sei. Vielleicht lese sie aber Ihre Emails.
Ergebnis: Einen Tage später die Antwort-Mail aus den USA: Die Suche nach Gasteltern sei gestartet. Zwei weitere Tage später: Es stünden 3 zur Auswahl …

Kritikpunkte:
EV verlangt Vermittlungsgebühren in nicht unerheblicher Größenordnung. Dieses Geld wird nach Abzug der Unkosten (Flug, Versicherung, etc) aufgeteilt zwischen der amerikanischen Partnerorganisation und EV. So zuvorkommend EV sich hierzulande auch präsentieren mag – die eigentliche Vermittlung übernimmt eine amerikanische Partnerorganisation, und die kennt man letzten Endes nicht (… die wesentlichen Leistungsträger, die Gasteltern nämlich, erhalten nichts). Für die nicht unerheblichen Vermittlungsgebühren erwarte ich mehr als eine Pauschalbehandlung. Die uns gegenüber genannten Probleme (geä. Visavergabe) können sicher nicht EV angelastet werden, sehr wohl aber der Umgang damit. Die „erste Ursache“ unseres Problems war letzten Endes die Unfähigkeit des amerikanischen EV-Partners, Gasteltern zu vermitteln. Und von einer Organisation, welche mit langjährigen Erfahrungen im Schüleraustausch wirbt darf man erwarten, dass sie von Umstellungen im Visavergabeverfahren nicht „überrascht“ wird. Dies betrifft ja schließlich einen Kernbereich ihres Geschäfts.

Was uns auch sehr gestört hat war die Art & Weise der Kommunikation bzgl. des „Vermittlungsproblems“ welche wir als unsensibel empfanden. EV entwickelte eine wahre Begabung darin, unsere Tochter in tiefste Verzweiflung zu stürzen. Generell war mein Eindruck, dass ohne Nachfragen von EV keine Information zu erhalten war und diese immer erst im letzten Augenblich gegeben wurde.
Man spielt in diesem „Geschäft“ mit der Erwartungshaltung von 16 jährigen Jugentlichen, deren größter Wunsch eben dieses Austauschjahr ist. Vor allem in diesem Zusammenhang empfand ich die uns gegenüber genannten Alternativen – und hier vor allem deren Terminierung – als erpresserisch. Ebenso die Art der Mitteilung: Es gab keine Vorwarnung bzw. Vorinformation welche die innerfamiliäre Diskussion erleichtert hätte.
Für mich ein besonderes Ärgernis war das Angebot „Internationale Schule“. Aus Sicht der amerikanischen Partnerorganisation von EV mag es zwar verlockend erscheinen, die unzureichende Vermittlungsleistung dadurch zu kaschieren dass man gleichzeitig die Auslastung des eigenen Privatschulangebots zu erhöht. Ich halte jedoch dieses „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ so wie es uns gegenüber praktiziert wurde für eindeutig unseriös. In Bayern würde man sagen: Es hat ein „Geschmackerl“

Ratschlag / Schlussfolgerungen:
Für mich steht fest: Austauschorganisation sind letztendlich entbehrlich – ganz sicher in Bezug auf die USA. Vor allem amerikanische Privatschulen suchen geradezu nach Austauschschülern. In der Schule unserer Tochter wurde z.B. ein Lehrer eigens zu diesen Zweck für längere Zeit nach China delegiert! Im Zeitalter des Internets ist es keine unlösbare Aufgabe eine amerikanische Schule in dieser Sache selbst aktiv zu kontaktieren.
Auch auf die Betreuung der Schüler vor Ort durch die Austauschorganisation kann man gut und gerne verzichten. Zum einen ist seit der Erfindung von Skype kein Sohn und keine Tochter mehr „aus der Welt gefallen“, und für die Betreuung der Sprößlinge an der Schule selbst gibt es i.d.R. dann auch eine verantwortliche Lehrerin – in unserem Fall sogar eine sehr aktive.

Kosten:
Selbst die Unterbringung in Privatschulen muss nicht in jedem Fall zu höheren Gesamtkosten führen. Unsere „Einigung“ mit EV sah im ersten Jahr so aus, dass EV ihrem amerikanischen Partner im Fall unserer Tochter kündigte und das Geld für die Privatschule verwendete. Für uns entstanden keine Zusatzkosten.
Wir haben uns entschlossen, unserer Tochter anschließend ein zweites Jahr in den USA zu genehmigen . Dieses mal verzichteten wir völlig auf die Assistenz von EV (man hatte uns angeboten den Part der Versicherung für eine Bearbeitungsgebühr von 1000€ zu übernehmen). Für mich in diesem Zusammenhang wiederum ärgerlich war eine Fehlinformation von EV, dass eine Teilnahme am Schulsport nur bei Vermittlung über eine Austauschorganisation möglich sein. Dies ist so schlicht falsch. Die Gesamtkosten incl. Schulgebühr waren im zweiten Jahr deutlich niedriger als die Kosten, welche von EV in Rechnung gestellt werden.

Resume:
Man sollte über ein „Do it Yourself“ zumindest nachdenken. Vermutlich trifft das o.g. Verfahren auch für Gegenden außerhalb der USA zu. Die Eigenorganisation ist mit nur geringem Zusatzaufwand verbunden - und wer erwartet, bei Abschluss eines Vermittlungsvertrages bei EV ein „rundum sorglos Paket“ zu erhalten muss damit rechnen gegebenenfalls mit Zitronen gehandelt zu haben.

Hallo THWG,
danke für deinen Beitrag - ich finde ihn sehr interessant und auffschlussreich. :slight_smile:
Eine Sache möchte ich dann aber doch dazu anmerken: Es ist z.T. schwierig, ohne Organisation ein Visum für die USA zu bekommen, weil dies dann nur über Schulen möglich ist, die die Visumspapiere ausstellen dürfen. Das ist aber längst nicht bei allen der Fall. Da sollte man sich vorher genau informieren, bevor man da dann in die Röhre schaut.
[Und man hat evtl. keinen Ansprechpartner / Betreuer vor Ort. Das muss kein Problem darstellen, kann aber hier und da hilfreich sein.] :wink:

Viel Spaß noch weiterhin im Forum! :slight_smile:

  • Wiebke

Unser Problem war es ja dass die Austauschorganisation (EV) eben nicht in der Lage war, ein Visum zu organisieren.
Bei Unterbringung auf einer Privatschule - für die ja Schulgebühren zu zahlen sind - ist lediglich ein F1-Visum nötig. Dies ist im Vergleich zum Besuch einer öffentlichen Schule - bei der man ja dem amerikanischen Steuerzahler “auf der Tasche liegt” - wesentlich einfacher zu erhalten. Dies war jedenfalls unsrere Erfahrung. Die Bescheinigung der Schule und der Ausdruck eines “Ausbildungskontos” waren ausreichend.

Es dürfen nur sehr wenig High Schools das I-20 ausstellen. Da sie aber eure Partnerschule ist, sieht es natürlich anders aus.

Viele Grüsse

Kirsten

Für öffentliche Schulen ist das sicher zutreffend - von denen ist ein I-20 schwer zu erhalten. Bei Privatschulen ist die Situation eine grundsätzlich andere. Mit der Frage Partnerschule hat das nichts zu tun. Der Sachverhalt wird übrigens auch auf amerikanischen Internetseiten so gehandelt:

„…It is our understanding that recent laws passed by the US government make it difficult for international students to attend public schools - that is, government funded schools - for grades K through 12…
… International students for grades K through 12 can however attend a private school, provided they make a convincing presentation to the US immigration officials of adequate finances for their entire stay in the US…“

Quelle: How can I get my son an I-20 for high school in the US?

Antwort EUROVACANCES

Wir möchten gerne noch auf ein paar Dinge eingehen, die in dem Elternerfahrungsbericht angesprochen wurden. Das amerikanische State Department, das über die Vergabe der VISA an die amerikanischen Partner entscheidet, hatte in jenem Jahr mitten in der laufenden Saison stark regulierend eingegriffen und die Anforderungen an zukünftige Gastfamilien angehoben. Dadurch wurde die Suche nach passenden Familien erschwert, was leider dazu führte, dass wir Ihnen Alternativen anbieten mussten. Da sich viele Familien in anderen Ländern recht spontan für die Aufnahme eines Gastschülers entscheiden, haben wir mit den Alternativvorschlägen möglichst lange gewartet, in der Hoffnung, es möge sich noch ein Platz in den USA ergeben. Die kurzen Entscheidungsfristen für unsere Alternativangebote lagen darin begründet, dass wir uns ja auch noch um eine Gastfamilie in dem jeweils anderen Land und evtl. Dokumente für die Visumsbeschaffung hätten kümmern müssen.

Allerdings haben Sie sich dann ja in der Zwischenzeit an Ihre Partnerschule gewandt und wir haben Ihnen im Anschluss bei der Abwicklung des direct placements geholfen. Wie Sie selbst schreiben, sind Ihnen letztendlich keine Mehrkosten entstanden.

Die Information über die Teilnahme am Schulsport haben wir übrigens direkt von der Schule bzw. dem Schuldistrikt bekommen und Ihnen nur weitergeleitet. Es tut uns leid, dass es sich dabei um eine Fehlinformation handelte.

Noch eine Anmerkung zur „Do it yourself“-Variante: Unsere Erfahrung und zahlreiche Anfragen von gescheiterten Personen zeigen uns immer wieder, dass es öffentlichen amerikanischen Schulen nicht möglich ist, Visums-Dokumente herauszugeben – es sei denn, es handelt sich um Privatschulen (und da geht es auch nicht bei allen) oder Internate (die aber oftmals doch mit deutlichen Mehrkosten verbunden sind). Es war schon auch ein Glücksfall, dass die Partnerschule Ihre Wünsche erfüllen konnte und ist nicht eben Standard.

Außerdem würden wir einem minderjährigen Jugendlichen immer auch einen qualifizierten Betreuer vor Ort zur Seite stellen wollen, denn bei einem echten Notfall sind die leiblichen Eltern doch sehr weit weg. In Ihrem Fall hat glücklicherweise eine Lehrerin die Rolle der lokalen Betreuerin übernommen, in einem Notfall würde das State Department allerdings nur eine zertifizierte Ansprechperson anerkennen. Und selbst wenn es sich nur um einen kleinen Konflikt mit der Gastfamilie handelt, ist ein weiterer Ansprechpartner für den Jugendlichen durchaus sinnvoll, ebenso die Vorbereitung auf den Austausch, die bei uns im Rahmen eines mehrtägigen Seminars noch vor Abflug stattfindet. Die Entscheidung über die eigene „Absicherung“ muss aber natürlich jede Familie für sich treffen.