Eure bzw. die Zukunft eurer Kinder nach dem ATJ

Wir leben inzwischen in der Erinnerung von 3 geglückten Austauschjahren. Mit dem sehr guten Englisch aus diesem Jahr haben alle drei sehr schnell einen Job bekommen. Es hat sich gelohnt!

Daraus erschließt sich mir die Frage:
Hat sich das ATJ bei euren Kindern gelohnt? Konnten Sie es für ihre Zukunft gebrauchen? Was haben sie studiert bzw. welche Berufe haben sie ergriffen? Hätten sie das gleiche auch ohne ATJ gemacht?

Natürlich dürfen auch Ehemalige antworten ;).

Viele Grüsse

Kirsten

Bei uns ist es geteilt!
Jessy hat nicht wirklich was aus ihren Möglichkeiten gemacht … All das, was sie gemacht hat, hätte sie auch ohne Abitur und ATJ machen können.
Sie hat 2003/2004 ihr ATJ und 2006 ihr ABI gemacht. Ich bin 2005 viel mit ihr rumgefahren, um das richtige Studium für sie zu finden. Sie hat sich dann für Tourismus in den Niederlanden entschieden. Im Frühjahr 2006 kam ihr dann der Gedanke, dass sie doch noch erst ein Jahr weg möchte (Au Pair in den USA). Ich habe ihr dann geraten, das Schicksal entscheiden zu lassen, ob sie den Studienplatz bekommt oder nicht. Da er begehrt war, musste gelost werden. Sie hat den Studienplatz bekommen, angefangen und nach 2 Monaten wieder abgebrochen. Teils wegen ihrem damaligen Freund, der sehr eifersüchtig war, teils, weil es ihr nicht gefallen hat. Sie hat dann eine Ausbildung gemacht, ein Jahr dort gearbeitet und ist DANN wieder für 2 Jahre als Au Pair in die USA gegangen. Dort hat sie jetzt geheiratet, sitzt rum und wartet, dass ihr Mann aus Afghainstan wieder kommt. Noch heute wirft sie mir vor, dass sie nach dem ABI lieber noch ein Jahr weggegangen wäre und ich schuld bin, dass sie es da nicht gemacht hat.

Sabsi hat 2009/2010 ihr ATJ und 2012 ihr ABI gemacht. Bei ihr fanden wir 2011 raus, dass es in Kleve einen neuen Studiengang gibt: International Relations auf Englisch. Das wollte sie studieren. Er war ohne NC und jeder der sich beworben hatte, wurde genommen. Das waren 2011 ca. 60 Studenten. Nach dem ABI gingen bestimmt 2/3 ihres Jahrganges ins Ausland oder machten ein freiwilliges soziales Jahr, weil sie nicht wussten, was sie studieren sollten. Teilweise sind sie noch immer unterwegs oder kamen zu spät wieder/hatten sich zu spät beworben, sodass sie noch immer nicht mit dem Studium/Ausbildung angefangen haben. Sabsi hatte das auch überlegt, aber weil sie unbedingt diesen Studiengang machen wollte, habe ich auch ihr geraten, gleich anzufangen, weil sie 1. mit dem Studiengang noch oft ins Ausland kommen wird und sie nicht wusste, ob nicht ein Jahr später ein NC drauf liegt. Sie hat gleich angefangen, hat nach einem Jahr in den Semesterferien ein 8wöchiges Praktikum bei einer Unterorganisation der UN in San Diego gemacht (hat eine super Beurteilung bekommen) und geht jetzt im März mit der Delegation zur UN Sitzung nach New York. Danach fängt sie mit dem 4. Semester an, hat eine MUN Gruppe an ihrer Hochschule gegründet, schult und leitet sie. Anfang April geht sie für 5 Tage nach Den Haag an den europäischen Gerichtshof (es dürfen nur die 5 mit, die sich als schnellste angemeldet haben) und ist glücklich mit ihrer Studienwahl. In einem Jahr ist sie in ihrem Auslandssemester und nach ihrem Bachelor Anfang 2016 möchte sie ein halbjähriges (Auslands)Praktikum machen, bevor sie zum Winteremester 2016 ein Masterstudium beginnt. Mit ihr waren es damals schon 180 Studenten in dem Jahrgang und 2013 hatten sich plötzlich über 300 beworben. Das war der Hochschule selbst zu viel und sie dann doch aussortiert. Hätte Sabsi also ein Auslandsjahr dazwischen geschoben, hätte sie ihr Wunschstudium nicht machen können.
Gerade hat sie die Nachricht bekommen, dass sie als Chair bei der MUN in Paris im Mai angenommen wurde. Ich denke, bei ihr hat sich das ATJ gelohnt und sie hätte ohne ATJ nie das studiert und gemacht, was sie jetzt macht. Dienstag Abend ist sie durch mit den Klausuren, sie kommt für 4 Wochen nach Hause und Mitte März beginnt dann schon das 4. Semester.

Jenny hat 2012/2013 ihr ATJ gemacht und wird (wahrscheinlich) 2015 ihr ABI machen. Dann ist sie erst/noch 18. Sie plant, erst ein Jahr nach Neuseeland zu gehen. Aber allein? Im Moment hat sie noch keinen, der mit ihr gehen will und ich denke, dass es zu gefährlich ist, auf der anderen Seite ist sie offener, als Sabsi es gewesen wäre … Bzgl. Studium ist im Moment ihr heißer Favorit “Wildlife Management” in den Niederlanden zu studieren, aber nach den Erfahrungen mit unserer ältesten Tochter bin ich unsicher. Aber noch ist ja alles offen und wir werden sehen, wie es im nächsten Jahr aussieht. Ende Februar geht es nach Hamburg zur Einstieg ABI Messe. Mal sehen, was ihr dann im Kopf rumspukt ;).

Viele Grüsse

Kirsten

Mal abgesehen davon, ob sich das ATJ beruflich für unsere Kinder gelohnt hat oder nicht ( wer kann schon sagen, was sie ohne ATJ beruflich gemacht hätten?), möchte ich auf einen für mich viel wichtigeren Aspekt hinweisen, den der inneren Einstellung zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen, bzw. anderen Kulturen.
Die Auswirkungen eines ATJ sind nach meiner Erfahrung nicht unbedingt gleich in den unmittelbar folgenden Jahren zu sehen, aber sie haben in vielen Fällen einen über viele Jahre wirkenden Einfluss. Das ist bei vielen eine Saat, die erst mit wachsender Reife aufgeht.
Und auch wenn es antiquiert klingt, so möchte ich auf die Gründungsidee der ersten Austauschorganisationen, damals noch auf den blutgetränkten Schlachtfeldern des 2.Weltkriegs, hinweisen: Wenn die jungen Menschen der Völker sich gegenseitig kennenlernen, dann werden sie nicht mehr in der Lage sein, aufeinander zu schießen. Das ist immer noch die Grundidee und in diesem Sinne lohnt es sich IMMER!
Rana

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Ich kann nur von mir selbst sprechen. Mir hat das Jahr auf jeden Fall einen mehr als wertvollen Beitrag zu meinem Erfahrungsschatz geliefert. Studiert hätte ich wohl auch ohne den Austausch. Aber bei mir hat es vor allem eine persönliche Entwicklung gefördert, die mir in in allen Bereichen (auch beruflich) extrem nützt: ich habe gelernt, mehr aus mir heraus zu kommen und mich auf neues einzulassen. Auf neue Menschen, neue Umgebungen, etc. Also eher im Bereich “Soft Skills” lernt man extrem dazu, würde ich sagen.

„Die innere Einstellung zu sich und seinen Mitmenschen und Kulturen“ Genau das! Und die Hoffnung auf eine friedlichere Welt natürlich auch.

An das denke ich auch bei KirstenJ. Text. Es fällt mir gleich auf, wie sie sich eine möglichst sofortige positive Wirkung der vergangenen ATJs wünscht. Und das fällt mir auf, weil ich genau so bin. Viel zu oft. Ich weiß es genau, von einem langen Auslandsaufenthalt zieht man für sich persönlich so viel, fürs ganze Leben. Nur hier im Alltag vergisst man das dann zwischendurch. Leistungsstress, Zukunftsängste usw verunsichern einfach.

Nach ½ Jahr Sohn zurück entdecke ich ausser gutem Englisch nicht die großen positiven Veränderungen. Eine miese Zeit mit der 1. Gastfamilie hat an seinem Selbstwertgefühl genagt. Aber er fängt sich wieder seit den vergangenen Monaten. jung wie er ist, hat er noch viel Zeit für entsprechende Erkenntnisse.

Vor vielen Wochen sagte eine Frau (jetzt so Mitte 50) zu ihm, er muss jetzt nicht erklären können, was das Auslandsschuljahr ihm nun gebracht hätte. Das kommt mit der Zeit. Sie profitiert heute noch davon, mit 19 ein Jahr lang Au-Pair gemacht zu haben, menschlich und somit auch beruflich. Es hat uns gut getan, dass sie das gesagt hat, weil wir uns in dem Gespräch dummer Weise ins Negative geredet hatten.
Und so finde ich es auvh gut, dass Kirsten dieses Thema eröffnet hat. Ab und zu mal ins Bewusstsein zurückrufen, was ATJ und ähnliches uns allen geben kann.

Wenn die jungen Menschen der Völker sich gegenseitig kennenlernen, dann werden sie nicht mehr in der Lage sein, aufeinander zu schießen. Das ist immer noch die Grundidee und in diesem Sinne lohnt es sich IMMER!

Die innere Einstellung zu sich und seinen Mitmenschen und Kulturen“ Genau das! Und die Hoffnung auf eine friedlichere Welt natürlich auch.

All das weiß ich auch und darum ging es mir auch gar nicht!

Mich interessiert einfach, was ihr/eure Kinder gelernt/studiert habt und ob das schon vorher eure Pläne waren oder ob sich eure Zukunft bzw. die eurer Kinder nach dem ATJ drastisch geändert haben.

Viele Grüsse

Kirsten

Hey Kirsten,

Wenn es dir/hier garnicht darum geht, wie sich die social skills, inneren Einstellungen etc. durch das ATJ entwickelt haben - sondern einfach nur, wie durch das ATJ mein Lebenslauf optimiert wurde, kann ich meinen Post kurz halten:

Bei mir kann man ganz klar sagen, dass das ATJ mein Leben gravierend verändert hat.
Ohne ATJ hätte ich nach Beendigung der Realschule ganz sicher ne Ausbildung zum Chemielaboranten gemacht (so war es jedenfalls geplant), wäre seit ca. 7 Jahren ausgelernt und würde seitdem regulärer Erwerbsarbeit nachkommen.
Praktisch ist es aber anders gekommen - schon alleine dadurch, dass ich Abi (bzw. in foren-üblicher Schreibweise: ABI) gemacht habe. Dieser höhere Schulabschluss hat dann schonmal alles geändert. :wink:

Ob mein Leben jetzt wirklich besser ist als ohne ATJ, kann keiner sagen - aber auf jeden Fall ist es anders.

Da ich nicht groß posen möchte, wie toll ich und mein Leben so ist lol, belasse ich es mal dabei - denn wie gesagt, ich bin überzeugt, dass alleine das ABI die größte Wendung in meinem weiteren Leben war (die hat mich dahin gebracht, wo ich nun bin, und nicht dorthin, wo ich es vor 11/12 Jahren geplant hatte)

Wie mein Leben ohne mein ATJ verlaufen wäre, kann ich nicht sagen.Aber dass es auf mein Leben, unser Familienleben und das bisherige Leben meiner Kinder einen riesigen Einfluss hatte, steht außer Zweifel.

  • Übergangsfamilie für viele Wechsler
  • Hostfamlie für 4 ATS (mal kürzer, mal länger)
    Damit sind meine Kinder aufgewachsen und für sie selbst stand nie außer Zweifel, dass sie selbst auch ein ATJ machen werden. Beide haben dann noch weitere Zeit im Ausland angehängt.
  • zahlreiche gegenseitige Besuche mit meiner ehemaligen Hostschwester und ihrer Familie gehören und gehörten zu unserem Familienleben.
  • ein lebendiges Verhältnis zu unserem spanischen ATS von vor 23 Jahren bereichert ebenso unser Familienleben und unsere Reisen
  • viele, viele Jahre habe ich das ehrenamtliche Arbeiten mit netten anderen Ehrenamtlichen in der Austauschorga sehr genossen
  • und last not least hätte ich ohne meine ATJ niemals mit 60 Jahren den Mut gehabt, alleine für ein halbes Jahr nach Südamerika zu gehen und noch einmal eine neue Sprache zu lernen.
    Für mich ist Schüleraustausch lebensbegleitend geworden und hat unser Familienleben unglaublich bereichert, auch wenn wir nicht nur gute Erinnerungen daran haben.
    Und ich bin sicher, es ist eine Geschichte ohne Ende, meine Kinder werden zu gegebener Zeit bestimmt wieder hosten oder ihre Kinder zu einem ATJ animieren (wobei für mich beides zusammengehört!!! Wenn ich Kinder wegschicke und nicht irgendwann hoste, dann geht die Rechnung nicht auf!).
    Rana
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Ergänzung zu meinem post vom Februar

Inzwischen bin ich fast ein Jahr in Chile und der Rückflug ist auf unbestimmte Zeit verschoben.
Wer mit 16 Jahren gelernt hat, alleine im Ausland zurecht zu kommen, der verlernt das wohl nie mehr und kann so den Jahren nach dem Beruf noch einmal eine ganz neue Perspektive und viele bunte Farben geben.
Rana

Ich denke nach einem Auslandsjahr wird man weltoffener und hat dieses immerwährende Fernweh.

Als Neuling hier lese ich mich momentan vor allem durch’s Elternforum. Diesen Thread finde ich interessant und will ihn deswegen aus der Versenkung heben.
Die Ursprungsfrage von Kirsten, die ja auch auf unterschiedlichste Weise schon beantwortet wurde, ist ja die;
Wie hat sich das Leben verändert nach dem ATJ? Ich bin auch der Meinung, dass sich viele Softskills und auch berufliche Ideen aus den Erfahrungen des ATJ sehr viel später noch auswirken.
In unserer Familie hatte der nur 2-monatige Aufenthalt unseres Sohnes Timon 2013 in Australien (Tasmanien, er ist dort 18 Jahre alt geworden) eine sofortige “durchschlagende” Wirkung - auf seine Schwester! Dania , damals gerade 15 Jahre alt, hat sich sofort nach seiner Rückkehr mit ihrem Auslandsaufenthalt beschäftigt. Nichts Außergewöhnliches werdet ihr denken, aber in ihrem Fall eben schon. Sie ist ein offenes, freundliches Mädchen, brauchte aber von Kleinkind an bei “fremden” Unternehmungen immer jemanden im Hintergrund. Es war ihr unangenehm, wenn sie im Fokus der Aufmerksamkeit stand, egal ob im Sport, der Schule oder privat. Den Schullandheim-Aufenthalt Ende der 7. Klasse hat sie sich kurzfristig nicht zugetraut, da es ihr zu viel war die Verantwortung für ihre Borreliose-Erkrankung (bzw. das regelmäßige Einnehmen der Mittel) trotz Unterstützung ihrer Freundinnen, zu übernehmen. Und Anfang der 9. Klasse beschließt sie mal so eben für längere Zeit ins Ausland zu gehen!! Der Gedanke war für mich SEHR gewöhnungsbedürftig.
Trotz der Erkrankung konnte sie im “normalen” Programm für 5 Monate von August-Dezember 2014 eine tolle Zeit in Texas verbringen.
Eine wiederum prompte Auswirkung dieses Aufenthalts steht uns jetzt bevor. Auf Dania’s großen Wunsch hin nehmen wir ab September eine Taiwanesische Gastschülerin für 10 Monate bei uns auf. Ihr war es sehr wichtig zuhause zu sein, wenn wir Familienzuwachs bekommen :smile:

Timon ist dabei sein Abitur zu machen. Er wird am 13. September für ca. 1 Jahr ‘work an travel’ nach Neuseeland und Australien aufbrechen. Er wollte schon vor der Zeit in Australien Pilot werden und versteht “andersherum” seine Auslandserfahrung als tolle Vorbereitung auf diesen Beruf. Da es nicht so einfach ist, bei Lufthansa an einen Ausbildungsplatz zu kommen, wird er (Annahme vorausgesetzt) im Herbst 2016 sein Studium Luft- und Raumfahrttechnik beginnen.

Viele Grüße, vielleicht wollen noch ein paar andere Neulinge hier “Auswirkungen” des ATJ posten? Ich freue mich darauf!

Unser Sohn hatte danach noch ein halbes Jahr lang Alpträume, von seiner furchtbar nachtragend Gast Mutter, die ihn überall schlecht gemacht hat. Die Organisation (DFSR) hat sich nicht dafür interessiert, auch als die Lehrer und die neue Gastfamilie, die er sich gesucht hatte, sich für ihn eingesetzt haben. Die Jugendlichen sind immer schuld, wenn was schief läuft und werden entsprechend bearbeitet. So haben wir dann einige Erfahrungsberichte gelesen. Wir haben wirklich keine Fürsorge oder Verantwortung seitens der Veranstalter erlebteinem Jugendlichen gegenüber erlebt, obwohl die ja so menschenfreundlich tun. Das hat uns dann ziemlich erschreckt. Diesen Idealismus zu verbreiten, Völkerverständigung, Offenheit für kulturelle Vielfalt, usw. finde ich daher eher ungut. Das wird ja auch zu Werbezwecken missbraucht. Es ist immer ein nicht unerhebliches Risiko, was man da eingeht, wenn man seine jugendlichen Kinder ein Auslandsjahr machen lässt. Das sollte man sich bewusst sein.

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