Hallo zusammen,
unsere Tochter ist momentan in Kanada, und ich bin etwas überfordert mit der Situation. Eigentlich ist sie zuversichtlich in ihr Austauschjahr gestartet, doch leider kam sie zunächst in eine mexikanischen Gastfamilie, die kaum Englisch sprach und kaum Zeit für sie hatte. Zum Glück hat die Organisation schnell reagiert, und sie lebt jetzt bei einer sehr netten Familie.
Letzte Woche hat die Schule begonnen, doch dort gibt es keine anderen Austauschschüler, sodass sie sich völlig alleine fühlt. Sie hatte sich das ganz anders vorgestellt und ist überrascht, wie schwer es ist, Kontakte zu knüpfen. Besonders in den Mittagspausen ist sie oft alleine, was ihr sehr zusetzt. Die Realität ihres Austauschjahres ist ganz anders, als sie es sich ausgemalt hatte – weniger aufregend und glamourös, als sie gehofft hatte. Nun ist sie total verunsichert, fühlt sich einsam und hat starkes Heimweh.
Ich kann ihre Gefühle absolut nachvollziehen. Ein Teil von mir denkt: Wenn es einfach nicht passt und sie sich dauerhaft unglücklich fühlt, dann soll es eben nicht sein. Ich möchte nicht, dass sie leidet. Andererseits finde ich es sehr früh, bereits nach drei Wochen aufzugeben – schließlich soll sie insgesamt fünf Monate bleiben. Ich habe die Sorge, dass sie es später bereuen könnte, wenn sie jetzt abbricht.
Wann würdet ihr eurem Kind zustimmen, das Austauschjahr abzubrechen? Ist es hilfreich, diese Option offen anzusprechen, oder verstärkt das eher die Unsicherheit? Ich merke auch, dass sie mich bei jeder Kleinigkeit um Rat fragt, was sie tun soll – das kenne ich von ihr gar nicht. Sie wirkt völlig überfordert und hat ihre Zuversicht verloren.
Ich wäre sehr dankbar für eure Erfahrungen und Ratschläge! Saskia
war bei uns ganz ähnlich. Der Clash zwischen dem was erwartet wird (nach Hochglanzbroschüre und Insta) und dem wie es erstmal tatsächlich ist, ist da. Da ist das Forum voll von.
Es hat gut 2 Monate gedauert, dann hat sich das Bild komplett geändert. Es braucht einfach Zeit Fuß zu fassen und in Kontakt zu kommen. In der Regel wartet dort in der Schule niemand auf dich…da ist viel Eigeninitiative gefragt.
Ich kann dich daher sehr gut verstehen - allerdings hätte ich einem Abbruch nur zugestimmt, wenn die Situation in Schule oder Familie so gewesen wäre, dass ich das Gefühl gehabt hätte, dass es nicht zumutbar, vielleicht sogar gefährdend, ist. Da sowohl die Familie prima war, und die Schule immerhin auf den zweiten Blick, habe ich die Option meinerseits auch nicht proaktiv aufgemacht.
Heimweh gehört dazu und auch sich alleine und fremd in einer neuen Umgebung zu fühlen. Und ich glaube auch, dass NICHTS dich rational wirklich darauf vorbereiten kann. Aber wenn das Umfeld an sich stimmt, dann lohnt es sich, sich die Zeit zu nehmen und wenn es dann klappt, dann ist das Gefühl umso toller und ein wichtiges learning, sich auch alleine in einer schwierigen Situation zurecht zu finden.
(Ich spreche hier aber ausdrücklich nicht von Situationen, die manche Eltern und Kinder hier im Forum leider erleben mussten…das sind no gos und da ist unmittelbare Handlung erforderlich…so klingt das aber bei dir hier nicht)
in sofern, versuch zu bestärken da wo es geht, sei da, aber eher reaktiv als proaktiv und versuch Zuversicht zu verbreiten… auch wenn’s schwer fällt. Ich fühle mit dir!!!
LG
vielen Dank für deine lieben Worte. Ja, ich denke auch, dass es sie eigentlich ganz gut getroffen hat. Ich weiß, wie es bei anderen läuft, und im Moment muss sie da wohl einfach durch.
Erst jetzt wird mir richtig bewusst, wie jung und naiv sie in manchen Dingen noch ist – und wie naiv ich selbst war. Ich möchte nur sicherstellen, dass sie sich von mir nicht im Stich gelassen fühlt.
DANKE!
Ich kann Karli hier nur beipflichten: Erwartung und Realität klaffen bei Austauschprogrammen oft auseinander – besonders zu Beginn stellt das für die Jugendlichen eine Herausforderung dar.
Drei Wochen sind viel zu früh, um aufzugeben, solange es sich nicht um unzumutbare Zustände handelt, wie Karli bereits erwähnt hat. Die Gastfamilie ist sehr nett, und das allein ist schon ein großer Vorteil.
Austauschprogramme verlaufen oft in emotionalen Phasen. Die anfängliche Ernüchterung ist ganz normal und hängt davon ab, wie stark die Euphorie am Anfang war. Manchmal gleicht sich das schnell aus, manchmal dauert es etwas länger, bis man sich wirklich einlebt.
Anschluss zu finden ist nie einfach und erfordert viel Eigeninitiative. Meine Tochter war während ihres Austauschs in Japan die einzige Austauschschülerin an einer riesigen Highschool. Als ich sie gefragt habe, was sie in einer solchen Situation empfehlen würde, meinte sie, dass es wichtig sei, jede Gelegenheit zu nutzen, um Kontakte zu knüpfen. Auch wenn es zunächst Überwindung kostet, hilft es, aktiv das Gespräch zu suchen, selbst wenn es nur Smalltalk ist. Aktivitäten außerhalb des Unterrichts bieten ebenfalls eine gute Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen, sei es durch Schulveranstaltungen, Clubs oder Einladungen von Mitschülern. Manchmal sind es genau diese scheinbar kleinen Momente, die später entscheidend sind. Sie hat mir auch gesagt, dass es oft bis zu zwei Monate dauert, bis sich das Gefühl von Vertrautheit und Zugehörigkeit wirklich einstellt.
Mir war es als Elternteil immer wichtig, meinem Kind zu vermitteln, dass ein Abbruch jederzeit möglich ist und dass finanzielle Aspekte dabei keine Rolle spielen sollten. Niemand sollte sich schlecht fühlen, wenn es einfach nicht passt. Gleichzeitig glaube ich aber, dass dieser Austausch ein großer Traum war – und für Träume lohnt es sich, zu kämpfen.
Kann Dich gut verstehen, da blutet das Mamaherz erst einmal und man macht sich Sorgen. Sehe es doch als Vertrauensbeweis dass sie Dir ihren Kummer anvertraut, auch mal noch hilflos ist und Hilfe braucht. So eine ATJ ist ja nichts was man mal für eine Woche testen kann, man wird ins kalte Wasser geworfen und Wunsch und Realität ist oft nicht dasselbe.
Ich würde sie ermutigen zu bleiben, gerade wenn sie die Familie wechseln konnte.
Ich kenne es von meiner Tochter auch dass sie sagt die ganze Klasse ist verschlossen, man kann reden und fragen und auf die zugehen, es kommt nichts zurück, das ist auch nach knapp 6 Monaten noch so. Mittagspausen verbringt sie bis auf wenige Ausnahmen auch allein. Aber sie nimmt es gelassen. Sie hat datür ganz gute Kontakte in einer Jugendgruppe, in einem Chor und mit den vielen anderen ATS und deshalb sagt sie es macht ihr nichts aus.
Wäre das auch eine Möglichkeit für Deine Tochter? Ein Hobby, ein Verein, auch irgendein „Lichtblick“ während der Woche wo sie sich drauf freuen kann?
Und gerade wenn sie nur ein halbes Jahr bleibt ist die Zeit „zum durchbeissen“ doch noch eher absehbar. Gerade Herausforderungen machen uns ja stark. Und wer weiss vielleicht ist das gröbste Heimweh in ein paar Wochen verflogen, sie hat ein bisschen Fuss gefasst und kann es doch noch geniessen.
Ja, ich denke auch, dass Aufgeben an diesem Punkt keine Option ist und sie einfach noch etwas Zeit braucht. Gestern haben wir tatsächlich mal nicht telefoniert – vielleicht war das gar nicht so schlecht. Ich bin mir oft unsicher, was das Richtige ist: sich häufig melden oder eher zurückhalten?
Aber ich glaube auch, dass es wichtig für sie wäre jede Gelegenheit zu nutzen, um in Kontakt mit anderen zu kommen, überall mitzumachen, wo es geht, und darauf zu vertrauen, dass sich irgendwann die richtigen Begegnungen ergeben. Im März startet dann auch ihr Hockey-Kurs, was ihr hoffentlich helfen wird.
Allerdings mache ich mir ein wenig Gedanken, weil meine Tochter manchmal dazu neigt, sich zurückzuziehen, wenn es schwierig wird. Sie tut sich schwer damit, Verantwortung für Situationen zu übernehmen, und sucht eher die Ursachen bei anderen oder der Umgebung (sie flucht schon ganz schön über die Schule, Kanada usw… ). Das ist mir früher schon aufgefallen, aber jetzt wird es noch deutlicher. Vielleicht ist gerade deshalb diese Erfahrung für sie so wertvoll. Auf der anderen Seite ist sie gerade mal 15 und wahrscheinlich ist so ein Verhalten auch normal. Keine Ahnung… Naja schönen Sonntag allen !!!es tut gut zu hören, dass nicht alle sofort die beste Zeit ihres Lebens haben :-). …LG
natürlich wünschen wir uns für unsere Kinder das perfekte Jahr indem sie 10 Monate überglücklich sind und keine Probleme bewältigen müssen! Wenn das passiert, fantastisch! Wenn nicht, umso besser! Wir wollen doch, dass unsere Kinder gestärkt, selbstbewusst und zuversichtlicher aus diesem Jahr zurückkommen und dafür braucht es eben auch Hindernisse die sie überwinden müssen. Unsere Agentur hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, das perfekte Jahr zu erleben, sondern an schwierigen Situationen zu wachsen.
Ich würde deine Tochter ermutigen, andere Perspektiven einzunehmen, aktiv auf andere zuzugehen und positiv zu bleiben.
Meine Tochter ist aktuell in Japan und hat auch keinen Kontakt zu anderen ATS. Sie hat sich von Anfang an in der Mensa zu ihren Mitschülern gesetzt und ist aktiv in den Kontakt gegangen. Am Anfang war sie überrascht, dass das Interesse an ihr nicht ganz so groß ist, wie sie sich das vorgestellt hatte (da lag es zum Teil daran, dass viele nicht gut Englisch konnten und dadurch gar keine sprachliche Basis da war). Dennoch, wie auch schon andere geschrieben haben, es wartet niemand auf einen.
So wie du deine Tochter beschreibst, ist dies eine ideale Gelegenheit für sie um an sich zu arbeiten und und auch wenn es momentan nicht leicht ist, weder für dich noch für sie, kann dieses halbe Jahr eine große Bereicherung werden. Ermutige sie, dran zu bleiben und denke daran, jede Schwierigkeit die sie überwindet, macht sie zu einem stärkeren Menschen.
Liebe Saskia, ich finde es ganz wichtig, deine Tochter weiterhin zu bestärken, sich und der Situation noch ein bisschen Zeit zu geben und ihr klar zu machen, dass es normal ist und die schwierige, einsame Situation NICHT an ihr liegt, was selbstverständlich nicht ausschließt, sie zu Eigeninitiative zu ermutigen! Zu sagen, Rückkehr ist keine Option, habe und hätte ich persönlich nie zu meiner 15 Jährigen (!), die gerade mit schlimmen Heimweh zu kämpfen hat, gesagt. Ich finde es völlig legitim, dort sich jemandem anzuvertrauen und um Hilfe zu bitten. Die sehr liebe Gastfamilie von meiner Tochter hatte eine andere Gastfamilie angesprochen und mal ein Treffen arrangiert…mit dieser Starthilfe lief es dann richtig gut und meine Tochter entwickelte daraufhin sehr viel Eigeninitiative und hatte eine tolle Zeit). Die Hilfe könnte ja auch ganz anders aussehen, ich meine nur, es ist überhaupt nichts dabei und jedes Kind überwindet solche Probleme mehr aber teilweise eben auch weniger gut. Also, Verständnis zeigen und fürs Kind da sein, wäre meine Maxime. Alles Gute!