Hallo!
„Ich weiß, dass ein Auslandsjahr unglaublich toll und gewinnbringend sein kann, aber ich habe auch schon so viel schlechtes gelesen. Wenn ich darüber nachdenke, denke ich auch immer an das negative, was passieren könnte.“
Das Risiko, dass du in deinem Auslandsjahr große Probleme haben wirst, besteht immer. Das ist eben so. Fast niemand macht wirklich durchweg ausschließlich gute Erfahrungen, die meisten haben hin und wieder mit kleinen Problemen zu kämpfen, manche auch mit großen und einige auch mit sehr großen. Das ist halt so. Du musst selbst entscheiden, ob du das Risiko eingehen möchtest oder nicht.
„Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich das Jahr in Deutschland nochmal machen muss(…)“
Kommt auf die Schule an. Du musst keinesfalls zwangsläufig wiederholen. Hast du das schon mit deiner Schule besprochen?
„(…) andererseits habe ich seit ich denken kann, meine wichtigen Entscheidungen was die Schule betrifft (Wahl der Schulart, Wahl der 2. Fremdsprache) den Aspekt, dass ich in eine völlig neue Umgebung mit völlig neuen Menschen kommen könnte ausgeblendet.“
Was meinst du damit?
„Ich bin eher still, rede mit Menschen, die ich noch nicht kenne nicht viel aber bin auch niemand, der sich am liebsten die ganze Zeit irgendwo verkriechen würde.“
Solange du nicht so super schüchtern bist, dass du dich gar nicht traust, auf andere zuzugehen, und du an anderen Menschen grundsätzlich interessiert bist, ist eine ruhige Wesensart und eine gewisse Schüchternheit gar nicht schlimm. Du solltest auf jeden Fall den Eindruck vermitteln, dass du dich für die Menschen vor Ort und für ihr Alltagsleben interessierst und dich nicht immer nur zurückziehen. Aber das hast du ja offenbar sowieso nicht vor.
„Meine große Angst ist, dass sich die Tatsache, dass es in den USA keine festen Klassen gibt, meine Neigung, eher langsam Kontakte zu knüpfen und eine Sprache, die ich nicht genug beherrsche, um Kontakte zu knüpfen so ungünstig vermischen werden, dass ich dort am Ende keine Freunde finde, abseits stehe, nur zu Hause rumsitze und das Geld meiner Eltern verschwendet habe.“
Du kannst definitiv gut genug Englisch, um Kontakte zu knüpfen, wenn du ganz normal seit der 5. Klasse Englischunterricht hattest, ganz bestimmt. Vor allem, weil du dort im Alltag viel schneller Fortschritte machen wirst als in der Schule. Du darfst bloß keine Angst davor haben, Fehler zu machen, und aus Angst dann gar nichts mehr sagen.
Ob du leicht oder schwer Freunde findest, lässt sich in keiner Weise voraussehen, egal, in welches Land du gehst. Manche Leute finden schnell Kontakt, andere haben anfangs Probleme, wieder andere haben größere Probleme damit. Das lässt sich absolut nicht vorhersehen. Das kannst du einfach nur auf dich zukommen lassen.
„Bitte schreibt kurz, ob ihr mir abraten würdet oder nicht und was eure Ängste waren - und das Wichtigste - ob es am Ende auch so war.“
Ich würde dir definitiv nicht davon abraten, nur du selbst weißt, ob du dir das zutraust. Du solltest es wirklich wollen und dich grundsätzlich darauf freuen, denke ich. Wenn der Gedanke an ein ATJ in dir dauerhaft wesentlich öfter Panik als Freude auslöst, solltest du vielleicht nochmal darüber nachdenken.
Ich bin selbst auch eher ruhig und hatte auch eine Menge Bedenken, weil man doch auch so viel Schlechtes hört. Gerade auch, weil ich so schüchtern bin und früher sehr oft Heimweh hatte. Mein Jahr hatte auch nicht besonders vielversprechend angefangen, weil der lange Flug mir gesundheitlich extrem zugesetzt hatte und ich anfangs das Gefühl hatte, die Zeit wäre so super lang. Der erste Eindruck von meiner Gastfamilie und vor allem von meinem Wohnort war auch nicht der beste. Ich habe mich überhaupt nicht zurechtgefunden und war einfach überfordert. Ich habe auch so gut wie gar nicht geredet. Es war bei weitem nicht alles perfekt und manche Dinge waren auch ganz anders, als ich erwartet hatte. Mir hat auch nicht alles im Alltag gefallen, es ist eben einfach eine andere Kultur gewesen. Auch war mir ziemlich oft langweilig, letztendlich ist es irgendwann auch „nur“ ein Alltag, der nicht so aufregend ist, wie es einem anfangs vorkommt.
Letztlich hatte ich aber weitestgehend Glück, habe viele großartige Menschen kennengelernt, unvergessliche Dinge erlebt, die ich zu Hause nie erlebt hätte, und hatte eine weitestgehend fantastische Zeit. Und es hat mir persönlich einfach extrem viel gebracht, ich bin viel aufgeschlossener, selbstständiger und weltoffener geworden und habe viele neue Ideen für meine Zukunft bekommen. Es ist einfach eine unglaubliche und nicht wirklich in Worte zu fassende Erfahrung. Ich vermisse Neuseeland bis heute noch immer wahnsinnig und schwärme immer noch dauernd davon. Besonders mein Wellington, den ich mit allen guten und weniger guten Seiten lieben gelernt habe, vermisse ich sehr.
Es kommt immer anders, als man denkt, und man darf auf keinen Fall erwarten, dass es „perfekt“ wird, und es kann sein, dass man Probleme, vielleicht auch schwerwiegende, hat. Jeder muss eben selbst entscheiden, ob er das Risiko eingehen möchte oder nicht. Diese Entscheidung kann dir letztlich niemand abnehmen.
Viele liebe Grüße,
Marie-Claire